forlaufend
Staa-617
tes;
erhob ihn der König von Preu- ßen in den erblichen Adelstand.
Seine akademische Thätigkeit schloß er im Herbst 1871, arbeitete aber noch im hohen Greisenalter mit ungeschwächter Kraft [* 3] an der «Weltgeschichte», die er 1880 begann. Am wurde er zum Kanzler des Ordens poul Is n^i'ito, am Tage des 50jäbrigen Jubi- läums seiner Mitgliedschaft der Akademie der Wissenschaften zum Wirkl.
Geheim- rat ernannt. Er starb in Berlin. [* 4] Tbucydides und Nicbuhr einerseits, die Sckrif- ten Lutbers andererseits hatten seinen durch gründ- liche klassische Studien schon befruchteten Geist zuerst auf geschichtliche Gegenstände gelenkt.
Sein erstes, sofort Aufsehen erregendes Werk, die «Ge- schichte der roman. und german. Volker von 1494 bis 1535» Md. 1, Verl. 1824;
3. Aufl., Lpz.
1885) war im Stil von fremden Vorbildern, namentlich Joh. von Müller, noch stark beeinflußt, zeigt aber schon überraschend den originalen Kern R.s. Er wollte nicht richten und lehren, sondern bloß zeigen, «wie es eigentlich gewesen», und das auf Grund einer strengen Prüfung des Quellenmaterials nach seiner Zuverlässigkeit und Originalität, ein Ver- fahren, dessen Grundsätze er in dem Anbang «Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber» praktisch durch die Kritik mehrerer, namentlich ital. Geschichtschreiber (Guicciardini u. s. w.) darlegte.
Diese Quellenkritik war ihm aber nur das Mittel zu einer möglichst leben- digen und bis auf die letzten wirksamen Kräfte zurück- gebenden Auffassung des Gewordenen.
Ein balb philosophisches, halb ästhetisches Interesse leitete ihn dabei;
in seinen frühern Werken überwog das letztere, die Freude an den farbenreichen Begeben- heiten und Persönlichkeiten, die er mit glänzender, oft geradezu dichterischer Kunst wiedergab.
Daneben aber hatte er schon früh (1826) die Absicht, «die Mär der Weltgeschichte aufzufinden», in der univer- salen Verknüpfung der bestimmenden Ereignisse zu- gleich ihren wesentlichen Kern zu ermitteln.
Eine gewisse Verwandtschaft mit der Hegelscken Pbilo- sophie, welche in der Weltgeschichte die Entwicklung des göttlichen Geistes nachweisen wollte, liegt vor, aber von ihrer deduktiven und konstruierenden Art aufs stärkste abgestoßen, vertrat N. immer den in- duktiven Charakter der modernen Wissenschaft, in- dem er stets von dem Besondern ausging, zugleich es aber in seinen allgemeinen Zusammenhängen erfaßte.
Die leitenden Tendenzen der verschiedenen Jahrhunderte, die Ideen, wie er sie gern, fich mit Wilh. von Humboldt berührend, nannte, gewannen dabei in seiner Betrachtung eine immer steigende Bedeutung, so daß in seinen spätern Werken das freie handeln der Persönlichkeit etwas zurücktritt.
Seine vielgerühmte, zuweilen auch als angebliche Gesinnungslosigkeit getadelte Objektivität in der Beurteilung der polit. und kirchlichen Bewegungen der Neuheit, durch die er sich von der gern nach sitt- lichen Maßstäben urteilenden Richtung Schlossers unterschied, hängt damit zusammen.
Jede Epoche, meinte er, habe ihren Wert, ihren eigentümlichen Genius für fich, «vor Gott erscheinen alle Genera- tionen der Menschheit als gleichberechtigt, und so muß auch der Historiker die Sache ansehen» (1854). Darum leugnete er auch einen Fortschritt der Mensch- heit in intellektueller und moralischer Hinsicht.
Mit seiner ästhetischen Freude an der konkreten Persön- lichkeit und Handlung hing es auch zusammen, daß er die poUt.-diplomat.
Geschichte bevorzugte, die Zustände der breitern Volksmassen nur streifte und die Wirtschaftsgeschichte vernachlässigte. Am meisten Kulturgeschichte enthielt wohl sein zweites größeres Werk, die «Fürsten und Völker von Südeuropa im 16. und 17. Jahrh.» (Bd. 1, Verl. 1827; 4. Aufl., Lpz. 1877, u. d. T. «Die Osmanen und die span. Monarchie im 16. und 17. Jahrh.»), zu dem ihm die von ihm zuerst ausgiebig verwerte- ten Relationen der venet.
Gesandten den Stoff ga- ben. Daneben schrieb er auf Grund serb. Volks- lieder und -Überlieferung das packende und plastische Buch über «Die serb. Revolution» (Hamb. 1829; u. d. T. «Serbien [* 5] und die Türkei [* 6] im 19. Jahrh.» völlig umgearbeitet, Lpz. 1879).
Weitere
Früchte seines Aufentbalts in
Italien
[* 7] (1827-31) waren: «Die Verschwörung gegen
Venedig
[* 8] 1618» (Berl.
1831; u. d. T. «Zur venet. Geschichte»,
Lpz. 1878) und «Zur Geschichte der ital.
Poesie» (Vorlesungen, Verl. 1837). Nach seiner Rückkehr unternahm Ranke
mit Savigny und andern Gleichgesinnten eine «Histor.-polit.
Zeit- schrift» (1832-36), in der er gegen den polit.
Libe- ralismus der Iulirevolution Front machte, ohne deswegen in die ertrem feudale Staatsauffassung der Reaktion zu verfallen.
Zugleich begann er jetzt die Reihe seiner eigentlichen Hauptwerke mit «Die rö'm. Päpste, ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. Jahrh.» (3 Bde., Verl. 1834-37; 9. Aufl. u. d. T. «Die röm. Päpste in den letzten vier Jahr- hunderten», Lpz. 1889), ein Werk, welches in der ganzen Kulturwelt wegen der Unbefangenheit in der Würdigung der welthistor.
Bedeutung des Papsttums und wegen der klaren Scheidung der mannigfach ineinander wirkenden polit. und reli- giösen Momente das allgemeinste Auffehen erregte. Dieselben Vorzüge zeigt fast in noch höherm Grade die «Deutsche [* 9] Geschichte im Zeitalter der Reforma- tion» (6 Bde., Berl. 1839-47; 6. Aufl., Lpz. 1880 -81). Dann folgte das weniger günstig aufgenom- mene, aber auch an neuen Auffassungen reiche Werk «Neun Bücher preuß. Geschichte» (3 Bde., Verl. 1847-48; neue, durch eine große Einleitung über die Genesis des prcuß. Staates vermehrte Aufl. u. d. T. «Zwölf Bücher preuß. Geschichte», 5 Bde., Lpz. 1874; vcrmebrt 1878-79).
Sodann wandte er sich wieder, von feinem Lieblingsgedanken, der Ein- heit der roman.-german. Kulturentwicklung geleitet, feinem frühern Studiengebiete zu mit der «Franz. Geschichte, vornehmlich im 16. und 17. Jahrh.» (5 Bde., Etuttg. 1852 - 61; 4. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1876-77),
der sich die «Engl. Geschichte im 16. und 17. Jahrh.» (Bd. 1-6, Verl. und Lpz. 1859 -67; 3. Aufl., 9 Bde., Lpz. 1877-79) anschloß. Diese wie die folgenden Werke, durchweg meister- haft durch den weiten Blick, die Kunst der Darstel- lung und die Behendigkeit und Sicherheit der kriti- schen Forschung, haben gegenüber den frühern einen etwas kühlern und abstraktcrn Charakter. zu den lebendigsten gehören noch: «Zur deutschen Geschichte. Vom Rcligionsfrieden bis zum Dreißigjährigen Kriege» (Lpz. 1868; 3. Aufl. 1888) u^ die durch geniale Intuition hervorragende «Geschichte Wal- lensteins» (ebd. 1869; 4. Aufl. 1880).
Weitere Werke R.s sind: «Der Ursprung des Siebenjährigen Krie- ges» (Lpz. 1871),
«Die deutschen Müchteund der Fürstenbund. Deutsche Geschichte von 1780 bis 1790» (2 Bde., ebd. 1872; 2. Aufl., ebd. 1875), «Abhandlungen und Versuche» (ebd. 1872; 2. Aufl., ebd. 1877; Neue Sammlung, hg. von Dove und ¶