Titel
Rémusat
(spr. -müsá), 1) Jean Pierre Abel, berühmter franz. Orientalist, geb. zu Paris, [* 2] studierte Medizin, daneben Orientalia (besonders das Chinesische) und erhielt 1814 im Collège de France den Lehrstuhl der chinesischen und Mandschusprache, während er zugleich Aufseher der orientalischen Manuskripte in der königlichen Bibliothek und Präsident der Asiatischen Gesellschaft ward. Er starb Von seinen Werken, die viel zur Aufhellung der ostasiatischen Sprachen und sonstigen Verhältnisse beigetragen haben, erwähnen wir: »Essai sur la langue et la littérature chinoises« (1811);
die »Recherches sur les langues tatares« (1820);
die »Éléments de la grammaire chinoise« (1822; neue Ausg. von Rosny, 1858);
»Mélanges asiatiques« (1825, 2 Bde.) nebst »Nouveaux mélanges« (1828, 2 Bde.) und die posthumen »Mélanges d'histoire et de littérature orientales« (1843);
»Observations sur l'histoire des Mongols« (1832) und »Histoire du Boudhisme« (1836).
Zahlreiche Beiträge von Rémusat
enthielt auch das
»Journal
des savants«, dessen Redaktion Rémusat
seit 1818 führte. Außerdem hat er manches aus dem
Chinesischen
übertragen, z. B.
»Livre
des récompenses et des peines« (1816) und den
Roman »Ju-Kiao-li, ou les deux cousines« (1826, 4 Bde.).
Vgl. Silv. de
Sacy, Notice sur la vie et les ouvrages de Rémusat
(Par. 1834).
2) Charles François Marie, Graf von, franz. Staatsmann, geb. zu Paris, ward 1819 Advokat, 1830 Deputierter, schloß sich anfangs den Doktrinären unter Guizot an, trat aber später zum linken Zentrum über. Nachdem er im Ministerium vom die Stelle eines Unterstaatssekretärs bekleidet hatte, erhielt er in Thiers' Ministerium vom das Portefeuille des Innern. Nach dem Rücktritt dieses Ministeriums schloß er sich der dynastischen Opposition an und ward 1848 in Toulouse [* 3] zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt, wo er zum Verein der Rue de Poitiers gehörte.
Wegen seines
Protestes gegen den
Staatsstreich aus
Frankreich verwiesen, begab er sich nach
Brüssel,
[* 4] erhielt jedoch schon im
September die Erlaubnis zur Rückkehr. Am ward er von seinem alten
Freunde
Thiers zur Leitung
des
Auswärtigen
Ministeriums berufen und 1873 bei einer
Nachwahl in
Paris als
Kandidat für die
Nationalversammlung empfohlen.
Seine
Niederlage führte auch den
Sturz
Thiers' herbei. Rémusat
starb in
Paris. Von seinen
Schriften sind hervorzuheben: »Éssais de philosophie« (Par. 1842, 2 Bde.),
denen er seine Aufnahme in die Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften verdankte;
»Abélard« (1845, 2 Bde.) und »De la philosophie allemande« (1846),
infolge deren er Mitglied der französischen Akademie wurde;
»Saint [* 5] Anselme de Cantorbéry« (1853, 2. Aufl. 1868);
»L'Angleterre au XVIII. siècle« (1856, 2 Bde.);
»Critiques et études littéraires« (2. Aufl. 1857);
»Bacon, sa vie, son temps, sa philosophie« (1857, 2. Aufl. 1858);
»Politique liberale, ou fragments pour servir à la défense de la Révolution française« (1860, 2. Aufl. 1875);
»Channing, sa vie et ses œuvres« (1857, 2. Aufl. 1862);
»Philosophie religieuse. De la théologie naturelle en France et en Angleterre« (1864);
»Lord Herbert de Cherbury« (1874);
»Histoire de la philosophie en Angleterre depuis Bacon jusqu'à Locke« (1875, 2 Bde.).
Aus seinem Nachlaß wurden zwei Dramen: »Abélard« (1877) und »La Saint-Barthélemy« (1878),
sowie die »Correspondance pendant les premières années de la
Restauration« (1883-1887, 6 Bde.)
veröffentlicht. - Seine
Mutter Claire
Elisabeth
Jeanne, Gräfin von Rémusat
, geborne
Gravier de
Vergennes, geb. zu
Paris,
vermählte sich 1796 mit dem
Grafen
Augustin
¶
mehr
Laurent de Rémusat
, Kammerherrn Napoleons I. (geb. gest. ward 1802 der
Kaiserin Josephine als Gesellschaftsdame beigegeben und erhielt später den Rang einer Palastdame. Nach ihrem Tod
veröffentlichte ihr Sohn aus ihrem Nachlaß den »Essai sur l'éducation des femmes« (1824, neue Ausg.
1842) und ihr Enkel Paul de (s. unten) »Mémoires de Madame de Rémusat«
(1879-1880, 3 Bde.) und
»Lettres« (1881, 2 Bde.). Die Memoiren geben über die Personen und das Leben am Hof
[* 7] Napoleons (1802-1808) höchst interessante
Aufschlüsse; allerdings sind dieselben, da Frau v. Rémusat
ihr Tagebuch 1815 aus Angst vor Verfolgungen verbrannte,
erst 1818 aus dem Gedächtnis niedergeschrieben, aber, da die Verfasserin mit Verständnis und Urteil den Ereignissen folgte
und auf ihre Gründe und Ursachen zurückzugehen sich bemühte, dennoch von bedeutendem historischen Wert.
3) Paul Louis Etienne, Graf von, franz. Schriftsteller und Politiker, Sohn des vorigen, geb. zu Paris, studierte die Rechte, widmete sich dann aber ausschließlich litterarischer Beschäftigung, wurde 1857 Mitredakteur des »Journal des Débats« und 1865 Mitglied des Stadtrats zu Toulouse. 1870 begleitete er Thiers auf seiner diplomatischen Rundreise an den Höfen Europas. Im Februar 1871 wurde er vom Departement Obergaronne in die Nationalversammlung gewählt, wo er seinen Platz im linken Zentrum nahm. Während sein Vater das Ministerium des Auswärtigen verwaltete, war er dessen Kabinettschef. Seit 1876 ist er Senator. Eine Auswahl seiner für die »Revue des Deux Mondes« geschriebenen Artikel erschien unter dem Titel: »Les sciences naturelles« (1857).