Reims
Reimchroniken - Reims
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* 2
Reims.
[* 2]
(Rheims, spr. rängs), Arrondissementshauptstadt im franz.
Departement
Marne, an der Vesle und an dem
Kanal
[* 3] von der
Aisne zur
Marne, in einer von
Weinbergen umgebenen
Ebene der
Champagne gelegen,
Knotenpunkt der
Linien
Epernay-Laon, Reims
-Givet,
Reims-Soissons und
Reims-Verdun der Ostbahn, eine der ältesten
Städte und durch seine
Geschichte, seine Kunstwerke, seine
Stellung im modernen Gewerbs- und Verkehrsleben einer der bemerkenswertesten
Orte
Frankreichs.
Baukunst X

* 6
Baukunst X.
Die
Lage der Stadt auf halbem Weg zwischen der deutschen
Grenze und
Paris
[* 4] war die Veranlassung, daß sie in neuester Zeit durch
fünf starke
Forts in einen
Waffenplatz verwandelt wurde. Die
Straßen sind breit und regelmäßig; größere
Plätze sind der Platz Godinot mit einer
Fontäne und der Königsplatz mit dem bronzenen Standbild
Ludwigs XV., außer welchem
noch dem
Marschall
Drouet, dann dem 1619 hier gebornen J. B.
Colbert
Denkmäler errichtet sind. Das vorzüglichste Architekturwerk
von Reims
und überhaupt eins der herrlichsten gotischen Bauwerke ist die
Kathedrale, welche 1212 unter dem
Erzbischof
Alberich
Humbert nach den
Plänen
Roberts v.
Coucy begonnen und im 14. Jahrh. bis auf die
Türme, welche nur zwei Drittel
der projektierten
Höhe von 120 m erhalten haben, vollendet ward (s. Tafel
»Baukunst
[* 5] X«,
[* 6] Fig. 5). Die westliche
Fassade mit
ihren drei
Portalen, einer
Fensterrose,
[* 7]
Arkaden und zahlreichen
Statuen und
Reliefs ist ein glänzendes
Beispiel
vollendet durchgeführter Frühgotik.
Das Innere besteht aus einem dreischiffigen, sehr langen Langhaus und einem wenig ausladenden, dreischiffigen Querhaus, das zu dem kurzen, von fünf Kapellen umgebenen Chor hinzugezogen ist. Die Kirche enthält wertvolle Gemälde, alte Glasfenster, kostbare Gobelins und Tapisserien, Goldarbeiten, einen byzantinischen Kelch, Grabmäler etc. Seit 1179 wurden hier alle französischen Könige (mit Ausnahme Heinrichs IV. und Ludwigs XVIII.) gekrönt. Bis zur französischen Revolution enthielt die Kirche das mit Goldblech überzogene und mit Edelsteinen verzierte sogen. Reimser Evangelienbuch (s. d.), auf welches die Könige den Eid ablegten, und die berühmte Ampulla (sainte ampoule), mit deren Inhalt die französischen Könige gesalbt wurden (s. Ampulla).
Thb. - Theater

* 8
Theater.
Ein alter, sehenswerter
Bau ist die im 11. und 12. Jahrh. im romanischen
Stil begonnene, gotisch vollendete
Kirche St.-Remi
mit alten Glasfenstern und dem
Grabmal des heil. Remigius. Bemerkenswerte Gebäude sind außerdem: das erst 1825 vollendete
Stadthaus mit säulengeschmückter
Fassade, zierlichem Glockenturm und einer Reiterstatue
Ludwigs XIII.,
der erzbischöfliche
Palast (von 1500) mit großem Festsaal in gotischem
Stil, der Justizpalast, das
Theater,
[* 8] das Musikgebäude
(aus dem 14. Jahrh.) und zahlreiche andre Gebäude aus dem 13.-16. Jahrh.
mit
Skulpturen,
Reliefs etc. Von Altertümern sind besonders hervorzuheben die
Porte de
Mars
[* 9] (ein römischer
Triumphbogen), ein 1861 aufgefundenes römisches
Mosaik von 90 qm
Fläche und das im Antiquitätenmuseum befindliche herrlich
skulptierte
Kenotaphion des
Präfekten von
Gallien, Jovinus (um 370). Reims
zählt (1886) 91,130 (als
Gemeinde 97,903) Einw. Von
hoher Bedeutung ist die Schafwollindustrie von Reims
, welche vornehmlich
Merinos,
Shawls,
Flanelle, feine Tuchsorten
und
Nouveautees in Kleiderstoffen liefert. In ihrem
Dienste
[* 10] stehen
ca. 300,000
Spindeln, 8500 mechanische und 2000 Handstühle,
wobei 12,600 Fabrikarbeiter (ohne die zu
Hause beschäftigten
Personen) thätig sind.
Weberei

* 11
Weberei.
Andre Industriezweige sind die Fabrikation von
Maschinen,
Werkzeugen,
Gußwaren, chemischen
Produkten,
Rübenzucker, Glaswaren,
Kalk,
Ziegeln,
Leder und Korkpfropfen. Von Wichtigkeit ist auch der
Handel mit
Wolle und mit den
Reimser Schafwollartikeln,
ferner mit
Champagnerweinen, welche hier präpariert werden, und für deren Versendung die Stadt den Haupthandelsplatz bildet.
Die
Weine werden hier in vortrefflichen Felsenkellern, welche in den Kreideboden gegraben sind, aufbewahrt. An
Unterrichts-
und andern öffentlichen Anstalten besitzt die Stadt ein
Lyceum (früher
Universität, gestiftet 1547,
aufgehoben 1793), ein theologisches großes und kleines
Seminar, eine Vorbereitungsschule für
Medizin und
Pharmazie, eine Lehrerinnenbildungsanstalt,
eine
Gewerbeschule, Lehrkurse für
Chemie,
Zeichnen,
Handelsrecht und
Weberei,
[* 11] eine
Bibliothek (60,000
Bände und 1500
Manuskripte),
ein
Kunst- und Antiquitätenmuseum, einen botanischen
Garten,
[* 12] eine
Akademie der
Wissenschaften, mehrere wissenschaftliche
und gemeinnützige
Gesellschaften und Wohlthätigkeitsanstalten, eine
Filiale der
Bank von
Frankreich und eine Warenbörse. ist
der Sitz eines
Erzbischofs, eines
Gerichts- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts und einer
Handelskammer. - Reims
, das alte
Durocortorum,
war die Hauptstadt der Remi
(Civitas Remorum oder Remi) und der römischen
Provinz
Belgica secunda. Um 360 fand
das
Christentum hier Eingang.
Reimser Evangelienbuch

* 14
Seite 13.695.
Der heil. Remigius bekehrte und taufte hier 496 nach dem
Sieg über die
Alemannen
Chlodwig und viele fränkische
Große. Im
Vertrag
von
Verdun
[* 13] 843 fiel an
Karl den
Kahlen und kam so zu Westfranken, bei welchem es in der
Folge blieb. Im 9. Jahrh.
bemächtigten sich die
Grafen von
Vermandois der Stadt;
Ludwig IV. aber verlieh sie dem
Erzbischof Artaldus, und seitdem blieb
eine Zeitlang in dem
Besitz der
Erzbischöfe, die sich
Grafen von Reims
nannten.
Ludwig VII., der jüngere, gab 1138 der Stadt ein
Stadtrecht, und sein Sohn
Philipp
August verlieh den
Erzbischöfen den herzoglichen
Titel und setzte sie als
Herren über Stadt und
Grafschaft
¶
mehr
ein. Seitdem wurden die französischen Könige in Reims
gekrönt (s. oben). 813 (von Karl d. Gr.) und 1049 (von Papst Leo IX.) wurden
hier Konzile gehalten. 1421 wurde Reims
von den Engländern, 1429 von Jeanne d'Arc erobert. Am fand bei ein Gefecht
zwischen den Russen unter Saint-Priest (welcher blieb) und den Franzosen statt, worin letztere Sieger waren.
Im deutsch-französischen Krieg ward Reims
als wichtiger Eisenbahnknotenpunkt im September 1870 von den Deutschen besetzt und Sitz
des Generalgouvernements Reims
, zu welchem sämtliche nicht zum Generalgouvernement Elsaß-Lothringen
[* 15] gehörige deutscherseits
besetzte Departements gehörten.
Vgl. Marlot (gest. 1667), Histoire de Reims
(Reims
1843-45, 3 Bde.);
Galeron, Journal historique de Reims
(das. 1854, 2 Bde.);
Justinus (Baron J. Taylor), Reims
, la ville des sacres (das. 1860).