Rembrandt
,
eigentlich Rembrandt
Harmensz van
Ryn, holländ.
Maler, geb. zu
Leiden
[* 2] als
Sohn des
Müllers Harmen Gerritsz, der nach seiner an einem
Arm des
Rheins gelegenen
Mühle van
Ryn genannt wurde, erhielt den
ersten
Unterricht durch den
Maler J. van Swanenburgh und war dann
Schüler von P.
Lastman in
Amsterdam,
[* 3] von
dem er
trotz des nur kurzen Aufenthalts bei demselben doch lange nachwirkende
Eindrücke empfing.
Sein erstes datiertes
Bild, der heil.
Paulus im Gefängnis
(Stuttgart),
[* 4] von 1627, zeigt viel von der Malweise
Lastmans, aber auch schon eine große Überlegenheit.
Rembrandt
war dann längere Zeit in
Leiden selbständig thätig, siedelte jedoch Ende 1631 oder Anfang 1632 nach
Amsterdam über. Er erhielt hier zahlreiche
Bestellungen, und schon 1634 konnte er eine
Gattin, die schöne Saskia van Uylenburgh,
in sein wohlbestelltes
Haus führen. Es folgte nun für eine
Reihe glücklicher Jahre; er arbeitete außerordentlich viel,
wurde gut bezahlt und konnte seiner Lust am Sammeln von Bildern und Kunstgegenständen freien
Lauf lassen. 1642 starb
Saskia.
Schon einige Jahre vorher waren seine Vermögensverhältnisse nicht mehr ganz geordnet, und er geriet jetzt immer mehr
in
Schulden. Skandalsüchtige Biographen haben die
Fabel vom liederlichen Lebenswandel Rembrandts
erfunden, durch den er sein
Gut vergeudet haben soll. Die
Schuld an seinem
Schicksal trugen vielmehr die veränderten Geschmacksverhältnisse
der Zeit, welche ihm sein
Publikum entfremdeten, der allgemeine Rückgang des Wohlstandes sowie seine kostspieligen
Neigungen
als Sammler. 1656 verschrieb er aus Vorsicht
Haus und
Hof
[* 5] seinem Sohn
Titus; noch in demselben Jahr wurde er für zahlungsunfähig
erklärt, seine Sammlung für den niedrigen
Preis von 5000
Gulden, das
Haus für 11,000
Guld. verkauft. Rembrandt
lebte
seitdem in stiller Zurückgezogenheit, schloß eine zweite
Ehe mit
Katharina van
Wyk und hinterließ bei seinem erfolgten
Tod zwei
Kinder.
Sein Sohn
Titus, ebenfalls
Maler,
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war ihm bereits im Tod vorangegangen. 1852 ward ihm zu Amsterdam ein Denkmal gesetzt. ist einer der originellsten Künstler;
ohne wissenschaftliche Vorbildung, ohne große Anleitung, ohne Anschauung großer Meisterwerke erreichte er eine außerordentliche
Höhe. Seine Stoffe sind meistens dem heimatlichen Leben entlehnt. Die derbste
[* 6]
Figur im Volk gibt ihm Anlaß
zum Studium und gewinnt unter seiner Hand
[* 7] einen machtvoll packenden Ausdruck charakteristischer Wirklichkeit, der durch einen
poetischen Hauch verklärt wird. Er benutzte seine Studien nach dem Leben aber auch, wenn er Szenen aus dem Alten und Neuen Testament
darstellte, die er im Licht
[* 8] seiner Zeit sah, ohne Rücksicht auf geschichtliche Treue, die aber gerade
deshalb um so wirkungsvoller sind, denn sie geben die geistige und materielle Atmosphäre, in welcher Rembrandt
lebte und dachte,
mit der Wahrheit des Sittenbildes wieder.
Sein Hauptmittel malerischer Wirkung ist das Helldunkel. Aus Schatten [* 9] und Dunkelheit läßt er in scharfer Beleuchtung [* 10] die charakteristischen Stellen des Bildes kraftvoll hervortreten. Er läßt die Formen mehr ahnen, als daß er sie ausführt. Nur die Köpfe sind gut gezeichnet, die Richtigkeit der übrigen Glieder [* 11] sowie Schönheit der Verhältnisse gelten ihm als Nebensache. Nichtsdestoweniger beachtet er auch das Kleinste und Unscheinbarste und entfaltet eben in dem scheinbar Zufälligen einen eigentümlichen Reiz.
Seine Malweise hat im Lauf der Zeit stark gewechselt: zuerst malte er mit subtilem Pinsel und mit hellem Lichte. Dieser ersten Periode gehören außer dem Paulus von 1627 der Geldwechsler (1627, Berliner [* 12] Museum), die Gefangennahme Simsons (1628, königliches Schloß zu Berlin), [* 13] die Verleugnung Petri, die Darstellung im Tempel [* 14] und andre im Privatbesitz befindliche Bilder kleinen Formats an, welche sich durch scharfe Betonung [* 15] der Lokalfarben mit grellem Licht kennzeichnen.
Den Übergang zu seiner zweiten Periode bildet die heilige Familie mit lebensgroßen Figuren von 1631 (Münchener Pinakothek).
Das erste Hauptwerk dieser zweiten Periode, während welcher er sich an Th. de Keyser anschloß, ist die
»Anatomie des Dr. Tulp« (1632, im Museum des Haag).
[* 16] In dieser Zeit entstanden auch die meisten seiner Selbstbildnisse und die
seiner Gattin Saskia. In der Zeit von 1637 bis 1642 kam auf seinen Bildern ein goldig-brauner Ton zur Herrschaft, der sich
schließlich zu dem für Rembrandt
charakteristischen »farbigen
Helldunkel« entwickelte, welches die Zeit bis etwa 1654 beherrschte.
An der Spitze dieser Epoche steht sein zweites Hauptwerk, die sogen. Nachtwache (1642), in Wirklichkeit kein Nachtstück, sondern der Auszug der Amsterdamer Schützengilde zur Tageszeit, der Gipfelpunkt seiner Helldunkelmalerei in goldigen Tönen; seine Behandlung ist hier gleichweit von Ausführlichkeit und Skizzenhaftigkeit entfernt. Mit der Zeit aber steigerte sie sich zu ungewöhnlicher Kühnheit und wurde teilweise dekorativ, seine Farbe ging mehr ins Braune über.
Das Hauptbild dieser Zeit sind die Staalmeesters (1661). Rembrandt
entlehnte den Stoff zu einer großen Anzahl von Bildern dem Neuen
Testament. Er stellte die heilige Familie dar auf der Rast während der Flucht nach Ägypten
[* 17] (Berlin) oder,
in bescheidener Handwerkerhäuslichkeit, die Familie des Schreiners (Louvre), die Familie des Holzhackers (Kassel).
[* 18] Gleicherweise
in das Alltagsleben hineingestellt und demselben entnommen sind die Heimsuchung (von 1640, London),
[* 19] Christus zu Emmaus, dann
der barmherzige Samariter.
Außerordentlich mächtig und ergreifend wirkt in den Bildern der Münchener Pinakothek: Christi Abnahme vom Kreuz, [* 20] einem der schönsten Bilder, die er überhaupt gemalt, voll wunderbarer Lichtwirkung, Christi Grablegung und Himmelfahrt. In seinen Bildern aus dem Alten Testament herrscht ein merkwürdig phantastischer Zug; Modelle aus dem Amsterdamer Ghetto, in absonderlich farbige Kostüme [* 21] gesteckt, sollen uns die Welt des Orients veranschaulichen.
Solcher Art sind: Jakob, seine Enkel segnend (Kassel);
Simson, seinem Schwiegervater drohend (Berlin);
dann das Dresdener Bild: Simson, bei seiner Hochzeit Rätsel aufgebend, ein Gemälde von außerordentlicher Lebendigkeit und malerischer Wirkung.
Mit besonderer Vorliebe behandelte er
die Geschichte des Joseph, des Daniel und der Susanna (die schönsten Beispiele in Berlin). Speziell geschichtliche
Bilder schuf Rembrandt
eigentlich nie. Der Mythologie entlehnte er dagegen häufig seine Stoffe, obwohl seine Auffassung, der antiken
vollständig entgegengesetzt, durchaus eigentümlich ist und nur auf malerische Wirkung ausgeht. Solcher Art sind: die Entdeckung
des Fehltritts der Kallisto (Anhalt),
[* 22] der Raub des Ganymedes
[* 23] (Dresden),
[* 24] Danae (Petersburg),
[* 25] Raub der Proserpina
(Berlin) u. a. Das Gebiet, auf welchem Rembrandt
unübertroffen dasteht, ist das
Porträt; keiner vor ihm verstand es, dem menschlichen Kopf so sein individuelles Gepräge zu verleihen und so viel malerisches
Interesse abzugewinnen.
Meisterhafte Werke dieser Art befinden sich namentlich in der Eremitage zu Petersburg, in den Museen von Berlin, Kassel, Dresden, Wien [* 26] und London sowie in englischem und französischem Privatbesitz. Er malte oft interessante Modelle in allen möglichen Stellungen und Kostümen, vorzugsweise Köpfe alter Männer, Juden mit buschigem Haupt- und Barthaar. Eine besondere Vorliebe hatte er für die Darstellung seines eignen Porträts; so finden wir eins in Berlin von 1634, ein andres aus etwas späterer Zeit daselbst, mehrere in London, eins in Florenz; [* 27] auf einem berühmten Dresdener Bild von etwa 1636 bildete er sich ab, das Weinglas schwingend, mit seiner Frau auf dem Schoß.
Diese letztere finden wir auf ungemein zahlreichen Bildern, von denen die hervorragendsten sind: eine
Zeichnung in Berlin, ein außerordentlich schönes Bild in Kassel und ein noch schöneres von 1641 in Dresden. Zu Rembrandts
besten
Leistungen im Porträtfach gehören auch die Schützen- und Regentenstücke, Porträtdarstellungen der Vorsteher einer Wohlthätigkeitsanstalt,
der Offiziere einer Schützengilde, der Zuhörer eines Professors mit diesem. Die großartigsten Bilder
dieser Gattung überhaupt sind: die Nachtwache (Amsterdam) und die Staalmeesters, die Vorsteher der Tuchmachergilde, am Tisch
sitzend, in lebhafter Unterredung begriffen (Amsterdam), welches Bild einen großartigen Stil der Auffassung und eine meisterhafte
Breite
[* 28] des Vortrags zeigt.
Trotz der Porträttreue hat aber in diesen Bildern nie den Gesamteindruck aus dem Auge
[* 29] verloren. Auch
als Landschaftsmaler ist Rembrandt
ausgezeichnet. Nur Gegenden seiner Heimat nahm er zum Vorwurf; außerordentliche Feinheit der
Komposition, warme Vertiefung in das Detail und poetische Empfindung sind hier seine Vorzüge. Beispiele enthalten die Galerien
von Berlin, Braunschweig,
[* 30] Oldenburg
[* 31] und Kassel. Die Zahl seiner nachweisbaren Gemälde, deren Einfluß die
ganze Folgezeit beherrschte und noch heute nachwirkt, beläuft sich auf gegen 400. Eine wesentliche Ergänzung seiner künstlerischen
Thätigkeit bilden seine Radierungen, welche ebensosehr den Höhepunkt der holländischen Radierkunst bezeichnen wie seine
Bilder den der holländischen Malerei. Die Zahl seiner Blätter
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beträgt ca. 350. Er entwickelte in ihnen eine ungeahnte Kraft
[* 33] der Charakteristik und erzielte durch sein Helldunkel großartige
Wirkungen. Hervorzuheben sind: die große Kreuzabnahme, Ecce homo, Christus die Kranken heilend (Hundertguldenblatt), Porträte
[* 34] Six', Tollings, dann die Landschaft mit den drei Bäumen. Die berühmtesten Sammlungen seiner Blätter besitzen Paris,
[* 35] Amsterdam,
London, Dresden und Wien. Treffliche Stiche nach Rembrandt
lieferten: Claessens, J. de Frey, J. G. Schmidt ^[richtig:
Georg Friedrich Schmidt, s. Schmidt 20)], Burnet, Denon, Unger, Massalow, Flameng, Kaiser, Waltner, Koepping u. a. Die Zahl der Stiche
nach Rembrandt
wird auf 1000 geschätzt.
Unter Rembrandts
Schülern sind hervorzuheben: Gerard Dou, Gerbrand van den Eeckhout, Philipp de Koninck, Govaert
Flinck, F. Bol, Nicolaus Maes u. a.
Vgl. Scheltema, Redevoering over het leven en de verdiensten van Rembrandt
van Rijn (Amsterd. 1853;
franz., Par. 1866);
Vosmaer, Rembrandt
, sa vie et ses œuvres (2. Aufl., Haag 1877);
Lemcke in Dohmes »Kunst und Künstler« (Leipz. 1876);
Bode, Studien zur Geschichte der holländischen Malerei (Braunschw. 1883; für die Charakteristik
von Rembrandt
als Maler das Hauptwerk);
A. v. Wurzbach, Rembrandt
galerie (Stuttg. 1886);
Blanc, L'œuvre complet de R. ^[L'œuvre complet de R.] (4. Aufl., Par. 1873, 2 Bde.).
Die Herausgabe der wichtigsten Handzeichnungen Rembrandts hat F. Lippmann (Berl. 1888) begonnen.