Ratte
,
Unterabteilung der Gattung Maus (Mus), deren Angehörige sich von den eigentlichen Mäusen durch ansehnlichere Größe, den langen Schwanz, der mehr als 200 Schuppenringe zählt, und die dickern, plumpern Fuße unterscheiden. Die Wanderratte (Mus decumanus Pall.) ist 24 cm lang, mit 18 cm langem Schwanz, auf der Oberseite des Körpers und Schwanzes bräunlichgrau, auf der Unterseite scharf abgesetzt grauweiß, der Schwanz schwach behaart. Zuweilen kommen weiße Tiere mit roten Augen vor.
Die Ohren erreichen angedrückt das Auge [* 3] nicht. Der Wanderratte gedenkt, wie es scheint, schon Älian, welcher von Einwanderung der »kaspischen Maus« spricht; sie stammt wohl aus Indien oder Persien, [* 4] 1727 setzte sie bei Astrachan über die Wolga, und 1732 wurde sie aus Indien nach England verschleppt. 1750 erschien sie in Ostpreußen. [* 5] 1753 in Paris, [* 6] 1780 war sie in Deutschland [* 7] überall häufig, in der Schweiz [* 8] aber erschien sie erst 1809. Nach Nordamerika [* 9] gelangte sie 1755. Gegenwärtig findet sie sich überall, wo nur Handelsverbindungen mit Europa [* 10] bestehen.
Sie bewohnt nicht bloß
Häuser,
Ställe,
Keller,
Abtritte, sondern auch
Höhlen an den
Ufern langsam fließender Gewässer. Sie
klettert und schwimmt sehr gut und zieht oft, indem sie von unten kommt, junge
Enten
[* 11] bei den
Beinen hinunter, ersäuft sie
und schleppt sie in ihr
Loch. Auch junge
Gänse und Küchelchen, junge
Kaninchen,
[* 12]
Tauben,
[* 13] mitunter sogar
alte
Hühner
[* 14] erwürgt sie; sie frißt fetten
Schweinen und brütenden Truthennen
Löcher in den Leib, und auch kleine
Kinder
frißt sie an; an
Getreide,
[* 15]
Kartoffeln,
Obst und andern in
Kellern und
Kammern befindlichen Eßwaren richtet
sie den empfindlichsten
Schaden an. Sie ist so gefräßig, daß, wenn man eine
Gesellschaft von
Wanderratten zusammensperrt, eine
die andre auffrißt. Wo sie einrückt, verschwinden alsbald die Hausratten
, denn sie werden unbarmherzig von ihr niedergemacht.
Die Ratten
leben gern gesellig, kriechen oft in einem gemeinsamen
Nest zusammen, fressen aber eine krepierte Genossin sofort
auf.
Jung gefangene Ratten
werden sehr zahm. Das Weibchen wirft jährlich zwei- bis dreimal etwa einen
Monat nach der
Begattung 5-21 nackte
Junge, welche sie liebevoll pflegt. Die Hausratte
(M. rattus
L.) ist 16
cm lang, mit 19
cm
langem
Schwanz, auf der Oberseite dunkel braunschwarz, und diese Färbung geht nur allmählich in die
wenig hellere der Unterseite über.
Sie ist noch jetzt in
Persien sehr gemein; wann sie nach
Europa gekommen, weiß man nicht, zuerst wird sie von
Albertus Magnus
als deutsches
Tier genannt; gegenwärtig ist sie über alle bewohnten Teile der
Erde verbreitet, kommt aber überall mehr vereinzelt
vor und weicht mehrfach der
Wanderratte, welcher sie in ihrem
Wesen sehr ähnlich ist. Bisweilen findet
man eine größere oder geringere (bis gegen 30) Zahl Ratten
mit den
Schwänzen so verwachsen oder verflochten, daß sie sich
nicht wieder voneinander befreien können.
Derartige Rattenkönige sind wiederholt beobachtet worden, ohne daß man über ihre Entstehung etwas Sicheres ermitteln konnte.
Vgl. Bellermann, Über das bisher bezweifelte Dasein des Rattenkönigs (Berl. 1820).
In
Sondershausen
[* 16] hatten sich einst die Ratten
so vermehrt, daß ein eigner
Bußtag deshalb angestellt wurde, und in
Autun wurden
sie zu Anfang des 15. Jahrh. vom
Bischof förmlich in den
Bann gethan. Die sogen. Ratte
nfelle des Pelzhandels
stammen vom virginischen
Beuteltier.