(Religionsdelikte), in der ältern Strafgesetzgebung alle strafbaren
Handlungen,
welche überhaupt die
Verletzung einer Religionspflicht enthielten, wie denn z. B. der
Meineid regelmäßig den Religionsverbrechen beigezählt
ward.
strafbare Handlungen, die sich auf die Religion beziehen. Da, wo eine bestimmte
Konfession zur Staatsreligion erklärt, jede andere Religion nur geduldet ist, soweit es die Staatszwecke gestatten, gestaltet
sich jede Überschreitung der der fremden Religion gezogenen Grenzen
[* 2] zu einem Religionsdelikte, und das Religionsdelikt wird
ein vollständig politisches. Das geltende Deutsche
[* 3] Strafrecht hat diesen Standpunkt nicht. Es rechnet
die Religion als solche überhaupt nicht zu den vom Strafgesetz zu schützenden Gütern, sondern straft nur gewisse Handlungen,
durch welche die religiösen Gefühle verletzt und der Friede der Religionsgesellschaften gestört wird (§§. 166-168). Diese
Handlungen sind, abgesehen von der eigentlichen Gotteslästerung (s. Blasphemie):
4) vorsätzliche Verhinderung oder Störung des Gottesdienstes oder einzelner gottesdienstlicher Verrichtungen
einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft durch Erregung von Lärm oder Unordnung in einer Kirche oder in einem andern
zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte (Strafe überall Gefängnis bis zu drei Jahren). Hierzu ist zu bemerken:
1) Beschimpfung ist mehr als Beleidigung, eine grobe, durch Roheit gekennzeichnete Kundgebung der Verachtung;
3) zu den zu religiösen Versammlungen bestimmten Orten kann auch ein Kirchhof gehören, auf welchem herkömmlich
bei Beerdigungen religiöse Handlungen vorgenommen werden. Im weitern Sinne wird zu den auch der Fall gerechnet, wenn jemand
unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Personen wegnimmt, ingleichen wenn jemand
ein Grab zerstört oder beschädigt oder wenn an einem Grabe beschimpfender Unfug verübt wird (Strafe: Gefängnis bis zu zwei
Jahren und fakultativ Ehrverlust). Die Grabmälerzerstörung oder Beschädigung wird als Sachbeschädigung, die unbefugte
Wegnahme von Leichenteilen als Übertretung bestraft und das Abpflücken von Blumen, die auf ein Grab gepflanzt
sind, kann als Felddiebstahl bestraft werden, wenn der Kirchhof gartenähnlich angelegt ist.
Das geltende Österr. Strafgesetz von 1852 verpönt in §. 122 b die Störung einer im Staate bestehenden Religionsübung und
straft denjenigen, welcher durch entehrende Mißhandlung an den zum Gottesdienst gewidmeten Gerätschaften oder sonst öffentlich
der Religion Verachtung bezeigt (Strafe: Kerker von sechs Monaten bis schweren Kerker von zehn Jahren).
Außerdem sind ähnliche Bestimmungen über Verspottung religiöser Gebräuche und Einrichtungen (aber auch Lehren) in §. 303 gegeben
wie in §. 166 des Deutschen Strafgesetzbuches.
Bei denBeratungen des dem österr. Abgeordnetenhause 1889 vorgelegten Strafgesetzentwurfs haben sich bezüglich der
Bestimmungen über Religionsdelikte Meinungsverschiedenheiten ergeben; insbesondere hat die Bestimmung, daß auch der, welcher
den Glauben an Gott zu zerstören sucht, mit Zuchthaus bestraft werden solle, zu Bedenken Veranlassung gegeben. Die übrigen
Bestimmungen des Entwurfs lehnen sich an das geltende Gesetz von 1852 an.