Redefreiheit
,
im allgemeinen das
Recht der freien mündlichen Meinungsäußerung, welches zwar als Ausfluß
[* 2] der persönlichen
Freiheit jedem
Staatsbürger zusteht, dessen
Mißbrauch jedoch, z. B. bei
Beleidigungen, öffentlicher
Aufforderung zu hochverräterischen
Handlungen u. dgl., nach den bestehenden Strafgesetzen
geahndet wird. Eine besondere Redefreiheit
(Unverantwortlichkeit) ist den Mitgliedern der gesetzgebende Versammlungen
gewährleistet, welche diese wegen
Abstimmungen oder wegen der in Ausübung ihres
Berufs gethanen Äußerungen jeder Verantwortung
außerhalb der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, also namentlich vor den
Gerichten und im
Disziplinarverfahren, enthebt.
Diese in
England durch altes Parlamentsrecht verbürgte und im Art. 9 der
Bill of rights (1689)
ausdrücklich anerkannte parlamentarische
Redefreiheit.
(Freedom of speech) war für
Deutschland
[* 3] schon durch die deutsche
Reichsverfassung vom (§
120) verheißen worden, und die norddeutsche Bundesverfassung nahm die dort enthaltene Vorschrift wörtlich auf, wie sie
denn auch jetzt den Art. 30 der
Reichsverfassung bildet:
»Kein Mitglied des
Reichstags darf zu irgend einer Zeit wegen seiner
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Berufs gethanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch
verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden«.
Auch für die
Ständeversammlungen der einzelnen
Bundesstaaten, deren
Verfassungen diesen Gegenstand nicht in gleichförmiger
Weise behandelten, ist durch das
Reichsstrafgesetzbuch (§ 11) ebenderselbe
Grundsatz zur gemeinsamen
Norm erhoben worden. Mit
der parlamentarischen Redefreiheit
hängt die Straffreiheit wahrheitsgetreuer Kammerberichte zusammen.
Innerhalb der Versammlung kann gegen etwanigen
Mißbrauch der Redefreiheit
seitens des
Präsidiums auf
Grund und nach Maßgabe der
Geschäftsordnung
durch
Ordnungsruf und Wortentziehung eingeschritten werden.
Ein
Gesetzentwurf (sogen.
Maulkorbgesetz) von 1879, welcher eine Einschränkung der Redefreiheit
im deutschen
Reichstag bezweckte, wurde
von diesem abgelehnt.
Vgl. v.
Bar, Die Redefreiheit
der Mitglieder gesetzgebender Versammlungen (Leipz.
1868);
Heinze, Die Straflosigkeit der parlamentarischen Rechtsverletzungen (Stuttg. 1879);
v. Kißling, Die Unverantwortlichkeit der Abgeordneten (2. Aufl., Wien [* 4] 1885);
Paterson, Liberty of the press, speech and public worship (Lond. 1880).