Raketen
[* 1] (vom ital. rocchetta, d. h. Spindel) oder Steigfeuer, Feuerwerkskörper, die in der Lustfeuerwerkerei wie im Signalwesen, Rettungswesen und besonders als Kriegsmittel Bedeutung haben. Die Raketen haben als Hauptteil eine cylindrische Hülse von starkem Papier oder Eisenblech, die mit einem raschen Treibsatz derart angefüllt ist, daß innerhalb des Satzes eine an einem Ende offene Höhlung, die Seele, bleibt. An dem der Öffnung entgegengesetzten Ende ist die Seele durch ein Stück massiven Satzes, die sog. Zehrung, geschlossen. Die Hülse ist so stark, daß sie der Kraft der Gase widersteht. Bei der Entzündung fängt der Satz auf den Seitenwänden der Seele und der innern Fläche der Zehrung Feuer und brennt unter starker Gasentwicklung allmählich ab. Die Rakete bewegt sich infolge des auf die Zehrung wirkenden einseitigen
Gasdrucks in entsprechender Richtung mit wachsender Geschwindigkeit fort. Die Brennfläche des Satzes ergiebt von Anfang an die zum Steigen nötige Gasmenge. Ein an der Hülse befestigter langer hölzerner Stab sichert die pfeilartige Bewegung. Am vordern Ende erhält die Hülse zum bessern Durchschneiden der Luft eine Spitze. Raketen zu Feuerwerkszwecken läßt man möglichst senkrecht aufsteigen; ihre Wirkung beruht entweder nur auf dem langen Funkenstrahl des Treibsatzes (woran sich beim Erlöschen des letztern häufig noch der Knall einer vor der Zehrung angebrachten kleinen Pulverladung reiht), oder außerdem noch auf der Zugabe (Versetzung) einfacher Feuerwerkskörper, die sie auf der größten Steigböhe brennend auswirft.
Beliebte Versetzungen sind Schwärmer sowie Leuchtkugeln, die in einer Haube am vordern Ende der Hülse untergebracht und von der Rakete im höchsten Punkte ihrer Bahn in Brand gesetzt und ausgestoßen werden. Man spricht demnach von Schwärmer- und von Leuchtraketen. Fallschirmraketen haben als Versetzung eine sehr helle und längere Zeit leuchtende Flamme, oberhalb welcher sich beim Ausstoßen ein aus Seidentaffet bestehender Schirm ausbreitet und die Flamme schwebend erhält.
Die Signalraketen, den Raketen der Lustfeuerwerkerei ziemlich ähnlich, geben im höchsten Punkte ihrer Bahn ein weithin wahrnehmbares Signal durch Knall oder durch ein farbiges Licht. Die Kriegsraketen (Brandraketen) sind Träger eines Geschosses und vermögen damit eine dem Geschütz ähnliche Wirkung auszuüben. Das Geschoß
ist entweder ein gewöhnliches Artilleriegeschoß (Granate, Shrapnel, Kartätsche), oder ein besonders dem Zweck der Rakete dienendes Spreng-, Brand- oder Leuchtgeschoß, in diesem Fall als Spreng-, Brand- oder Leuchthaube bezeichnet. Die Kriegsraketen baben einen sehr starken, gewöhnlich aus verdichtetem Kornpulver bestebenden Treibsatz und eine Hülse aus Eisenblech; der Stab ist entweder seitlicb oder in der Achse der Hülse angebracht, die Verbindung geschieht in letzterm Falle mittels einer Stabgabel (s. beistehende Abbildung).
Giebt man den Zinken der letztern eine schräge Stellung, so fungiert die Rakete als Rotationsrakete. Letztere haben auch statt des Stabes am hintern Ende ein eisernes Gegengewicht, den Konduktor; in demselben befinden sich gewundene Kanäle, durch welche die Gase ausströmen und so die Achsendrehung der Raketen erzeugen. Die Kriegsraketen werden je nach ihrem Zwecke und der Entfernung, auf die sie wirken sollen, unter verschiedenen Erhöhungen abgefeuert, und man bedient sich zur Ermöglichung desselben eines gewöhnlich dreibeinigen Raketengestells.
Über Gewehrraketen s. d.; über den Gebrauch der Raketen im Rettungswesen an den Seeküsten s. Raketenapparat.
Die Rakete stammt aus dem Orient und war dort bereits im 9. Jahrh. n. Chr. bekannt. Von da verbreitete sich ihre Kenntnis auch in das Abendland. Durch das Aufkommen der Feuerwaffen geriet sie hier beinahe in Vergessenheit, bis die Engländer bei ihren Kämpfen in Ostindien im 18. Jahrh. die Brandraketen als Kampfmittel in den Händen der Eingeborenen kennen lernten. Der ind. Fürst Haidar-Ali hatte 1760 ein Korps von 1200 Raketen.
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werfern, welches sein Sohn Tipu Sahib auf 5000 Mann vermehrte. Besonders bediente sich letzterer desselben bei der Belagerung von Seringapatam 1799. Dies wurde Veranlassung zur Ausbildung der Kriegsraketen in Europa. Den ersten Anstoß gab der engl. General W. Congreve (s. d.) 1804. Die Verwendung der Raketen als Geschoßträger regte der dän. Hauptmann Schuhmacher an (nach der Beschießung von Kopenhagen durch die Engländer 1807, wobei auch Brandraketen zur Anwendung gekommen waren).
Sein Gedanke wurde besonders durch die Engländer und Österreicher ausgebeutet und später auch von andern Artillerien aufgenommen. Der Nordamerikaner William Hale erfand 1846 die Rotationsrakete ohne Stab, die späterhin in der österr. Artillerie Annahme fand. Man benutzte die Kriegsrakete sowohl im Feld- und Gebirgs- als im Festungskriege. Zu ersterm Zweck organisierte man Raketenbatterien, ähnlich den Feldbatterien. Besonders erfolgreich war die Anwendung der Kriegsraketen seitens der Österreicher in dem Feldzuge in Italien und Ungarn 1848 und 1849. Im Festungskrieg gebrauchte man hauptsächlich die Spreng- und Leuchtraketen.
Besondere Vorteile bieten die Raketen im Hochgebirge, da man zu ihrem Transport der Fahrzeuge ganz entbehren kann und das Raketengestell sich überall mit Leichtigkeit aufstellen läßt. Die Schattenseiten der Raketen als Kampfmittel liegen namentlich in der Unsicherheit ihrer Flugbabn und in ihrem Mangel an Durchschlagskraft. Durch die gezogenen Geschütze traten die Kriegsraketen mehr und mehr in den Hintergrund und kommen nur noch im Gebirgskrieg und als Leuchtraketen im Festungskrieg vor.