Reichsbehörden
(Reichsämter, hierzu Textbeilage: »Übersicht der deutschen Reichsbehö
rden«),
im
Deutschen
Reich diejenigen
Behörden, welche
Geschäfte des
Reichs führen und ihre
Autorität unmittelbar von der Reichsgewalt ableiten. Nach ausdrücklicher
Bestimmung der
Reichsverfassung vom (Art. 18) werden alle bei den einzelnen Reichsbehörden
angestellten
Beamten
(Reichsbeamte) der
Regel nach, und wofern nicht anderweite gesetzliche Bestimmungen vorliegen, von dem
Kaiser ernannt,
als dessen
Gehilfen bei der Reichsverwaltung sie erscheinen. Es erhalten jedoch nur die Mitglieder der höhern Reichsbehörden
ihre
Bestallung unmittelbar von dem
Kaiser, ebenso diejenigen
Reichsbeamten, welche nach ihrer dienstlichen
Stellung
denselben vorgehen oder gleichstehen, wie die
Botschafter,
Gesandten,
Ministerresidenten und
Geschäftsträger, ebenso auch die
Reichskonsuln.
Die Anstellungsurkunden der übrigen
Reichsbeamten werden im
Namen des
Kaisers vom
Reichskanzler oder von den durch denselben
dazu ermächtigten Reichsbehörden
erteilt. Der
Reichskanzler (s. d.) ist der alleinige verantwortliche
Minister des
Reichs. Er ist
für jeden
Zweig der Reichsverwaltung der oberste
Chef. Nach sachlichen Rücksichten sind nämlich die einzelnen Reichsgeschäfte
verschiedenen
Reichsämtern überwiesen, an deren
Spitze wiederum besondere Vorstände
(Staatssekretäre,
Chefs, Vorsitzende,
Präsidenten,
Direktoren) stehen (s. die beifolgende Übersicht); aber diese sind sämtlich dem
Reichskanzler untergeordnet,
welcher der alleinige
Reichsbeamte mit politischer Verantwortlichkeit ist. Doch kann für denselben ein
Stellvertreter ernannt, und es können auch die Vorstände der dem
Reichskanzler untergeordneten obersten Reichsbehörden
mit der
Stellvertretung
desselben in ihrem Geschäftskreis ganz oder teilweise beauftragt werden.
Einer Zentralstelle des Reichs nicht unterstellt ist die Reichsmilitärverwaltung. Hier besorgen noch die Kriegsministerien der Staaten Preußen, [* 2] Bayern, [* 3] ¶
mehr
Sachsen
[* 5] und Württemberg
[* 6] die Militärverwaltung der betreffenden Kontingente, und sie erscheinen daher, insofern sie nach der
Reichsverfassung den Anordnungen des Kaisers Folge zu leisten haben, als mittelbare Reichsbehö
rden. Die übrigen Staaten haben durch besondere
Militärkonventionen sich an Preußen angeschlossen. Die Rechte, Pflichten und Dienstverhältnisse der Reichsbeamten sind durch
das Reichsbeamtengesetz vom geregelt. Die Disziplinargerichtsbarkeit über dieselben wird
durch die Disziplinarkammern und in zweiter und letzter Instanz durch den Disziplinarhof in Leipzig
[* 7] gehandhabt (s. Disziplinargewalt).
Die einstweilen in den Ruhestand versetzten Beamten erhalten als Wartegeld drei Vierteile des Diensteinkommens, jedoch nicht weniger als 450 Mk. und nicht mehr als 9000 Mk. jährlich. Das Pensionswesen ist durch das Reichsbeamtengesetz und durch die Reichsgesetze vom und geordnet (s. Pension). Für den Fall, daß Reichsbeamte infolge eines im Dienst erlittenen Betriebsunfalles dienstunfähig werden, ist ihnen durch Reichsgesetz vom eine Pension von 66 ⅔ Proz. ihres jährlichen Diensteinkommens zugesichert, insofern ihnen nicht nach den bestehenden Pensionsbestimmungen der Anspruch auf einen höhern Betrag zusteht.
Der Reichsbeamte erhält außer seiner Besoldung einen Wohnungsgeldzuschuß (Servis), welcher sich nach dem gesetzlichen Servistarif bestimmt.
Vgl. Reichsgesetz vom betreffend den Servistarif und die Klasseneinteilung der Orte; v, Zedlitz-Neukirch, Das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten (Berl. 1874, 2 Bde.);
Kanngießer, Das Recht der deutschen Reichsbeamten (das. 1874);
Thudichum, Das Reichsbeamtenrecht (Leipz. 1876).