Reichsstädte
,
im ehemaligen
Deutschen
Reich die
Städte, welche unmittelbar unter
Kaiser und
Reich standen,
Landeshoheit
in ihrem Gebiet und Sitz und
Stimme auf dem
Reichstag hatten. Zuerst führen jenen
Namen die
Pfalzstädte, d. h. die
Städte auf den königlichen
Gütern. Davon sind als
Freistädte diejenigen zu unterscheiden, deren
Bevölkerung
[* 2] völlig frei
und nicht, wie in den
Pfalzstädten, mit hofrechtlichen
Abgaben belastet war. Die
Lage beider
Gattungen von
Städten ward aber
schon im 13. Jahrh. eine ähnliche, und so entstand der
Begriff »freie Reichsstädte«
.
Auch andre
Städte erlangten die Reichsunmittelbarkeit teils durch kaiserliche
Verleihung, teils durch
Loskauf von den Territorialherren, teils durch das Aussterben fürstlicher
Geschlechter, teils endlich durch
Gewalt, besonders
in den
Zeiten des
Interregnums. Die
Kaiser unterstützen in der
Regel diese Bestrebungen, daher vermehrte sich ihre Zahl bedeutend,
so daß es schon 1248 im südlichen
Deutschland
[* 3] nicht weniger als 70 Reichsstädte
gab, die zu einem gemeinschaftlichen
Bund zusammentraten.
Wie es in einigen anfangs Reichsvögte,
Landvögte und Reichsschultheißen gab, so in andern königliche
Burggrafen. Vom 13. bis 15. Jahrh.
brachten die Reichsstädte
die Reichsvogtei und das Reichsschultheißenamt sowie die den
Landvögten zustehende
Gewalt nach und
nach
an sich. Seit dem 13. Jahrh. fanden die auch Zutritt auf den
Reichstagen. Auf dem
Reichstag zu
Augsburg
[* 4] (1474) teilten sich
die in zwei
Bänke, die rheinische und die schwäbische
Bank, und in dieser Gestalt bildete sie, nachdem ihre Anwesenheit auf
den
Reichstagen durch den
Westfälischen
Friedensschluß 1648 gesetzlich geworden war, das dritte
Kollegium
des
Reichstags.
Die innere
Verfassung der Reichsstädte
war höchst verschieden und näherte sich bald der demokratischen,
bald der aristokratischen
Form. Der
Ruin des reichsstäd
tischen
Wesens lag in der
Verknöcherung der althergebrachten
Gebräuche.
Schon früher hatten mehrere
Reichsstädte
ihre Unmittelbarkeit durch verschiedene Umstände verloren. Einige wurden von den
Fürsten, die als
Burggrafen,
Schultheißen oder
Landvögte eingesetzt waren, unterdrückt; andre begaben sich freiwillig unter
die Herrschaft der
Fürsten, besonders der geistlichen; andre wurden mit Waffengewalt unterworfen, andre vom
Deutschen
Reich
losgerissen, und noch andre (wie
Donauwörth) gerieten in die
Reichsacht und wurden an
Fürsten geschenkt.
Zur Zeit der französischen
Revolution, die für sie verderblich ward,
gab es noch 51 Reichsstädte.
Zur rheinischen
Bank gehörten: Köln,
[* 5] Aachen,
[* 6]
Lübeck,
[* 7]
Worms,
[* 8]
Speier,
[* 9]
Frankfurt,
[* 10]
Goslar,
[* 11]
Bremen,
[* 12]
Hamburg,
[* 13]
Mühlhausen,
[* 14]
Nordhausen,
[* 15]
Dortmund,
[* 16]
Friedberg,
[* 17]
Wetzlar;
[* 18]
zu der schwäbischen: Regensburg, [* 19] Augsburg, Nürnberg, [* 20] Ulm, [* 21] Eßlingen, [* 22] Reutlingen, [* 23] Nördlingen, [* 24] Rothenburg [* 25] a. d. Tauber, Schwäbisch-Hall, Rottweil, [* 26] Überlingen, Heilbronn, [* 27] Gmünd, [* 28] Memmingen, [* 29] Lindau, [* 30] Dinkelsbühl, Biberach, [* 31] Ravensburg, [* 32] Schweinfurt, [* 33] Kempten, [* 34] Windsheim, Kaufbeuren, [* 35] Weil, Wangen, Isny, Pfullendorf, Offenburg, [* 36] Leutkirch, Wimpfen, Giengen, Weißenburg [* 37] im Nordgau, Gengenbach, Zell am Hammerbach, Buchhorn, Aalen, Buchau, Bopfingen.
Durch den Reichsdeputationshauptschluß vom wurden von diesen Reichsstädten
Köln,
Aachen,
Worms und
Speier an
Frankreich, 41 an
Preußen,
[* 38]
Württemberg,
[* 39]
Bayern,
[* 40]
Darmstadt
[* 41] und andre deutsche
Fürsten gegeben,
und nur
Hamburg,
Augsburg,
Nürnberg,
Lübeck,
Bremen und
Frankfurt a. M. blieben reichsfrei. Nach dem
Preßburger
Frieden verlor
Augsburg
die Reichsunmittelbarkeit und infolge der Errichtung des
Rheinbundes auch
Frankfurt und
Nürnberg. Am wurden die
Hansestädte
Hamburg,
Lübeck und
Bremen ihrer Selbständigkeit beraubt, durch die
Bundesakte von 1815 aber
nebst
Frankfurt a. M. wiederhergestellt und als
Freie Städte in den
Deutschen
Bund aufgenommen; von diesen verlor
Frankfurt noch seine
Unabhängigkeit an
Preußen.
Vgl. Hüllmann, Städtewesen des Mittelalters (Bonn [* 42] 1826-29, 4 Bde.);
Arnold, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte im Anschluß an die Verfassungsgeschichte der Stadt Worms (Gotha [* 43] 1854, 2 Bde.);
Lambert, Die Entwickelung der deutschen Städteverfassungen (Halle [* 44] 1865, 2 Bde.);
Roth v. Schreckenstein, Das Patriziat in den deutschen Städten (Tübing. 1856);
Nitzsch, Ministerialität und Bürgertum im 11. und 12. Jahrhundert (Leipz. 1859);
G. V.
Schmid, Die mediatisierten freien Reichsstädte
Teutschlands (Frankf. 1861);
Brülcke, Die Entwickelung der Reichsstandschaft der Städte (Hamb. 1881).