
Reinach
(Kt. Aargau, Bez. Kulm). 531 m. Gem. u. Pfarrdorf an der Grenze gegen den Kanton Luzern; am W.-Hang des Sonnenberges, am O.-Hang des Sterenberges und am S.-Hang des Homberges. 21 km ssö. Aarau. Station der Seethalbahn und der Winenthalbahn. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach Münster. Strassen nach Münster, Kulm und Beinwil. Gemeinde, mit Alzbach, Eichen, Flügelberg, Herrenweg, Hohlenweg und Reinacherberg: 424 Häuser, 3668 Ew. (wovon 3392 Reformierte, 195 Katholiken und 80 Andere); Dorf: 268 Häuser, 2431 Ew. Gemeinsame Kirchgemeinde mit Beinwil und Leimbach, bei der Reformation des Kantons Bern 1527 geschaffen.
Fruchtbarer Boden und gesunde, schöne Lage, ½ Stunde vom
Hallwilersee.
Wiesen- und Obstbau, Viehzucht. Bedeutendste industrielle
Ortschaft im s. Kantonsteil. Die Frauen beschäftigen sich vielfach mit Stroharbeiten für die Fabriken von
Meisterschwanden
und
Fahrwangen. Maschinenstrickerei. Eine 1889 gegründete Geschäftsbücherfabrik; 2 Haftenfabriken,
die einzigen der
Schweiz; eine mechanische Schlosserei (Herstellung von Zigarrenabschneidmaschinen), 3 mechanisch betriebene
Baugeschäfte, eine Färberei und chemische Waschanstalt, eine mechanische
Feilen- und Herdplattenschleiferei (die einzige
im Aargau),
ein Photographenatelier, grosses Zementwarengeschäft, 3 mechanische Sägereien, eine Buchdruckerei mit Zeitung, eine
mechanische Möbelschreinerei, eine Bierbrauerei, mehrere grosse Kleidermagazine. Die Hauptindustrie
Reinachs
ist aber die Zigarren- und Tabakfabrikation. Die zwei ältesten Geschäfte, 1852 und 1858 gegründet, beschäftigen 300 bezw. 400 Arbeiter
und eine dritte grosse
Fabrik 250 Arbeiter. Daneben existieren noch mehrere kleinere Geschäfte, sodass hier über 1000 Arbeiter
in der Tabakbranche tätig sind. Dazu kommen noch die Rollentabakfabrik und eine Kentucky-Tabak-Extrakt-Fabrik.
Es werden meist amerikanischer und ostindischer Tabak verarbeitet. Volksbank in
einem schönen, im Renaissancestil gehaltenen
Haus. Krankenhaus. Neues Schulhaus. Von dem die Gegend einst bedeckenden Reussgletscher finden sich die Seitenmoränen
noch am
Sonnen- und Sterenberg und die das Thal abschliessende und den Abfluss des Wassers verhindernde
Endmoräne beim Dorfe Zezwil. Es bildete wohl auch einst infolge der Aufstauung des Wassers durch die Moränen das obere
Winenthal ein grosser
See. Heute noch ist das Land in der Niederung sumpfig. Die ersten Menschen, die sich hier ansiedelten,
mögen wohl der Steinzeit angehört haben, wie einige Funde am
Sonnenberg bei Ausgrabung einer römischen
Niederlassung zeigten; dann folgten jedenfalls die Kelten und zuletzt im Altertum die
Römer. Der
Sonnenberg war der Mittelpunkt
einer Reihe von römischen Anlagen, wie solche in den letzten Jahren in Gontenschwil,
Kulm,
Birrwil und
Beinwil aufgedeckt wurden.
Auf die
Römer folgten die Alemannen, die beim ersten Einfall Reinach
,
Beinwil und
Aesch gründeten. Vergleiche
den gleichen Namenkomplex bei der 2. Einwanderung über Basel:
Reinach
(Baselland),
Beinwil und
Aesch (Solothurn).
Von den Zähringern und Kiburgern
kam das Land in den Besitz der
Habsburger. Die Burg bei Reinach
war der Sitz der Edelknechte von Rinach, von welchen das
Wappen des
Ortes stammt. Einer der bekanntesten Angehorigen des Geschlechtes ist Hesso von Rinach, der Minnesänger, von dem
die berühmte Manessische Liederhandschrift zwei Lieder überliefert hat. Hesso war Chorherr im nahegelegenen Stift
Münster,
später Propst im Stift zu
Schönenwerd (bei
Aarau) und starb etwa 1280. Bemerkenswert ist auch Jakob, Propst
des Stiftes
Beromünster († 1368). Die Burg wurde vor der Schlacht bei
Sempach mit Oberrinach und Mullwilerrinach zerstört;
in der Schlacht selbst fielen mehrere Rinacher.
Die Burg ist jetzt in das
Burger Schulhaus umgebaut. Nach der Eroberung des
Aargaues durch die
Berner wurde «Rinach» Sitz der
Untervögte der Vogtei
Lenzburg. Schon damals entwickelte sich in Reinach
die Baumwollenindustrie (Handweberei),
die dann in neuester Zeit dem Fabrikbetrieb hat weichen müssen. Reinach
, vor 150 Jahren noch ein schlichtes Dorf, ist heute
durch Fabrikation und Industrie ein Zentralpunkt des südl. Teils des Kantons Aargau
und der Marktplatz des nördl. Teils des Kantons Luzern
geworden.
Reich geschmückt mit Fabriken und
Villen, Schulhäusern und Anstalten, bildet es mit den nahen Orten
Menziken, Burg und
Pfeffikon
zusammen einen stadtähnlichen Häuserkomplex. 1250: Rinach.