Regentschaft
,
die außerordentliche Staatsregierung, welche während der
Minderjährigkeit des
Thronfolgers
(Regierungsvormundschaft) oder bei dauernder Behinderung des Staatsoberhauptes, namentlich infolge geistiger
oder körperlicher Unfähigkeit, eintritt. Ebenso macht sich eine Regentschaft
dann erforderlich, wenn der
Souverän mit Hinterlassung
einer schwangern
Witwe stirbt. Die
Verfassungen von
Preußen,
[* 2]
Sachsen
[* 3] und
Württemberg
[* 4] halten dabei an den
Grundsätzen des ältern
Rechts fest, wonach derjenige volljährige
Agnat, welcher der
Krone am nächsten steht, zur Regentschaft
berufen wird. So übernahm der
damalige
Prinz von
Preußen, der nachmalige König
Wilhelm I., während der
Krankheit seines
Bruders
Friedrich
Wilhelm IV. die Regentschaft.
Andre
Verfassungsurkunden und
Hausgesetze lassen dem nächsten
Agnaten die
Mutter oder Großmutter oder auch wohl
die Gemahlin des dauernd verhinderten Monarchen vorgehen. Nach der preußischen
Verfassung (Art. 56-58) muß der
Regent sofort
die
Kammern berufen, welche in vereinigte
Sitzung über die
¶
mehr
Notwendigkeit der Regentschaft
beschließen. Der Regent hat vor den vereinigten Kammern den Verfassungseid zu leisten. In Braunschweig
[* 6] wurde neuerdings die Regentschaft
durch ein besonderes Gesetz vom (Regentscha
ftsgesetz) vom Herzog und dem Landtag geregelt.
Nach dem Ableben des kinderlosen Herzogs Wilhelm wurde dann Prinz Albrecht von Preußen zum
Regenten gewählt, um bis zur definitiven Erledigung der braunschweigischen Erbfolgefrage die Regierung des Herzogtums zu führen.
In Bayern
[* 7] übernahm Prinz Luitpold die Regentschaft
für den geisteskranken König Ludwig II. und nach dessen Tod für
den ebenfalls geisteskranken König Otto. Von der Regentschaft
verschieden ist die vorübergehende Stellvertretung
des abwesenden oder sonst verminderten Monarchen (Regierungsstellvertretung), die regelmäßig durch einen besondern Erlaß
des letztern angeordnet wird. So wurde nach dem Nobilingschen Attentat durch kaiserlichen Erlaß vom der damalige
Kronprinz Friedrich Wilhelm mit der Vertretung des Kaisers Wilhelm I. beauftragt.
Auch der Erlaß Kaiser Wilhelms I. vom welcher aber erst unmittelbar vor dem Ableben des Kaisers publiziert
ward, nahm mit Rücksicht »auf die Wechselfälle der Gesundheit« des Kaisers und »in Betracht der Krankheit und verlängerten
Abwesenheit des Kronprinzen« (des nachmaligen Kaisers Friedrich III.) nicht eine eigentliche Regentschaft
, sondern
nur eine Stellvertretung durch den damaligen Prinzen Wilhelm (jetzt Kaiser Wilhelm II.) in Aussicht.
Vgl. v. Kirchenheim, Die
Regentschaft
(Leipz. 1880);
Hancke, Regentschaft
und Stellvertretung (Bresl. 1888). -
In der Geschichte Frankreichs versteht man unter Regentschaft
(franz. régence) vorzugsweise die
durch Sittenlosigkeit berechtigte Regierungszeit
des Herzogs Philipp von Orléans
[* 8] (gewöhnlich »der Regent«
genannt) während der Minderjährigkeit Ludwigs XV. (1715-23); daher noch Ausdrücke wie Homme-régence, s. v. w. Roué, Style
régence etc.