Rechtfertigung
,
in der Theologie (justificatio) nach der protestantischen Kirchenlehre der göttliche Gerichtsakt (actus forensis), welcher den Sünder durch Zurechnung der im Glauben von ihm ergriffenen Gerechtigkeit Christi für gerecht annimmt, ihm zugleich auch die Kindschaft und Seligkeit zuspricht, obwohl er noch keinesweg gerecht ist, und zwar thut dies Gott lediglich wegen des Verdienstes Christi, immer aber unter der Voraussetzung des Glaubens auf seiten des Menschen.
Lehrbegriff - Lehrerin
![Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert] Bild 61.37: Lehrbegriff - Lehrerinnen [unkorrigiert]](/meyers/thumb/61/61_0037.jpeg)
* 2
Lehre.
Die Rechtfertigung
steht demnach in unmittelbarem Zusammenhang mit dem dogmatischen
Begriff der
Versöhnung (s. d.).
Mit dieser
Lehre,
[* 2] welche wesentlich auf Erneuerung gewisser Paulinischer
Gedankengänge beruht, trat die
Reformation der katholischen
Werkgerechtigkeit und priesterlichen Heilsvermittelung gegenüber; denn die protestantische ist so beschaffen, daß man an
ihr nicht zweifeln kann, und daß,
wer den lebendigen
Glauben hat, durch das
Zeugnis des
Heiligen
Geistes der
göttlichen
Gnade gewiß sein darf.
So, als
Gewißheit der zur ewigen
Seligkeit Erwählten von ihrer
Versöhnung
mit Gott, die sich in einem heiligen Wandel bewähren
wird, faßte die reformierte
Rechtgläubigkeit die Rechtfertigung
, während die lutherische strenger darauf bestand, daß durch die Rechtfertigung nicht
unmittelbar in der sittlichen
Beschaffenheit des
Menschen, sondern nur in der göttlichen
Anschauung und
im
Verhältnis des
Menschen zu Gott eine Änderung vorgehen soll. Die katholische Kirchenlehre schließt dagegen die Rechtfertigung
mit
der
Heiligung zusammen und beschreibt sie nach
Augustins Vorgang als
Eingießung der göttlichen
Gnade, durch welche der
Mensch
allmählich aus einem Ungerechten zu einem
Gerechten gemacht werde.
Der neuere Protestantismus gibt in der Regel die Form des Dogmas preis, indem er sich an das religiöse Motiv hält, welches in derselben nach einem sinnbildlichen Ausdruck strebt; diese praktische Bedeutung aber findet man in der Sicherung des persönlichen Selbst- und Wertgefühls, unter deren Voraussetzung allein der protestantische Christ in treuer Erfüllung des weltlichen Berufs diejenige Vollkommenheit anstreben kann, welche nach katholischem Rezept auf dem Weg des kirchlichen Mechanismus oder mönchischen Abenteuers, nach separatistisch-schwärmerischer Vorschrift vermittelst eines unruhigen und schließlich wieder zum Katholizismus zurückführenden Heiligungseifers erreichbar sein soll.
Vgl.
Ritschl, Die christliche
Lehre von der
Rechtfertigung
und
Versöhnung (2. Aufl.,
Bonn
[* 3] 1882-83, 3 Bde.).