Titel
Reinhold
,
1)
Karl
Leonhard,
Philosoph, geb. zu
Wien,
[* 2] war 1772-74
Novize bei den
Jesuiten zu Sta.
Anna und nach
Aufhebung des
Ordens
Kleriker im Barnabitenkollegium bei St.
Michael daselbst, wurde unter dem Einfluß der Josephinischen Aufklärungsperiode
bewogen, das
Kloster zu verlassen und sich nach
Leipzig,
[* 3] später nach
Weimar
[* 4] zu wenden, wo er zum
Protestantismus
übertrat, Mitarbeiter am
»Deutschen
Merkur«
[* 5] und
Wielands Schwiegersohn wurde. Von 1787 bis 1794 war er (mit dem größten Beifall)
Professor der
Philosophie in
Jena
[* 6] und seit dem letztern Jahr (mit geringerm Erfolg) in
Kiel,
[* 7] wo er als dänischer Etatsrat starb.
Als
Philosoph trat er, nachdem er durch seine
»Briefe über die Kant
ische
Philosophie« (im
»Deutschen
Merkur« 1786) und durch
seine akademischen
Vorträge zur Beförderung des Verständnisses der kritischen
Philosophie aufs erfolgreichste gewirkt hatte,
mit dem
»Versuch einer neuen
Theorie des menschlichen Vorstellungsvermögens«
(Prag
[* 8] u.
Jena 1789, 2. Aufl.
1795) hervor, welcher die Kant
schen
Lehrbegriffe tiefer begründen und aus den höchsten Prinzipien der philosophischen Selbsterkenntnis
in strenger Folgerichtigkeit ableiten sollte. Wie an
Kant, so lehnte er sich nach dem Erscheinen der
»Wissenschaftslehre« an
Fichte,
[* 9] in seinen mit
Bardili herausgegebenen »Beiträgen zur leichtern Übersicht des Zustandes
der
Philosophie bei dem Anfang des 19.
Jahrhunderts« (Hamb. 1801-1803, 6 Hefte) sowie im »Briefwechsel
über das
Wesen der
Philosophie und das Unwesen der
Spekulation«
(Münch. 1804) und in seiner »Grundlegung einer Synonymik für
den allgemeinen Sprachgebrauch in den philosophischen
Wissenschaften«
(Kiel 1812) an den Letztgenannten an und suchte sich
auch
Herbart zu nähern, brachte es aber durch diesen häufigen
Wechsel der Standpunkte dahin, daß er
zuletzt, ohne ein eignes
System gegründet zu haben, von allen
Parteien verleugnet
¶
mehr
wurde. Als Übergang von der Kritik der reinen Vernunft, welcher er in seiner »Neuen Theorie des Vorstellungsvermögens« das
fehlende Fundament oder »ein solches Prinzip, aus dem sich die ganze (theoretische und praktische) Philosophie herleiten ließe«,
zu geben versuchte, zu Fichtes Wissenschaftslehre, der in dem Satz: »Ich = Ich« ein solches aufstellte, ist
Reinhold
für die Geschichte der nachkant
ischen Philosophie wissenschaftlich, durch seine hinreißende Beredsamkeit und seinen liebenswürdigen
reinen Charakter persönlich von großer Bedeutung gewesen.
Vgl. Fries, Reinhold
, Fichte und Schelling (Leipz. 1803);
E. Reinhold
,
K. L. Reinholds
Leben und Wirken (Jena 1825);
Keil, Wieland und Reinhold
(Leipz. 1885).
2) Ernst, Sohn des vorigen, geb. zu Jena, seit 1822 Privatdozent an der Universität zu Kiel, seit 1824 Professor der Logik und Metaphysik zu Jena, wo er starb. Von seinen zahlreichen philosophischen Schriften sind die historischen: »Geschichte der Philosophie nach den Hauptmomenten ihrer Entwickelung« (Gotha [* 11] 1828-30, 2 Bde.; 4. Aufl., Jena 1854, 3 Bde.),
»Lehrbuch der Geschichte der Philosophie« (das. 1836, 3. Aufl. 1849) als von dauerndem Wert hervorzuheben.