das, hat sich im
Lauf der Zeit und mit dem Fortschreiten der
Zivilisation in einer staunenswerten
Weise entwickelt,
namentlich im Anschluß an die Vervollkommnung der Verkehrsmittel und die durch verbesserte internationale Beziehungen
gewährleistete Sicherheit der Reisenden. Die
Zwecke der Reisen sind heute sehr verschieden. Anfänglich durch rein merkantile
Bedürfnisse angeregt, verfolgen sie jetzt die
Entdeckung und Erforschung unbekannter
Länder, sie werden unternommen zur Belehrung,
zur Herstellung oder
Befestigung der
Gesundheit, zum
Vergnügen, zur Anknüpfung oder
Befestigung kaufmännischer
Verbindungen
oder auch aus religiösen
Motiven.
Naturgemäß hat das Reisen gleichen
Schritt mit der zunehmenden Leichtigkeit des
Verkehrs gehalten. Während auf den ersten
Stufen
der
Kultur eine Überschreitung der engen Heimatsgrenzen bei den meisten Völkern nur in ganz außergewöhnlichen
Fällen vorkommt,
gehört heute eine
Reise um den ganzen Erdball und in die entlegensten
Winkel
[* 2] desselben zu den alltäglichen
Vorkommnissen, und die Zahl der »globe-trotters« ist
Legion. Im Anfang war es besonders der Handelstrieb, welcher bei vielen
Völkern
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zu weiten Reisen Veranlassung gab. So unternahmen die Phöniker große Handelsexpeditionen in weit entlegene Teile der Alten Welt,
so wagten sich die Polynesier auf ihren unsichern Kanoes über Meeresstrecken, welche man nach dem Stand ihrer nautischen Kenntnisse
und ihrer Fahrzeuge als ungeheure bezeichnen muß. Das zweite Motiv in historischer Folge war das religiöse,
und wenn auch dieses jetzt in seiner Wirkung gegen andre Motive sehr zurücktritt, so war es doch in frühern Zeiten und ist
in manchen Ländern auch noch heute eine gewaltige Triebkraft zu Reiseunternehmungen, bei welchen religiöse und kommerzielle
Interessen sich häufig verquicken. Später lösten sich von den nur materiellen Zwecken dienenden Reisen
die wissenschaftlichen Forschungsreisen los, noch später sind die gefolgt, welche sanitären oder Vergnügungszwecken ihre
Entstehung dankten.
Entdeckungs- und Forschungsreisen wurden schon in den ältesten Zeiten unternommen, zunächst zur Anknüpfung und Erweiterung
von Handelsbeziehungen, von Phönikern, Karthagern, Griechen. Solche sind: die im Auftrag des KönigsNecho
von Ägypten
[* 4] ausgeführte Umschiffung Afrikas, die Reisen des Hanno, des Skylax von Karyanda, des Pytheas von Massilia u. a. Dagegen
hatten die von einigen griechischen Philosophen gemachten Reisen rein wissenschaftliche Zwecke, so die Herodots; durch Alexanders
d. Gr. Feldzüge konnte Aristoteles Erkundigungen über den fernen Osten einziehen lassen. Durch die Ausbreitung der
römischen Herrschaft wurden Reiseunternehmungen innerhalb des großen Reichs wesentlich gefördert. Dann unternahmen die
Wikinger in den nördlichen Meeren ihre Fahrten, die sie bis nach Grönland und Nordamerika
[* 5] ausdehnten (s. Nordpolexpeditionen).
Die Ausbreitung des Islam war ein mächtiger Sporn zum Reisen. Die jährlichen Pilgerfahrten führten Mohammedaner aus allen Weltteilen
zusammen, auch rüsteten mohammedanische Herrscher Expeditionen aus zur Lösung naturwissenschaftlicher
Fragen, so Harun al Raschid zur Erforschung des Ursprungs und der Natur der grauen Ambra. Ebenso wurden die Pilgerfahrten von
Hindu und Buddhisten zu großen Reiseunternehmungen und sind es auch noch heute. Vom Abendland pilgerten gläubige Christen
zum HeiligenLande, die Kreuzzüge waren nur ein großartiger Ausdruck dieses Dranges.
Die wissenschaftlichen Forschungsreisen beginnen um die Mitte des 17. Jahrh.
und haben sich seitdem namentlich in neuerer Zeit in großartiger Weise entwickelt. IhreZwecke waren verschieden. Es handelte
sich um die Beobachtung von besondern Himmelserscheinungen (Durchgang der Venus, Sonnenfinsternis
[* 11] etc.), Gradmessungen und andre
wissenschaftliche Aufgaben, um die Erforschung bestimmter Gebiete in Bezug auf ihre geographischen Verhältnisse,
ihre Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt, um Messungen der Tiefen der Ozeane und die Ergründungen ihrer Bodenformation sowie
ihrer Bewohner, endlich um das Studium der wirtschaftlichen Zustände fremder Länder zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen.
Alle diese Richtungen erfuhren einen ganz besondern Aufschwung durch die großartige Ausdehnung
[* 12] des Handels, namentlich der Engländer,
welche infolge ihrer über die ganze Erde verzweigten Handelsbeziehungen und ihres großen Kolonialbesitzes
ganz besonders darauf hingewiesen wurden, fremde Länder und Völker genauer kennen zu lernen. Die Zahl englischer Forscher,
welche zum großen Teil auf Kosten des englischen Staats oder der Kolonialregierungen ausgerüstet wurden, ist ebenso wie die
daraus hervorgegangene wissenschaftliche Reiselitteratur eine sehr große.
Sie finden sich verzeichnet bei den einzelnen Erdteilen, ebenso wie die Unternehmungen der Franzosen, deren fast sämtlich aus
öffentlichen Mitteln bestrittene Expeditionen meist sehr bedeutende wissenschaftliche Resultate zu Tage gefördert und in umfangreichen
Werken niedergelegt haben. Auch die Thätigkeit der Russen, Schweden,
[* 13] Dänen, Nordamerikaner ist eine bedeutende
gewesen und die Litteratur über ihre Reiseunternehmungen sehr beachtenswert. Die deutschen wissenschaftlichen Expeditionen
haben sich besonders durch innern Gehalt und Vielseitigkeit ausgezeichnet.
Die Kosten der meisten von ihnen wurden von einzelnen deutschen Regierungen oder Fürsten, auch mehreren derselben zusammen
sowie aus öffentlichen Sammlungen bestritten. So wurdenSpix und Martius durch die bayrische Regierung
nach Brasilien
[* 14] abgesandt, so wurde das österreichische KriegsschiffNovara für seine Weltreise und namentlich für die Ozeanforschung
ausgerüstet, so bewilligte Preußen
[* 15] die erforderlichen Mittel für Expeditionen nach Ägypten unter Brugsch und Lepsius, nach
Ostasien und Persien,
[* 16] so konnte Heuglin nach Ostafrika gehen, und verschiedene Fahrten in die Nordpolargegenden
kamen auf diese Weise zu stande.
Nach Aufrichtung des DeutschenReichs trat die deutsche Reichsregierung in kräftiger Weise bei der Unterstützung von Reisenden
ein, so namentlich bei den Forschungsreisen in Afrika
[* 17] und bei der Polarforschung. Zur Ozeanforschung wurde das deutsche KriegsschiffGazelle entsandt, auch wurden verschiedene Expeditionen nach Afrika von der Reichsregierung nachhaltig
unterstützt. Allerdings standen die Mittel, welche den deutschen Reisenden bewilligt werden konnten, weit zurück
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hinter denjenigen, welche England, Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten
[* 19] ihren Sendboten zur Verfügung stellten; desto
rühmenswerter ist der entsagungsfreudige Eifer, mit dem so viele tüchtige Männer sich der schwierigen und gefahrvollen Forschung
widmeten. Die Hauptziele der wissenschaftlichen Reisen im 19. Jahrh. waren Innerafrika, Zentralasien, das InnereAustraliens,
die Nordpolarländer.
[* 20] Zur Erforschung des afrikanischen Kontinents bildeten sich in verschiedenen europäischen
LändernAfrikanische Gesellschaften (s. d.), welche zum Teil großartig ausgerüstete
Expeditionen aussandten.
Danach sind Reisen quer durch Afrika wiederholt gemacht worden. Nach Zentralasien richteten Engländer,
Deutsche und Russen ihre Reisen, zugleich bahnten hier die Eroberungen der letztern den Weg, während die Kolonialbestrebungen
der Franzosen wesentlich zur bessern Kenntnis der hinterindischen Halbinsel beitrugen. Auch China
[* 21] zeigte sich zugänglicher,
so daß verschiedene Reisende dort Forschungen zu machen im stande waren. In Australien
[* 22] waren es die dortigen
englischen Kolonisten, welche zahlreiche Reiseunternehmungen ausrüsteten und das allerdings zum großen Teil auch heute noch
wenig bekannte Innere in mehreren Routen durchschnitten.
Als Anleitungen und Führer
für wissenschaftliche Reisende dienen: Neumayer (in Verbindung mit andern Gelehrten), Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen
auf Reisen (2. Aufl., Berl. 1888, 2 Bde.);
Kaltbrunner,
Manuel du voyageur (2. Aufl., Zürich
[* 26] 1888; auch deutsch), und für Reisen in unkultivierten Ländern: Galton, Art of travel
in wild countries (5. Aufl., Lond. 1872).
Die Royal
Geographical Society hat Lehrkurse veranstaltet, in welchen angehende
Reisende für ihre Unternehmungen praktisch und wissenschaftlich ausgebildet werden.
Zu Handelszwecken sind Reisen von jeher unternommen worden. In neuerer Zeit sind umfassende Expeditionen auch unter der Ägide
verschiedener Regierungen ausgegangen, um behufs eventueller Anknüpfung von Handelsbeziehungen die wirtschaftlichen
Verhältnisse einzelner Länder kennen zu lernen. Solche Zwecke verfolgten neben andern die österreichische Novaraexpedition,
die preußische Expedition nach Ostasien u. a. Die Expedition von Löhnis u. a. nach der
Levante hatte den gleichen Zweck, dasselbe wollten auch die von Deutschland, Frankreich, Italien
[* 27] ausgesandten Handelsexpeditionen
auf besonders eingerichteten Schiffen mit Musterlagern.
Daß Handelsreisende aller Länder gegenwärtig bereits die entlegensten überseeischen Absatzgebiete aufsuchen, ist bekannt;
man will jetzt junge Kaufleute für dergleichen Reisen besonders vorbereiten und zum Studium der kommerziellen Verhältnisse
bestimmter Länder aussenden. In neuester Zeit sind mehrfach Reisen unternommen worden, um die Tauglichkeit bestimmter Länder
für Ackerbaukolonien zu erforschen, in allerneuester Zeit endlich behufs Erwerbung von Kolonialbesitz.
[* 28] - Religiöse Motive trieben und treiben noch immer in manchen Ländern zu großen Reisen, in dieser Beziehung Wallfahrten genannt.
Die Juden machten solche jährlich zum Passahfest nach Jerusalem,
[* 29] die Griechen und Römer
[* 30] zogen zu berühmten Tempeln, die ursprünglich
auf religiöser Basis ruhenden Spiele versammelten viele Tausende von nah und fern, die Germanen zogen zu
heiligen Hainen. Mit dem Christentum kamen die Pilgerfahrten zum Heiligen Land auf, aus denen sich später die Kreuzzüge entwickelten.
Später traten an die Stelle von JerusalemRom,
[* 31] Compostela u. a., in neuester Zeit Lourdes und Marpingen. Bei
den Mohammedanern gehen jährlich große Pilgerkarawanen nach Mekka und Medina sowie zu heiligen Gräbern im allgemeinen. Ebenso
machen die Hindu jährlich große Pilgerfahrten zu heiligen Städten (Benares u. a.) und Plätzen (Gangesquelle), die Buddhisten
von Birma ziehen in großen Scharen nach Rangun
[* 32] und Ceylon
[* 33] (Anarâdhâpura). - Weitere Veranlassung zu Reisen gibt
das Suchen nach Erwerb, das die Bewohner ärmerer, stark bevölkerter Länder zum Aufsuchen bessere Verdienstverhältnisse bietender
Gebiete treibt. So gehen die Bewohner unsrer armen Gebirgsgegenden, vieler LänderÖsterreich-Ungarns, Italiens,
[* 34] Spaniens, Chinas,
Indiens u. a. fort, um nach längerer oder kürzerer Zeit wieder ihre Heimat aufzusuchen.
Umgekehrt veranlaßt größerer Wohlstand zu Vergnügungsreisen, die sich in neuester Zeit auf außerordentliche
Entfernungen ausgedehnt haben, so daß selbst Reisen um die Erde unternommen werden. Gefördert wird diese Neigung durch die
von Unternehmen (Stangen in Berlin,
[* 35] Cook u. Sohn in London) veranstalteten Gesellschaftsreisen. Eine ganz außerordentliche Ausdehnung
haben auch die Reisen zu Gesundheitszwecken erfahren, womit die jährlich sich vermehrende Zahl von Bädern
und Sommerfrischen zusammenhängt. Dabei sind die durch öffentliche Mildthätigkeit ermöglichten Ferienreisen armer, der
Erholung bedürftiger Kinder, wie sie in der Schweiz
[* 36] und Deutschland bestehen, zu erwähnen (s. Ferienkolonien). Erholung und
Belehrung verbinden die neuerdings in Deutschland unternommenen Schülerreisen unter Führung eines Lehrers; in Frankreich
hat Levasseur den Gedanken von periodischen Unterrichtsreisen um
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werden zu verschiedenen Zwecken unternommen, hauptsächlich zu solchen des Erwerbs, der Entdeckung und Erforschung,
der Belehrung, des Vergnügens, der Heilung oder Besserung Kranker, sowie aus religiösem Eifer. Die Entwicklung des Reisens
hängt mit den Kulturstufen der Völker eng zusammen; es ist erst allmählich zu großer Bedeutung gelangt, der Beginn anderer
als nur kaufmännischer Reisen bezeichnet stets einen vorgerückten Civilisationsgrad. Waren bis
vor kurzem Reisen für manche Zwecke so gut wie unbekannt, so ist jetzt die größte Entwicklung aller genannten Reisearten eingetreten,
wobei die Wallfahrten, namentlich in christl. und mohammed. Ländern, als religiöse Reisen zu bezeichnen sind.
Hauptursachen dieser Blüte
[* 37] sind die großartige Ausbildung der Verkehrsmittel, zunehmende persönliche
Sicherheit und besonders wachsende Wertschätzung der Reisen. Der Verkehr der Völker bahnt kosmopolit. Ideen den Weg, stärkt
das Band
[* 38] der Zusammengehörigkeit aller Nationen; durch die heutige ununterbrochene Berührung mit allen Zonen der Erde wird
unser Ideenkreis erweitert. Indem das Reisen die Nationen miteinander bekannt macht, mindert es den Nationalhaß,
der die Völker sich gegenseitig Hindernisse bereiten läßt; daher rühmt Ad.
Smith das Reisen als ein Förderungsmittel der Volkswohlfahrt. Die kaufmännischen Reisen teilen als wichtiges
Arbeitsmittel des Welthandels dessen hervorragende Bedeutung für die Vervollkommnung des wirtschaftlichen Lebens; durch
die allgemeine Zunahme auch kleinerer kaufmännischer Reisen ist manche kaufmännische Betriebsweise
wesentlich umgestaltet,
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so sind seitdem die großen Messen im Niedergange. Die Wertschätzung der Reisen für Herstellung der Gesundheit ist in raschestem
Wachstum begriffen.
Entdeckungsreisen, d. h. Reisen, die in der Absicht unternommen werden, um noch unbekannte Länder aufzufinden und ungenügend
bekannte genauer kennen zu lernen, sind oft zu gleicher Zeit kaufmännische und wissenschaftliche Reisen. Im
frühesten Altertum konnten der Natur der Sache nach wissenschaftliche Reisen nicht wohl vorkommen, während zu Entdeckungsfahrten
im Interesse des Handels, z. B. bei den Phöniziern, Karthagern und Griechen, vielfach Veranlassung vorlag.
Bekannte Beispiele sind die Seereisen des Hanno, des Pytheas von Massilia und Nearchs sowie die Landreisen eines röm.
Ritters von Italien nach der Bernsteinküste, der Agenten des Macedoniers Maës Titianos durch Hochasien nach China. Wissenschaftliche
Reisen kann man die vieler griech. Philosophen, Geschichtschreiber u. a. nennen, weil zur Erweiterung des Gesichtskreises und der
Kenntnisse unternommen. Als Frucht einer solchen Reise ist ein großer Teil der Geschichtsbücher des Herodot zu
betrachten.
Aristoteles benutzte die Feldzüge seines großen SchülersAlexander, um im fernen Osten Erkundigungen einziehen und Beobachtungen
sammeln zu lassen. Ganz ähnlich blieben die Verhältnisse unter den Römern. Man reiste, um sich zu bilden und zu belehren,
nicht mit dem Zwecke, ein Land wissenschaftlich zu erforschen und die Resultate dieser Forschung seinen
Zeitgenossen in einer Beschreibung mitzuteilen. Eine eigentliche Reisebeschreibung für Landreisen findet sich auch unter den
noch erhaltenen Litteraturwerken der Römer nicht. Die noch vorhandenen Itinerarien (s. Itinerarium) können nicht dazu gerechnet
werden. Für Seefahrer bestimmt war der um Christi Geburt geschriebene «Stadiasmos», eine Rundfahrt um das Mittelländische
Meer.
Die Abgeschlossenheit des Mittelalters ließ nur wenig Reisewerke hervortreten. Dahin gehören die zur Zeit des Königs Alfred
unternommenen Expeditionen Othars und Wulfstans und die Berichte über die Unternehmungen der Skandinavier nach den Färöer,
Island,
[* 40] Grönland und Vinland (Neuschottland). Diese Entdeckungen haben die Erdkunde nur um die Kenntnis Islands und Grönlands
bereichert, während die Kunde jener Fahrten nach der Neuen Welt das altnord. Sprachgebiet nicht überschritt.
Dagegen hat die arab. und jüd. Litteratur des Mittelalters eine
nicht unbedeutende Reiselitteratur aufzuweisen. Die jährlichen Pilgerfahrten führten Mohammedaner von allen Weltgegenden
zusammen. Mohammed. Fürsten rüsteten selbst Expeditionen zur Lösung naturhistor. Fragen aus, so Harun
Al-Raschid nach Jemen zur Erforschung des Ursprungs und der Natur des grauen Ambra. Die Reisewerke der Araber Massudi, Ibn Foslan,
Ibn Batuta und LeoAfricanus sind wichtige Quellen für die Kunde der mittelalterlichen Verhältnisse zum Teil selbst noch gegenwärtig
schwer zugänglicher Länder.
Von Bedeutung für die Kenntnis Ostasiens sind die Reisen buddhistischer Priester, wie z. B.
des Fahien und besonders des Hiwen-tsang. Die erste Kenntnis Mittelasiens verschafften uns die Sendungen kirchlicher Botschafter
an die Nachfolger Dschingis-Chans; 1240 erreichte die erste päpstl. Gesandtschaft unter Piano di Carpine die Residenz des
mongol. Herrschers. Die Handelsbegünstigungen seitens der Mongolen riefen im 14.
Jahrh.
einen geordneten Überlandverkehr bis nach Peking
[* 41] ins Leben, über dessen Weg Balducci Pegoletti, Handelsreisender
eines Florentiner
[* 42] Hauses, berichtet (1376). Dem Handelsgeiste der Venetianer verdanken wir vor allem die Reisen Marco Polos, während
die Reisen der Gebrüder Zeno wie die des Mandeville auf Erfindungen beruhen. Das spätere christl. Mittelalter hat eine Anzahl
Berichte über das besonders seit den Kreuzzügen von Pilgern häufig besuchte Heilige Land aufzuweisen (vgl. Tobler, Bibliographia
geographica Palaestinensis, Lpz. 1867; Röhricht und Meißner, Deutsche Pilgerreisen nach dem
HeiligenLande, Berl. 1880; Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem HeiligenLande, Gotha
[* 43] 1889).
Am Ausgange des Mittelalters trifft man die Periode der größten Entdeckungsreisen, das «Zeitalter
der Entdeckungen», eines Columbus und Vasco da Gama. Die Seereisen bekommen erst Bedeutung nach der Erfindung des Kompasses,
der den Beginn der atlantischen Reiseepoche bezeichnet. Zuerst ermutigte Prinz Heinrich der Seefahrer seine Kapitäne westwärts
und südwärts in das unbekannte Weltmeer hineinzufahren. Vasco da Gama und Columbus wurden auf diesen
Fahrten herangebildet.
Alle diese Reisen wurden zum Ländererwerb und zur Ausbreitung des Christentums unternommen. Nachdem von Columbus, Cortez, Pizzaro
Neu-Spanien, durch Magalhães’ erste Weltreise (1519-22) die Philippinen entdeckt und in span. Gewalt gebracht waren und
Spanier und Portugiesen sich durch die BulleAlexanders VI., die die Demarkationslinie bestimmte, sich in
die bekannten Länder und besonders in die Gewürzinseln geteilt hatten, blieb den im 16. Jahrh. noch zu schwachen Engländern
und Holländern nur der Versuch, um den Norden
[* 44] Europas oder Amerikas nach Kathai (China) und den Gewürzinseln zu suchen.
Sebastian Cabot machte im engl. Auftrage zuerst den Versuch, die nordwestl. Durchfahrt zu finden; er drang
um 1497 bis zum 67.° nördl. Br. vor. Unter seiner Leitung begannen die Engländer 1553 auch die nordöstl. Durchfahrt zu
suchen, wobei Richard Chancellor die Dwinamündung erreichte und die ersten Seehandelsverbindungen mit dem nördl.
Rußland anknüpfte. Der erste, der es wagte, die span. Weltmacht in den Kolonien anzugreifen, war der kühne
Seefahrer Francis Drake, der nach mehrern Beutezügen nach Westindien
[* 45] und Brasilien 1577-80 einen erfolgreichen Kaperzug um
die Erde machte.
Ihm folgte als dritter Erdumsegler Cavendish (1586-88). Die vierte Weltreise wurde von dem Holländer Oliver van Noort 1598-1601
ausgeführt. 1576 beginnen die Nordwestfahrten Frobishers, 1585 die von John Davis, während 1580 Pet und
Jackman ins Karische Meer vordringen. Im Anfang des 17. Jahrh. besuchten schon viele engl.
und holländ. Handelsgeschwader die Philippinen und andere span.
Besitzungen, wo sie teilweise unter harten Kämpfen Handel trieben und Beute machten; erwähnenswert sind die Seefahrer Jacques
Mehn, Cornelius Houtman, van Neck, van Warwick aus Holland und die Engländer Lancaster und Michelbourne.
Hudson begann 1610 die Reise in die nach ihm benannte Bucht; Baffin segelte 1615 in die nach ihm benannte Bai. Am wurde
zum erstenmale das Kap Hoorn umsegelt, vom HolländerSchouten. Den Reisen zur nordwestl. Durchfahrt schließen
sich die Nordpolexpeditionen (s. d.) an, der Erschließung der Südsee die Reisen nach den Südpolarländern (s. d.).
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Nach Umfahrung des Ostkaps drang Deschnew durch die Beringstraße 1648 bis zum Anadyr vor und bewies so die Trennung der Alten
von der Neuen Welt. Bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrh. waren merkantile Zwecke für die Richtung der großen Entdeckungsreisen
bestimmend; das Vorkommen der Edelmetalle begrenzte das Feld der span. Entdeckungen,
die Gewürzinseln waren das fast ausschließliche Ziel der Portugiesen, das Vordringen der Russen folgte der Verbreitung der
Pelztiere, die Engländer suchten eine Abkürzung der Seewege. An den Thaten jenes Zeitalters der Entdeckungen haben sich
fast alle abendländ. Kulturvölker beteiligt. Auf Portugiesen und Spanier folgten Engländer, Niederländer und Franzosen,
später auch Russen. Die Deutschen traten noch lange nur als Begleiter anderer Reisenden auf; so begleitete M. Behaim den Diogo
Cão nach Angola, wir finden Steller bei Bering, die Forster bei Cook, Chamisso bei Kotzebue. -
Vgl. Peschel, Geschichte des Zeitalters
der Entdeckungen (2. Aufl., Stuttg. 1877);
ders., Geschichte der Erdkunde (2. Aufl., Münch. 1877);
Vivien
de Saint-Martin, Histoire de la géographie (Par. 1874);
Ruge, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen (Berl. 1881).
Die wissenschaftlichen Forschungsreisen nach größern Fernen und entlegenern Räumen der Erde, teils zur Lösung bestimmter
wissenschaftlicher Aufgaben (astron. Ortsbestimmungen, Bestimmungen des Sekundenpendels, Gradmessungen, Chronometerreisen u. s. w.),
teils zur planmäßigen Erkundung der geogr., naturgeschichtlichen und
ethnogr. Verhältniße bestimmter Gebiete beginnen allmählich um die Mitte des 17. Jahrh.,
sind aber erst in neuerer Zeit zu rascher und großartiger Entwicklung gelangt. Die meisten frühern Reisen dieser Art verdankt
man den Franzosen und Engländern, doch sind daneben auch die Russen zu nennen. Die meisten Reisen erfolgten
auf Anregung und Kosten des Staates oder in Frankreich seit Ludwigs XIV. Zeit «auf Befehl des Königs».
Die erste wissenschaftliche Reise, welche ein deutscher Fürst ausführen ließ, war die bayr. Expedition nach Brasilien, von
Spix und Martius. Andere deutsche Reisende waren Gmelin, Steller, I. Reisen und G. Förster und C. Niebuhr; der
hervorragendste ist Alexander von Humboldt (s. d.). Die meisten wissenschaftlichen Forschungsreisen des 19. Jahrh.
sind von Deutschen ausgeführt. Von ganz außerordentlicher Bedeutung sind einzelne Reisen der Nordamerikaner; in wahrhaft
großartiger Weise läßt die Unionsregierung das Innere ihres Kontinents erforschen. Ebenso arbeiten mit großem Eifer und
Erfolg die Russen an der Erforschung Innerasiens und Sibiriens, die Engländer an der Indiens und Innerasiens,
die Australier an der ihres Erdteils. Der größte schwed. Reisende ist Nordenskiöld, der
zuerst Nordasien umschiffte. In neuester Zeit widmen sich Dänen eifrig der Erforschung Grönlands.
Die Hauptziele der wissenschaftlichen Reisen waren im 19. Jahrh. Südamerika,
[* 47] Hochasien, Innerafrika, Inneraustralien,
die Polarregionen und die Meere. (S. die Entdeckungsgeschichte bei den einzelnen Erdteilen sowie Nordpolexpeditionen und Oceanographie.)
Sehr bedeutend war dabei die Einwirkung von speciell zu diesem Zwecke gegründeten Gesellschaften (z. B.
die Afrikanischen Gesellschaften, s. d.) sowie viele Geographische Gesellschaften
(s. d.), die zum Teil, wie die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin in der Karl-Ritter-Stiftung,
besondere
Kapitalien für Forschungsreisen bereit halten. Außer geogr. und naturwissenschaftlichen Verhältnissen werden von Architekten
die Bauwerke, von Fachleuten der Maschinentechnik die Industrien verschiedener darin eigenartiger Gebiete besichtigt, wodurch
ein Austausch künstlerischer und technischer Ideen verschiedener Länder vermittelt wird.
Reisen aus religiösem Eifer findet man bei den meisten Völkern. Sie werden meist unternommen,
um eine heilige Stätte aufzusuchen (Wallfahrten), an der die Gläubigen Erbauung oder durch die dort thätige Wunderkraft
Vergebung ihrer Sünden und Heilung von Krankheit suchen; kriegerische Wallfahrten waren die zur Befreiung des HeiligenGrabes unternommenen
Kreuzzüge. Die größte Ausdehnung solcher Reisen findet bei den Mohammedanern statt (Pilgerkarawanen nach
Mekka und Medina). Andere religiöse Reisen sind die der Missionare. Diese werden gegenwärtig von England, Frankreich und Deutschland
gepflegt; deutsche Missionare werden besonders aus Basel,
[* 48] Barmen,
[* 49] Berlin und Hermannsburg (in Hannover)
[* 50] ausgesendet. Oft sind die
Missionare zugleich wissenschaftliche Reisende (PèreDavid in China, Livingstone und Pater Schynse in Afrika).
Reisen zum Zwecke des Vergnügens, des Genusses fremder Naturschönheiten haben sich erst später verbreitet. Schlechte
Wege und Verkehrsmittel, ungenügende Verpflegungsvorrichtungen, hohe Zeiterfordernis sowie häufig Mangel persönlicher Sicherheit
vereinigten sich, um lange das Reisen als eine Arbeit, nicht aber als Vergnügen erscheinen zu lassen. Als nach
der Reformation die Pilgerreisen der Fürsten mehr abkamen, fingen die Vornehmen an, die wichtigen Staaten und Städte in Europa
zu besuchen.
Diese Lustreisen des 16. und 17. Jahrh. bewegten sich auf den belebtesten Landstraßen zwischen
den großen Städten; aber da das Reisen teuer war, so konnten sich nur die materiell bevorzugten Stände
diesen Luxus gestatten. Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande
[* 51] und seltener England mit ihren Fürstenhöfen und Weltstädten
bildeten das Ziel. Man reiste zu Wagen, zu Pferde
[* 52] oder zu Schiff,
[* 53] aber nie zu Fuß. Lord Bacon empfiehlt in seinen kleinern
Schriften (übersetzt von J. ^[Vorname im Internet nicht eruierbar, steht auch nicht auf Titelseite] Fürstenhagen,
Lpz. 1884) als sehens- und beachtenswert: Fürstenhöfe, Gerichtshöfe, Kirchen und Klöster, Wälle und Befestigungen, Häfen,
Flotten, Altertümer, Hochschulen, Disputationen, öffentliche Gebäude, Waffensammlungen, Schauspiele, Schatzkammern u. s. w.
Naturgenuß wird nicht dabei erwähnt. Die Begleiter der Fürsten und Edeln führten Tagebücher, die vielfach unter dem Titel«Mentor» und «Fidus Achates» veröffentlicht wurden. Diese Litteratur bediente sich eines schwülstigen,
blumenreichen Stils und wagte in den ärgsten Übertreibungen die Reisen eines jungen Fürsten von Deutschland nach Frankreich und
Norditalien mit den Irrfahrten des Odysseus oder mit den fabelhaften Thaten des Hercules zu vergleichen. -