Ragnarök
(nord.), s. Götterdämmerung.
Ragnarök
4 Wörter, 41 Zeichen
Ragnarök
(nord.), s. Götterdämmerung.
(Ragnarök), in der nordischen Mythologie der Weltuntergang, herbeigeführt durch eine hereinbrechende allgemeine Verwilderung. Diese Zeit kündigt sich an durch drei Jahre, die mit schweren Kriegen erfüllt sind; Brüder bringen sich aus Habgier ums Leben, und in Mord und Sippebruch schont der Vater nicht des Sohns, der Sohn nicht des Vaters. Dann kommt der Fimbulwinter, der drei Jahre dauert, ohne Sommer dazwischen. Sonne [* 3] und Mond [* 4] werden von den Wölfen verschlungen, die sie immer schon im (heulenden) Wettersturm zu verfolgen schienen; die Sterne fallen vom Himmel, [* 5] die Erde bebt, die Bäume werden entwurzelt, die Berge stürzen zusammen, das Meer überflutet das Land. Der grimme Fenriswolf (s. Loke), bis dahin gefesselt, zerreißt seine Bande und fährt mit klaffendem Rachen daher, aus Augen und Nase [* 6] Feuer sprühend; sein Oberkiefer berührt den Himmel, sein Unterkiefer die Erde.
Auch das große, aus den Nägeln der Toten gefertigte Schiff [* 7] Naglfar, gesteuert von Hrim, dem Anführer der Reifriesen, wird bei der Überschwemmung flott, und die Midgardschlange (s. Jormungandr), von Riesenwut ergriffen, erhebt sich aus dem Meer und speit Gift aus, daß Luft und Meer entzündet werden. Da birst der Himmel; herangeritten kommen von Süden die Söhne Muspels, die Götter der Flammenwelt, Surtr an der Spitze, vor und hinter ihnen glühendes Feuer. Die Brücke [* 8] Bifröst bricht, indem sie darüberreiten.
Das gesamte Heer der Götterfeinde sammelt sich auf der Ebene Wigrid, wo auch Loke nebst Hels ganzem Gefolge erscheint. Von Heimdall durch einen Stoß in das Giallarhorn geweckt und zum Kampf aufgerufen, versammeln sich die Götter und halten Rat. Dann zieht Odin mit allen Asen und Einheriern nach der Ebene Wigrid, wo nun sechs große Einzelkämpfe stattfinden: der Kampf Odins gegen den Fenriswolf, der jenen verschlingt;
der Kampf Thors gegen die Midgardschlange, die jener erlegt, während er selbst von dem Gifte, das sie auf ihn speit, tot zur Erde fällt;
der Kampf Freyrs gegen Surtr, in welchem ersterer erliegt;
der Heimdalls gegen Loke, die sich beide töten;
der Kampf Tyrs mit dem Riesenhund Garm, in welchem beide fallen, und der Widars (Sohn Odins), welcher ¶
dem Fenriswolf den Rachen entzweireißt. Zuletzt schleudert Surtr Feuer über die Erde, und die ganze Welt verbrennt. Nach dem Weltbrand aber taucht eine neue, schönere Erde auf, auf der das Korn ungesäet wächst, ein verjüngtes und geläutertes Göttergeschlecht entsteht; auch die Menschen erstehen wieder, und die Zeit des Friedens und der Unschuld erneuert sich. Nicht aber die Asen, sondern ein höherer, ungenannter Gott führt jetzt das Regiment der Welt.
Die Vorstellung eines möglicherweise eintretenden Weltunterganges zieht sich wie durch das germanische Heidentum noch durch das ganze Mittelalter und wurde immer wieder genährt durch besonders gewaltige Gewitter, wie die alten Chroniken bei Schilderung solcher zeigen (es war, als sollte »die Welt untergehen«). Aus Gewitteranschauungen hat sich auch die oben dargestellte nordische Vorstellung entwickelt. Ähnliche Bilder spiegeln sich ab in deutschen Sagen von einer sogen. letzten Schlacht unter allerhand mythischen Wahrzeichen (nicht bloß in Süddeutschland beim Unterberg, sondern auch in Holstein zu Nortorf, ja auch in der Mark Brandenburg). [* 10]
Vgl. Lehmann, Die Götterdämmerung (Königsb. 1881).