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in dem Umkreis ihrer Bewegungen eine passende Stütze zu suchen.
Tritt eine solche hindernd für die Nutation auf, so wird
dadurch ein Drnck auf die Ranke
erzeugt und somit auch ein Reiz ausgeübt.
Die nunmehr entstehende Krümmung kann dann leicht ein Umschlingen der Stütze ermöglichen.
Vei einigen
Pflanzen, die an
Mauern,
Wänden, dicken
Baum- stämmen
u. dgl. in die Höhe klettern, wird die
Be- festigung der Ranke
auf etwas andere
Weise erreicht;
bei derartigen Stützen würde
ein Umschlingen mittels
Krümmungen nicht möglich sein, es kommt deshalb bei solchen
Pflanzen, wie z. B. beim wilden
Wein,
infolge des Reizes zur
Bildung eigentümlicher
Ge- webepolster an den
Enden der einzelnen Ranken-
zweige,
die sich fest an die Unterlage andrücken.
Zu- gleich tritt, wahrscheinlich durch Ausscheiden eines Sekrets, eine Vcrkittung
dieser Polster mit der Stütze ein und wird dadurch gleichfalls eine wirksame
Be- festigung der kletternden
Stengel
[* 3] erreicht.
Da auch in diesen Fällen außerdem noch in den zurückliegen- den Partien der Ranke
meist schraubenlinige
Krümmun- gen auftreten, so wird ebenso wie bei den andern Kletterpstanzen der
Stengel an die Stütze herange- zogen.
Ganz
ähnlich wie die echten Ranke
wirken bei einigen Kletterpflanzen die
Blattstiele;
doch kommt in diesen Füllen nur ein Befestigen mittels Krüm- mungen zu stände.
Derartige
Blattstiele besitzen z. V. viele
Arten der Gattung (^Iemlrti8;
sie sind auf allen Seiten gleich reizbar, während die meisten Ranke
nur auf einer Seite Reizbarkeit besitzen. - Als
N. bezeichnet man im gewöhnlichen Leben häufig auch die
Ausläufer mancher
Pflanzen, wie z. V. der Erd-
beerstöcke; doch haben derartige Organe mit den eigentlichen Ranke
gar nichts zu thun. Ranke
, Friedr.
Heinr., prot. Kanzclredner,
Bruder von
Leopold von N., geb. zu
Wiehe in
Thüringen, war zuerst Prediger in Rückersdorf
bei
Nürnberg,
[* 4] dann bayr.
Dekan und gräflich GiechscherKonsiftorialrat zuThurnau, wurde 1840 ord. Professor der
Dogmatik zu
Erlangen,
[* 5] 1841 Konsistorialrat bei dem prot. Konsistorium zu
Bay- reuth, 1842 in
Ansbach
[* 6] und 1866 Oberkonsisio-
rialrat in
München,
[* 7] wo er starb. Ranke
schrieb «Untersuchungen über
den Pentateuch» (2 Bde.,
Erlangen 1834-40);
aus seinem Nachlast erschienen «Iugenderinnerungen» (Stuttg.
1876; 2. Aufl. 1886). Karl Ferdinand Ranke
, ein dritter
Bruder, geb. war zuerst
Lehrer, später
Direktor des Gymnasiums zu
Quedlinburg,
[* 8] ging 1837 in gleicher Eigenschaft nach Göttingen
[* 9] und 1842 an das
Friedrich-Wilhelms-Gymnasium
nach
Berlin,
[* 10] wo er starb.
Vorübergehend war er in Göttingen auch Direktor eines pädagogischen Seminars und Professor der alten Litteratur an der Universität.
Friedrich Wilhelm Ranke
, ein vierter
Bruder, geb. 1804, war Negierungsrat
in Vreslau und starb auf seiner Besitzung Silbersee bei
Teupitz. Er veröffentlichte:
«T)ie Verirrungen der christl.
Kunst» und «Verirrungen der christl. Welt»
(Lpz. 1857). Ernst Ranke
, ein fünfter
Bruder, prot.
Theolog, geb. zu Wiehe in Thüringen, studierte in Leipzig, [* 11] Berlin und Bonn, [* 12] wurde 1840 Pfarrer zu Vuchau in Franken, 1850 Professor in Marburg, [* 13] wo er, 1858 zum Konsistorialrat ernannt, starb. Er hat sich durch Herausgabe wichtiger Fragmente der «Iwia» (2 Bde., Marb. 1856-58), durch lat. Gedichte, besonders aber durch seine kri- tisch-liturgischen Werke bekannt gemacht.
Hierher gehören «Das kirchliche Perikopensystem» (Berl. 1847),
«Kritische Zusammenstellung der neuen Perikopcnkreise» (ebd. 1850),
«Der Fortbestand des herkömmlichen Perikopenkreiscs» (Gotha [* 14] 1859), «Das Marburger Gesangbuch von 1549» (Marb. 1862);
ferner veröffentlichte er: «3p6cim6n cocU- ci8 ^ovi I68taui6nti ^ulä0ii8i8» (edd. 1860) und «00ä6x.^u1ä»n8i8» (ebd. 1868).
Zum 600. Jahres- tage der Einweihung der Elisabcthtnche zu Mar- burg gab er heraus «Chorgcsänge zum Preis der heil. Elisabeth aus mittelalterlichen Antiphonarim» (2 Hefte, Lpz. 1883 - 84).
Als Dichter trat er auf mit «Zuruf an das deutsche Volk» (Erlangen 1819), " (^i-mina acaäßinica,» (Marb. 1866),
«Lieder aus großer Zeit» (ebd. 1872; 2. Aufl. 1875),
«IIoi^s I^i-icaß» (Wien [* 15] 1874),
«Die Schlacht im Tcuto- burger Wald» (Marb. 1875; 2. Aufl. 1876),
«1Ui)t- mica» (Wien 1881).
Als Festgabe zum 90.
Ge- burtstag seines
Bruders
Leopold schrieb er: «Zur Beurteilung
Wielands.
Ein kritischer Versuch» (Marb. 1885). Ranke
, Johs., Physiolog und Anthropolog, Sohn von
Friedrich
Heinrich
Ranke
, geb. zu
Thurnau in
Bayern,
[* 16] studierte in
München,
Ber- lin und
Paris,
[* 17] habilitierte sich 1861 in
München für
Physiologie
und wurde 1869 außeroro. und 1886 ord.
Professor der Anthropologie daselbst und damit der erste ord.
Professor der Anthropologie in Deutschland. [* 18]
Seine Hauptwerke sind: «Tetanus» (Lpz. 1865; Bd. 2,1871),
«Grundzüge der Phy- siologie» (ebd. 1868; 4. Aufl. 1881),
«Die Vlut- verteilung und der Thätigkeitswechsel der Organe» (ebd. 1871),
«Die Ernährung des Menschen» (Münch. 1876),
«Das Blut» (ebd. 1878),
«Beiträge zur physischen Anthropologie der Bayern» (Bd. 1 u. 2, ebd. 1883 -92),
«Der Mensch» (2. Aufl., 2 Bde., Lpz. 1894).
Auch ist N. Redacteur des «Archiv für Anthropologie», der «Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns» und als Generalsekretär der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft des «Korrespondcnzblattes» der letztcrn. Seit 1889 ist er Konservator und Direktor der von ihm durch Schenkung seiner Privatsammlung be- gründeten Prähistorischen Sammlung des Bay- rischen Staates in München. Nanke, Leopold von, Geschichtschreiber, geb. zu Wiehe in Thüringen als Sohn eines Rechtsanwalts, erhielt seine Erziehung zu Donndorf und Schulpforta und studierte dann seit 1814 zu Leipzig neben Theologie besonders Philologie.
Nachdem er in Berlin die Prüsung be- standen hatte, wirkte er seit 1818 am Gymnasium zu Franksurt a. O., bis er infolge seiner ersten Schrif- ten 1825 eine außcrord.
Professur der Geschichte an der Universität zu Berlin erhielt.
Nach einer grö- ßern Studienreise (1827-31) nahm er seine akade- mische Thätigkeit wieder auf, die, nur zeitweilig durch wissenschaftliche Reisen unterbrochen, von seltenen Erfolgen begleitet war.
Die von ihm seit 1833 geleiteten histor.
Übungen bilden den Aus- gangspunkt derNankeschen Schule
(s. Geschichte, Bd. 7, S. 893 d), der
ein großer
Teil der jüngern deutschen
Historiker angehört. Nach Gründung der
Münchener Historischen
Kommission (1858) ernannte
ihn König
Max von
Bayern M deren Vorsitzendem. 1834 wurde Ranke
ord.
Professor an der Berliner [* 19] Uni- versität und 1841 Historiograph des preust. ¶
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Staa-617
tes;
erhob ihn der König von Preu- ßen in den erblichen Adelstand.
Seine akademische Thätigkeit schloß er im Herbst 1871, arbeitete aber noch im hohen Greisenalter mit ungeschwächter Kraft [* 21] an der «Weltgeschichte», die er 1880 begann. Am wurde er zum Kanzler des Ordens poul Is n^i'ito, am Tage des 50jäbrigen Jubi- läums seiner Mitgliedschaft der Akademie der Wissenschaften zum Wirkl.
Geheim- rat ernannt. Er starb in Berlin. Tbucydides und Nicbuhr einerseits, die Sckrif- ten Lutbers andererseits hatten seinen durch gründ- liche klassische Studien schon befruchteten Geist zuerst auf geschichtliche Gegenstände gelenkt.
Sein erstes, sofort Aufsehen erregendes Werk, die «Ge- schichte der roman. und german. Volker von 1494 bis 1535» Md. 1, Verl. 1824;
3. Aufl., Lpz.
1885) war im Stil von fremden Vorbildern, namentlich Joh. von Müller, noch stark beeinflußt, zeigt aber schon überraschend den originalen Kern R.s. Er wollte nicht richten und lehren, sondern bloß zeigen, «wie es eigentlich gewesen», und das auf Grund einer strengen Prüfung des Quellenmaterials nach seiner Zuverlässigkeit und Originalität, ein Ver- fahren, dessen Grundsätze er in dem Anbang «Zur Kritik neuerer Geschichtschreiber» praktisch durch die Kritik mehrerer, namentlich ital. Geschichtschreiber (Guicciardini u. s. w.) darlegte.
Diese Quellenkritik war ihm aber nur das Mittel zu einer möglichst leben- digen und bis auf die letzten wirksamen Kräfte zurück- gebenden Auffassung des Gewordenen.
Ein balb philosophisches, halb ästhetisches Interesse leitete ihn dabei;
in seinen frühern Werken überwog das letztere, die Freude an den farbenreichen Begeben- heiten und Persönlichkeiten, die er mit glänzender, oft geradezu dichterischer Kunst wiedergab.
Daneben aber hatte er schon früh (1826) die Absicht, «die Mär der Weltgeschichte aufzufinden», in der univer- salen Verknüpfung der bestimmenden Ereignisse zu- gleich ihren wesentlichen Kern zu ermitteln.
Eine gewisse Verwandtschaft mit der Hegelscken Pbilo- sophie, welche in der Weltgeschichte die Entwicklung des göttlichen Geistes nachweisen wollte, liegt vor, aber von ihrer deduktiven und konstruierenden Art aufs stärkste abgestoßen, vertrat N. immer den in- duktiven Charakter der modernen Wissenschaft, in- dem er stets von dem Besondern ausging, zugleich es aber in seinen allgemeinen Zusammenhängen erfaßte.
Die leitenden Tendenzen der verschiedenen Jahrhunderte, die Ideen, wie er sie gern, fich mit Wilh. von Humboldt berührend, nannte, gewannen dabei in seiner Betrachtung eine immer steigende Bedeutung, so daß in seinen spätern Werken das freie handeln der Persönlichkeit etwas zurücktritt.
Seine vielgerühmte, zuweilen auch als angebliche Gesinnungslosigkeit getadelte Objektivität in der Beurteilung der polit. und kirchlichen Bewegungen der Neuheit, durch die er sich von der gern nach sitt- lichen Maßstäben urteilenden Richtung Schlossers unterschied, hängt damit zusammen.
Jede Epoche, meinte er, habe ihren Wert, ihren eigentümlichen Genius für fich, «vor Gott erscheinen alle Genera- tionen der Menschheit als gleichberechtigt, und so muß auch der Historiker die Sache ansehen» (1854). Darum leugnete er auch einen Fortschritt der Mensch- heit in intellektueller und moralischer Hinsicht.
Mit seiner ästhetischen Freude an der konkreten Persön- lichkeit und Handlung hing es auch zusammen, daß er die poUt.-diplomat.
Geschichte bevorzugte, die Zustände der breitern Volksmassen nur streifte und die Wirtschaftsgeschichte vernachlässigte. Am meisten Kulturgeschichte enthielt wohl sein zweites größeres Werk, die «Fürsten und Völker von Südeuropa im 16. und 17. Jahrh.» (Bd. 1, Verl. 1827; 4. Aufl., Lpz. 1877, u. d. T. «Die Osmanen und die span. Monarchie im 16. und 17. Jahrh.»), zu dem ihm die von ihm zuerst ausgiebig verwerte- ten Relationen der venet.
Gesandten den Stoff ga- ben. Daneben schrieb er auf Grund serb. Volks- lieder und -Überlieferung das packende und plastische Buch über «Die serb. Revolution» (Hamb. 1829; u. d. T. «Serbien [* 22] und die Türkei [* 23] im 19. Jahrh.» völlig umgearbeitet, Lpz. 1879).
Weitere Früchte seines Aufentbalts in Italien
[* 24] (1827-31) waren: «Die Verschwörung gegen Venedig
[* 25] 1618» (Berl.
1831; u. d. T. «Zur venet. Geschichte»,
Lpz. 1878) und «Zur Geschichte der ital.
Poesie» (Vorlesungen, Verl. 1837). Nach seiner Rückkehr unternahm Ranke
mit Savigny und andern Gleichgesinnten eine «Histor.-polit.
Zeit- schrift» (1832-36), in der er gegen den polit.
Libe- ralismus der Iulirevolution Front machte, ohne deswegen in die ertrem feudale Staatsauffassung der Reaktion zu verfallen.
Zugleich begann er jetzt die Reihe seiner eigentlichen Hauptwerke mit «Die rö'm. Päpste, ihre Kirche und ihr Staat im 16. und 17. Jahrh.» (3 Bde., Verl. 1834-37; 9. Aufl. u. d. T. «Die röm. Päpste in den letzten vier Jahr- hunderten», Lpz. 1889), ein Werk, welches in der ganzen Kulturwelt wegen der Unbefangenheit in der Würdigung der welthistor.
Bedeutung des Papsttums und wegen der klaren Scheidung der mannigfach ineinander wirkenden polit. und reli- giösen Momente das allgemeinste Auffehen erregte. Dieselben Vorzüge zeigt fast in noch höherm Grade die «Deutsche [* 26] Geschichte im Zeitalter der Reforma- tion» (6 Bde., Berl. 1839-47; 6. Aufl., Lpz. 1880 -81). Dann folgte das weniger günstig aufgenom- mene, aber auch an neuen Auffassungen reiche Werk «Neun Bücher preuß. Geschichte» (3 Bde., Verl. 1847-48; neue, durch eine große Einleitung über die Genesis des prcuß. Staates vermehrte Aufl. u. d. T. «Zwölf Bücher preuß. Geschichte», 5 Bde., Lpz. 1874; vcrmebrt 1878-79).
Sodann wandte er sich wieder, von feinem Lieblingsgedanken, der Ein- heit der roman.-german. Kulturentwicklung geleitet, feinem frühern Studiengebiete zu mit der «Franz. Geschichte, vornehmlich im 16. und 17. Jahrh.» (5 Bde., Etuttg. 1852 - 61; 4. Aufl., 6 Bde., Lpz. 1876-77),
der sich die «Engl. Geschichte im 16. und 17. Jahrh.» (Bd. 1-6, Verl. und Lpz. 1859 -67; 3. Aufl., 9 Bde., Lpz. 1877-79) anschloß. Diese wie die folgenden Werke, durchweg meister- haft durch den weiten Blick, die Kunst der Darstel- lung und die Behendigkeit und Sicherheit der kriti- schen Forschung, haben gegenüber den frühern einen etwas kühlern und abstraktcrn Charakter. zu den lebendigsten gehören noch: «Zur deutschen Geschichte. Vom Rcligionsfrieden bis zum Dreißigjährigen Kriege» (Lpz. 1868; 3. Aufl. 1888) u^ die durch geniale Intuition hervorragende «Geschichte Wal- lensteins» (ebd. 1869; 4. Aufl. 1880).
Weitere Werke R.s sind: «Der Ursprung des Siebenjährigen Krie- ges» (Lpz. 1871),
«Die deutschen Müchteund der Fürstenbund. Deutsche Geschichte von 1780 bis 1790» (2 Bde., ebd. 1872; 2. Aufl., ebd. 1875), «Abhandlungen und Versuche» (ebd. 1872; 2. Aufl., ebd. 1877; Neue Sammlung, hg. von Dove und ¶