Rauchwaren
heißen die Pelzfelle, die größtenteils zur menschlichen Bekleidung dienen, daher ihren Haarstand ungelockert behalten müssen und mithin nur auf der Fleischseite, nachdem diese durch Schaben gereinigt worden, eine konservierende Bearbeitung, nach Umständen mit Alaun, Salz, Fett, Butter, Öl erhalten haben. Ein Teil dieser Naturprodukte, aber nur ein kleiner im Vergleich zum ganzen Verbrauch, findet allerdings auch eine andre Verwendung, indem die Felle geschoren und die Haare in der Hutmacherei
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verwendet werden. Es sind dies die Felle von Biber (nur selten noch), Bisam, Fischotter, Nutria, Hasen und Kaninchen. Die Behaarung der Tiere wird im Jahreslaufe fortwährend verändert; im Sommer sind die Pelzfelle in der Regel wertlos und die Preise beziehen sich immer auf Winterware. Die besten und teuersten Pelzfelle kommen immer aus dem kalten Norden der Alten und Neuen Welt. Rußland und England sind demnach die Lieferanten der größten Menge von Pelzwerk; die Russen bringen es aus dem Norden ihrer europäischen und mehr noch ihrer asiatischen Besitzungen, die Engländer aus Kanada und den ungeheuren noch nördlicher gelegenen Waldländern, in denen die Hudsonsbai-Gesellschaft das Monopol hatte, jetzt aber den Handel in freier Konkurrenz betreibt. Ein Teil des nordamerikanischen Pelzwerks kommt auch aus den Vereinigten Staaten.
Die beiden größten Pelzländer der Erde sind eigentlich nur dieses Artikels wegen von Europäern besetzt, ja sogar entdeckt worden. Die Russen drangen in Sibirien weiter und weiter östlich bis ans Meer vor, um immer mehr eingeborene Stämme zu unterwerfen und ihnen Tribute an Pelzen aufzulegen; sie setzten sich schließlich selbst in dem gegenüberliegenden Nordamerika fest. In Nordamerika kamen des Pelzwerks wegen Franzosen und Engländer und die Handelskompanien derselben in Kampf mit einander; der von den Franzosen zuerst gegründete Pelzhandel kam in die Hände der Engländer und zum Teil an die neu entstandenden ^[richtig: entstandenen] Vereinigten Staaten.
Auch hier trieb dieser Handel die Europäer immer vorwärts nach Westen, sodaß endlich die zwei verschiednen Handelsrichtungen in den Ländern der nordamerikanischen Westküste auf einander stoßen mußten. Durch den vor einigen Jahren erfolgten Verkauf der von Rußland in Anspruch genommenen Landstrecken an die Vereinigten Staaten haben sich die Dinge vereinfacht und es können jetzt nur noch nordamerikanische und englisch-amerikanische Unternehmungen im fernen Westen in Kollision geraten, was oft genug der Fall ist.
Die Hudsonsbai-Kompagnie, mit dem Sitz in London, besitzt im amerikanischen Norden ein Handelsgebiet, das größer als Europa ist. Die Eingebornen, mehr als 50 Stämme, bringen ihre Beute nach befestigten Handelsstationen, die über das Land zerstreut sind, und werden nur mit Waren bezahlt, die sie brauchen können. Ein feststehender Tarif benennt alle Werte, welche die verschiednen Waren und Pelzarten gegen einander haben sollen. Die Verkaufskontore der Kompanie sind Montreal in Kanada für die Büffelhäute und London für das eigentliche Pelzwerk. Es kostet 1-1½ Jahr Zeit, ehe die Ware an den Londoner Markt kommt. Hier werden jährlich drei große Pelzauktionen gehalten, im Januar, März und September, neuerdings im Juli. -
In Kanada ist, wie in den Vereinigten Staaten, der Verkehr mit Pelzwerk frei und bares Geld das Einkaufsmittel. Es bestehen da neben zahlreichen kleinern Kaufleuten mehrere Pelzkompanien und große Handelshäuser; die Waren dieser Länder kommen entweder direkt nach London oder Leipzig, oder gehen erst nach New York und von da aus zweiter Hand ebenfalls nach diesen europäischen Hauptplätzen. In neurer Zeit wird Leipzig von den Amerikanern vor London sehr bevorzugt, weil hier der Absatz bequemer ist.
Der Verkehr mit Pelzwerk hat das Eigentümliche, daß die meisten Nationen, welche etwas dergleichen an den Markt zu bringen haben, dafür auch von den Erzeugnissen andrer Länder wieder kaufen und die fremde Ware höher als die eigene schätzen. So entnehmen auch die Vereinigten Staaten große Quantitäten russischen und deutschen Pelzwerks. Man will dort in Luxus und Moden den Europäern nicht nachstehen und ebenfalls sibirisches Feh, Hermelin und die in Europa gefärbten Modesachen tragen. Man verbraucht außerdem in Amerika viel polnische und französische Kaninchenfelle, die in Deutschland zubereitet sind, und gute russische Zobel. -
Von amerikanischem Pelzwerk bringt auch Dänemark einen gewissen kleinen Anteil aus seinen Besitzungen in Grönland (weniger von Island), hauptsächlich Fuchs- und Robbenfelle und einige Eisbären. Die Waren werden jährlich zweimal, im November und Mai, in Kopenhagen verauktioniert. Südamerika beteiligt sich am Handel nur durch Chinchilla-, Viscache- und Koipufelle; seine Jaguar- und Kuguarfelle sind im Handel nur etwas Nebensächliches. Von Schweden und Norwegen kommen, außer solchen Fellen, die auch anderwärts häufiger sind, wie Füchse, Marder, Iltisse, Dachse, Ottern und Katzen, schöne Felle von Luchsen, Vielfraßen, Silber- und Kreuzfüchsen, meistens auf die Leipziger Messen; das Beste davon geht weiter nach Rußland. Dieses Land selbst ist unbedingt das bedeutendste für Erzeugung, Verbrauch und Handel in R.
Ein bedeutender Teil des russischen Handels, der gar nicht in unserem Gesichtskreise liegt, ist der mit dem großen, viel verbrauchenden Nachbarlande China, der sich in der russischen Grenzstadt Kiachta vollzieht. Derselbe Fall ist es mit dem Warenquantum, das über Astrachan in den persischen Handel geht. Sonst sind die Hauptmeßplätze Irbit in Sibirien und Nischney Nowgorod. Der letztere ist der eigentliche internationale Tauschplatz; es werden zu der dortigen, im Juli und August stattfindenden Messe, außer den russischen und asiatischen Pelzprodukten, auch armenische, amerikanische, skandinavische, deutsche in Menge herbeigeführt und fast jeder Besuchende ist Ver- und Einkäufer zugleich. Außer diesen periodischen Meßplätzen sind Petersburg und Moskau als permanente zu betrachten und Warschau ist in dieser Branche ein kleines Moskau. -
Der deutsche Rauchwarenhandel befindet sich in seinen letzten Verzweigungen in sehr vielen Händen, da sich eine Menge kleiner Händler und alle Kürschner beim Einkauf beteiligen. Größere Kaufleute konzentrieren dann die Waren noch weiter und führen sie den eigentlichen Handelsplätzen zu. Von den Jägern werden die sog. Wildwaren gekauft, Füchse, Edel- und Steinmarder, Iltisse, Dachse, Ottern, vom Landmann Lamm- und Ziegenfelle, in den Städten Kaninchen und Katzen. Die Menge der in Deutschland zusammengebrachten
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Wildfelle ist gar nicht unbeträchtlich und es finden sich namentlich in Bayern, Württemberg, den Ländern unter und zwischen den Alpen sehr preiswürdige Marder, Iltisse, Füchse und Ottern. Mehrere größere Städte Deutschlands beschäftigen sich mit Rauchwarenhandel. Hamburg, Lübeck und Bremen treiben viel Speditions-, Aus- und Einfuhrgeschäfte mit amerikanischem, russischem, nordischem, deutschem und französischem Pelzwerk und mit grönländischen Robbenfellen.
Wien versorgt Österreich, Ungarn und Italien mit amerikanischen und russischen R. und ist ein ständiger Markt für türkische, ungarische und italienische Lämmerfelle. Berlin und Breslau haben neben bedeutendem Inlandshandel besonders viel Absatz nach Rußland und Polen. Ungarn ist für die Pelzbranche bedeutend, sowohl als Produzent vieler Wildwaren, Schaf- und Lämmerfelle, wie als Abnehmer, da dort Pelzwerk zu den Landestrachten gehört.
Alle Länder und Provinzen brauchen aber noch Meßplätze, wo sämtliche R. zu kaufen sind. Der bedeutendste Zentralpunkt in dieser Branche und ein eigentlicher Weltmarkt ist Leipzig geworden, an Bedeutung kaum weniger wichtig als London, das eigentlich nur eine Durchgangsstation für die amerikanischen Waren bildet, die dann doch noch größtenteils nach Leipzig gelangen. In Leipzig kommen in den beiden Hauptmessen alle gangbaren Pelzwaren der Alten und Neuen Welt zusammen und da fast jeder Besucher, der etwas zum Verkauf bringt, auch wieder Andres mitnimmt, so gestaltet sich das Geschäft wie ein großartiger, nur hier möglicher Tauschhandel. Es finden sich da einige Tausend Geschäftsleute aus Deutschland, Nordamerika, England, Frankreich, Italien, der Schweiz, Holland, Schweden, Dänemark, Rußland, Ungarn, der Tartarei, Griechenland und der Wallachei lediglich um des Pelzhandels willen zusammen. In beiden Messen ist das Sortiment dasselbe, nur die deutschen Wildwaren aus jedem Winter sind meistens schon in der Ostermesse abgesetzt.
Die Amerikaner kaufen von den Deutschen hauptsächlich zubereitetes Feh, Marder, Iltis, polnische Kaninchen, von den Franzosen gefärbte Kaninchen, von den Russen Hermeline, Nörze und weiße Hasen. Engländer kaufen rohes Fell, Hermelin, persische Lammfelle, Marder, polnische Kaninchen und in letzter Zeit auch amerikanische Waren. Franzosen und Italiener entnehmen bereitetes Feh, Hermelin, persische und astrachaner Lammfelle, polnische Kaninchen, russische und amerikanische Zobel, Chinchillas etc., Russen und Polen deutsche und nordische Füchse, Marder, Otter, Waschbären, Bären, virginische Iltis, Skunks, Biber, Seeotter, Zobel, Chinchillas, Luchse, Bisam, Pelzseehunde, Kaninchen. Die Griechen und Wallachen brauchen für ihre Nationaltrachten hauptsächlich Füchse, deutsche und amerikanische rote, russische und amerikanische weiße, dann Luchse, Zobel, Nörze, Wölfe, schwarze Katzen, französische Kaninchen etc. Die Deutschen entnehmen fast alle Pelzarten zum innern Konsum und zum Handel mit dem Auslande.
Leipzig ist auch außer den Messen wichtig und ein ständiger Markt für R. geworden, wo die bedeutendsten fremden Handelshäuser Kommanditen halten. Der Grossohändler im Fache überhaupt sind merkwürdig wenige, aber um so bedeutendere. Die große Menge sibirischer und russischer Pelzwaren gehört kaum 30 Eigentümern, das noch viel größere Quantum amerikanischer Waren kaum 15 Kaufleuten. Nach Veranschlagung des bedeutendsten Industriellen Leipzigs in diesem Fache, des Herrn Heinr. Lomer, stellt sich die durchschnittliche jährliche Zufuhr an diesem Platze wie folgt:
Amerikanische Rauchwaren | 7867500 Mk. |
Mitteleuropäische | 6381000 Mk. |
Russische und asiatische | 4146000 Mk. |
: | 18294500 Mk. |
Diese bedeutenden Zugänge haben teils, als Meßgüter, in Leipzig nur einen momentanen Aufenthalt, teils kommen sie auf Lager, und es ist die Annahme kaum zu hoch gegriffen, daß die Lagerbestände Leipzigs im Durchschnitt immer 36 Mill. Mk. Wert ausmachen. Diese Angaben stammen aus dem Jahre 1864. Seitdem hat sich der Rauchwarenhandel aber noch vergrößert, sodaß die jährliche Zufuhr nach Leipzig mit 30 Mill. Mk. vermutlich eher zu niedrig als zu hoch gegriffen ist. Nach einer im Jahre 1879 infolge der gefürchteten Zollbeschwerung vorgenommenen Enquête deutscher Rauchwarenhändler belief sich der jährliche Umsatz aus erster Hand in Deutschland auf ca. 40 Mill. Mk., wovon 68% in das Ausland abgesetzt wurden. -
Es gibt thatsächlich keinen zweiten Wertartikel, welcher so durchgreifend wie das Pelzwerk alle Völker der nördlichen Erdhälfte, auf welcher Kulturstufe sie auch stehen mögen, zu einander in Geschäftsbeziehungen setzte; diese Beziehungen sind, was die Alte Welt anlangt, auch schon uralt, denn nicht nur unsre Vorfahren im Mittelalter bezogen viel Pelzwerk von den Russen, sondern schon die alten Griechen und Römer schöpften aus denselben nordischen Quellen und erhandelten von Skythen und andern, jetzt nicht mehr genannten, Völkern Luxuspelzwerk. Je weitere Handelsreisen ein Pelzwerk macht, um so deutlicher charakterisiert es sich als Luxusware.
Luxus und Mode sind aber von jeher die Triebfedern gewesen, welche den Rauchwarenhandel in seinen weitgezogenen Kreisen im Gange erhielten. In der Regel war eine um so beliebter, aus je weiterer Ferne sie herkam. In unsern Zeiten, wo Wohlstand und Luxus beständig zunehmen und die Bevölkerungszahlen wachsen, hat sich die Menge der Verbraucher von Pelzwerk und daher die merkantile Wichtigkeit dieser Warengattung noch bedeutend gesteigert und demgemäß auch die Menge der an den Markt gebrachten Waren, bei denen so oft eine Abnahme durch Erschöpfung befürchtet wurde. Allerdings sind die Erträgnisse der verschiednen Jahre durch Nahrungs- und Witterungsverhältnisse sehr schwankend und im allgemeinen mögen die Pelzjagden wohl schwieriger und mühevoller geworden sein; thatsächlich aber ist die Zunahme der Warenmengen, die sich zum Teil allerdings durch das Hinzukommen verschiedner neuer, früher nicht am Markte gewesener, Sorten erklärt, wie Stinktier, Bisam,
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Chinchilla, Affenfelle. Zudem versteht die Kunst heute viel besser der Natur nachzuhelfen wie früher; das Bearbeiten, Färben, Rupfen und Schuren der Felle ist eine große Industrie geworden, die namentlich in der Umgegend von Leipzig Tausende von Arbeitern lohnend beschäftigt. Das Färben ist nicht mit dem sog. Blenden der Waren, d. h. natürlicher Farbe einen höhern Glanz oder dunklere Nüancen zu geben, zu verwechseln. Die Färberindustrie ist namentlich in den letzten Jahren durch die Mode, die fast durchweg tief schwarz oder tiefdunkelbraun verlangt, Farben, die bei natürlichen Fellen nur wenig vorkommen, groß geworden. -
Ein nicht zu ändernder Umstand ist aber die fortgehende Verteuerung der Waren. Die Preise sind in dem Zeiträume von 1720 bis 1820 durchschnittlich auf das Doppelte, seitdem aber reichlich auf das Dreifache gestiegen. -
Da die einzelnen Arten der gangbaren Pelzfelle in unserm Buche an ihrer alphabetischen Stelle aufgeführt sind, so haben wir dieselben hier in der Reihenfolge ihrer Zusammengehörigkeit nur namhaft zu machen: Zobel, Nörze, Marder, Iltis, Hermelin, Grauwerk, Bisam, Hamster, Chinchilla, Füchse, Schuppen (Waschbären), Skunks, Opossum, Bären, Luchse, Wölfe, Vielfraß, Dachs, Biber, Otter, Seehunde, Koipu, Hasen, Kaninchen, Katzen, Lämmer, Affen, Federpelze. - Zoll: Felle zur Rauchwarenbereitung sind gemäß Tarif Nr. 12 b zollfrei;
R. s. Tarif Nr. 28 a u. 28 b.