Recitativ
(ital. Recitativo
, v. lat.
recitare, »erzählen«),
diejenige Art des
Gesangs, welche zu gunsten der natürlichen Accentuation und selbst des
Tonfalls
der
Worte das rein musikalische
Element auf ein
Minimum beschränkt, sowohl hinsichtlich der Melodiebildung
als der rhythmischen
Gliederung, sozusagen die prosaische
Rede des
Gesangs. Die
Erfindung des Recitativs
fällt zusammen mit
der Entstehung der
Oper (s. d.). Das Bestreben, dem durch kontrapunktische
Künste von der
Musik ganz überwucherte poetischen
Text wieder zu seinem
Recht zu verhelfen und einen natürlichen
Ausdruck der
Empfindung im
Gesang zu ermöglichen,
führte auf dem Weg ästhetischen Räsonnements zur
Erfindung des
Stilo rappresentativo, dessen
Kern das ist.
Die Instrumentalbegleitung, welche gleich von seinen Schöpfern
Peri,
Caccini,
Cavalieri dem Recitativ
beigegeben wurde, war zunächst
nichts weiter als eine harmonische
Stütze für die Sicherheit der
Intonation, ein bezifferter
Baß (s.
Generalbaß), welcher auf dem
Klavier oder auf der
Laute,
Theorbe,
Gambe ausgeführt wurde. Wenn es den ersten Schöpfern des
neuen
Stils nicht gleich gelang, der
Sprache
[* 2] die natürlichste Art der
Deklamation abzulauschen, sondern sie anfänglich in
das ihnen als Sologesang so ziemlich als einziges
Muster vorliegende Psalmodieren des Gregorianischen
Gesangs gerieten, so ist das gewiß nicht verwunderlich. Erst die Förderer des dramatischen
Stils, voran
Monteverde und später
Alessandro
Scarlatti, gestalteten die
Begleitung des Recitativs
lebendiger und schufen das
Accompagnato, das Recitativ
mit ausgearbeiteter,
musikalisch bedeutsamerer
Begleitung, während das Recitativ
mit
Generalbaß als Seccorecitativ
oder
¶
mehr
schlechtweg Secco sich daneben bis in unsre Zeit hielt. Den Übergang vom Recitativ
zu der zuerst in der Kirche und Kammer ausgebildeten
Arie bildet das Arioso. Das moderne Recitativ
, besonders wie es Wagner schreibt, unterscheidet sich von dem ältern nur dadurch, daß
der Musik wieder ein reicherer Anteil zugewiesen ist und die Instrumentalmusik interessante Gestaltung entwickelt,
während die Singstimme im getreuen Anschluß an die (kunstgemäß gesteigerte) natürliche Deklamation sich frei bewegt. Das
Vollkommenste dieser Art ist vielleicht der Dialog von Hans Sachs und Eva im zweiten Akte der »Meistersinger«.