Rekonvaleszentenhäuser,
Anstalten, welche den Genesenden bessere Bedingungen für schnelle und völlige Erholung schaffen, als der weitere Aufenthalt im Krankenhaus oder die Rückkehr in die gewohnten Lebensverhältnisse bieten kann. Die Rekonvaleszentenhäuser sollen aber auch solche Kranke von vornherein aufnehmen, deren Genesung durch den gewöhnlichen Aufenthalt im Krankenhaus nicht genügend gefördert oder überhaupt nicht erreicht wird. Sie sollen die vielfach überfüllten Krankenhäuser entlasten, damit diese ihrer eigentlichen Aufgabe besser gerecht werden können. Die Rekonvaleszentenhäuser sollen vornehmlich den minder Bemittelten und Armen möglichst schnelle und vollständige Wiederherstellung der Gesundheit erleichtern, um dauerndem Siechtum und dem Verlust der Arbeitskraft vorzubeugen. Die Erfahrung
mehr
hat längst gelehrt, daß zweckmäßige Veränderung des Aufenthalts, Verbringung an einen Ort, wo reichlicher Genuß freier Luft mit geregelter Pflege und passender Ernährung verbunden wird, ungleich schneller und sicherer zur Genesung führt als längerer Aufenthalt im Krankenhaus oder die Rückkehr in die meist mangelhaften oder gar schädlichen heimischen Verhältnisse, die vielfach die Entstehungsursache der Krankheit abgaben. Oberstes Erfordernis für die ist eine nach ärztlichen und hygienischen Gesichtspunkten genau geregelte Leitung, richtige Disziplin und strenge Hausordnung. Sehr gern unterstellt man die Rekonvaleszentenhäuser der Leitung eines Krankenpflegerordens, doch sollte die oberste Instanz immer ein Arzt sein; auf keinen Fall ist regelmäßige ärztliche Kontrolle zu entbehren. Selbstverständlich erfordern eine gesunde Lage, mindestens an der Peripherie der Städte, womöglich fern im Walde, auf einer Höhe oder am Meer. Bau und Einrichtung stellen sich viel billiger als bei Krankenhäusern (0,33-0,5 der für die letztern aufs Bett berechneten Summe). Es genügen ganz einfache Baulichkeiten mit geräumigen, luftigen Schlafsälen, ausreichenden Tageräumen und ausgedehnten offenen Hallen, Veranden, Wandelbahnen für den Aufenthalt bei ungünstigem Wetter. Man sollte viel lieber mehrere kleine Häuser bauen als ein großes; oft kann man ein vorhandenes Gebäude benutzen, und wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb mit der Rekonvaleszentenanstalt verbunden oder derselben zu Grunde gelegt wird, dann gestaltet sich auch der Betrieb und die Unterhaltung billig, zumal die Übertragung leichter Arbeiten in Haus, Garten und Feld an manche Insassen der Rekonvaleszentenhäuser für diese sehr heilsam wirkt.
England (ohne Schottland und Irland) besitzt 180 Rekonvaleszentenhäuser mit Raum für 6500 Kranke und mit einem Jahreseinkommen von ca. 3 Mill. Mk.; London allein hat 41 Rekonvaleszentenhäuser, jedes größere Krankenhaus besitzt eine oder mehrere derartige Anstalten außerhalb der Stadt. In Deutschland sind München, Frankfurt a. M., Elberfeld mit der Errichtung von Rekonvaleszentenhäusern vorangegangen; Berlin hat die auf zwei städtischen Rieselgütern vorhandenen Herrschaftshäuser benutzt und ausgezeichnete Erfolge erzielt. Bei der Gründung von Rekonvaleszentenhäusern wird häufig die Privatwohlthätigkeit die ersten Schritte thun müssen, aber schon die Gemeinden haben ein direkt finanzielles Interesse daran, weil sie für den Armen auch im Krankheitsfall aufzukommen haben, und der gesunde Arme billiger zu unterstützen ist als der kranke. Übrigens gibt die Gesetzgebung über Krankenkassen, Unfall- und Invaliditätsversicherung den Rekonvaleszentenhäusern eine ganz vorzügliche Grundlage. Es ist finanziell sehr wichtig, eine möglichst schnelle und vollständige Genesung herbeizuführen, und der Kranke braucht die Rekonvaleszentenpflege nicht als ein Almosen hinzunehmen, sondern kann sie als ein gesetzlich ihm zukommendes Recht fordern. Rekonvaleszentenhäuser haben aber auch für wohlhabendere Kreise großes Interesse, da namentlich in großen Städten die häuslichen Verhältnisse nur selten Gelegenheit bieten, die Genesung so zu beschleunigen und so gründlich zu gestalten, wie es in Rekonvaleszentenhäusern möglich ist. Zudem gestaltet sich manche Rekonvaleszenz schwierig und langwierig. Als eine Ergänzung der ist die offene Pflege der Genesenden zu betrachten: die Fortsetzung der ärztlichen Fürsorge nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, Fernhaltung von aufs neue krank machenden Einflüssen, Beschaffung guter Nahrung, zweckmäßiger Kleidung, Lieferung von Arzneimitteln, medizinischen und chirurgischen Apparaten, moralische Unterweisung etc.