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South-Kensington-Museum in London [* 3] (früher in Hampton-Court; im Anfang des 19. Jahrh. gestochen von Th. Holloway). Für den Altar [* 4] komponierte er eine Krönung Mariä, die gleichfalls in Flandern gewebt wurde. Die ganze Folge der Tapeten, die zuerst am Stephanstage in der Sixtinischen Kapelle an den Wänden prangten, ist seit 1814 in einem besondern Zimmer (Galleria degli Arazzi) des Vatikans aufgehängt. Wiederholungen der Teppiche befinden sich unter anderm in den Museen zu Berlin [* 5] (1844 angekauft; das zehnte Stück: Paulus im Gefängnis, fehlt) und in Dresden [* 6] (seit 1723, jedoch nur 6 Stück).
Außer diesen monumentalen
Arbeiten für die Päpste übernahm N. auch solche für Privatpersonen. Agostino
Chigi, der
Bankier des Papstes Julius II., hatte in zwei
Kirchen
Roms Kapellen bauen lassen und deren künstlerische Ausschmückung
Raffael Santi
übertragen. In der einen, der von Sta. Maria della Pace, malte Raffael Santi
1514 die
Gestalten der vier Sibyllen (die persische, phrygische, von Cumä, von
Tibur), in
Bezug auf Schönheit
der Linien eine seiner größten Leistungen. In Sta. Maria del Popolo, der andern
Kirche, aber gab er selbst die
Architektur
der Kapelle an und fertigte die
Entwürfe zu den Gemälden in der
Kuppel, die die Erschaffung der sieben
Planeten
[* 7] darstellen
und von Aloisio della Pace 1516 in Mosaik ausgeführt wurden. Um dieselbe Zeit führte er (1514) in der
Villa desselben Kunstfreundes, der sog. Farnesina (s. d.),
in dem kleinern Hallenraum ein Wandbild:
Triumph der Galatea (gestochen von Richomme, 1820) aus und schuf (1518–20) für
die
Decke
[* 8] der Haupthalle dieses
Gebäudes die
Entwürfe von 12 reizenden
Darstellungen aus der Erzählung
von
Amor und
Psyche (in
Photographien mit
Text von C. F. Waagen bei der
Photographischen Gesellschaft in
Berlin), von seinen
Schülern
G.
Romano und
Franc. Penni ausgeführt.
Unter R.s Tafelbildern nehmen die Madonnenbilder den ersten Rang ein. (Vgl.
Gruyer, Les Vierges de Raffael Santi
et l’iconographie
de la Vierge, 3 Bde., Par.
1869.) Wenn auch von einzelnen der erhaltenen Gemälde nicht sicher ist, ob sie wirklich von R.s
Hand
[* 9] herrühren, so bleibt
doch die
Thatsache bestehen, daß kein
Maler vor ihm noch nach ihm so vielmals und in so anmutiger, tiefsinniger, künstlerisch
vollendeter
Weise die heil.
Jungfrau und ihr Verhältnis zum Jesuskinde, das Ideal reinster Mutterliebe,
dargestellt hat.
Die frühesten Madonnenbilder sind: die sog. Madonna Solly (etwa 1502; Museum in Berlin), eine Madonna zwischen dem heil. Hieronymus und Franziskus (ebd.), die für Perugia gemalte Madonna Connestabile (um 1503; Eremitage in Petersburg); [* 10] ebenso wie diese erinnern auch die in Florenz [* 11] (um 1504) entstandenen Gemälde: Madonna del Granduca (Palast Pitti in Florenz), Madonna della Casa Diotalevi (Museum in Berlin) sowie das Rundbild der sog. Madonna des Herzogs von Terranuova (ebd.) noch an seine Lehrzeit bei Perugino.
Als Gastgeschenk für Taddeo Taddei in Florenz malte er zwei Madonnenbilder, vermutlich die Madonna im Grünen (im Hofmuseum zu Wien) [* 12] und die sog. Madonna mit der Fächerpalme (im Besitz des Lord Ellesmere in London); bei beiden (um 1506) sieht man die Einflüsse Peruginos und Leonardos sich verschmelzen. Dieselbe Komposition wiederholt sich in der Madonna del Cardellino, d. i. mit dem Stieglitz (Uffizien zu Florenz), und in La belle Jardinière (Louvre zu Paris; [* 13] Stich von Desnoyers, danach Heliogravüre 1894). Die sog. Heilige Familie aus dem Hause Canigiani (Alte Pinakothek in München) [* 14] ist ein symmetrisch komponiertes Gruppenbild, aus dessen obern Ecken einst, vor einer sog. Restauration, Engelchen herabblickten.
Indessen zeigen die meisten dieser
Kompositionen noch kein rechtes Verhältnis der
Mutter zu dem
Kinde;
Maria liest andächtig in einem
Buche oder hält dasselbe in
Händen. In der
Madonna aus dem Hause Colonna (Museum in
Berlin)
ist es schon die
Mutter, die sich im
Lesen unterbricht dem
Kinde zu Liebe, das nach ihrer Zärtlichkeit verlangt. In der
Madonna
Tempi
(Münchener
Pinakothek) aber bricht die Mutterliebe mit aller Innigkeit hervor; sie herzt das
Kind und drückt es
an sich.
Dieses Motiv tritt jetzt, von Raffael Santi
vielfach variiert, in den Vordergrund; man findet es in der
Madonna Niccolini (1508; im
Besitz
des Lord Cowper in England), der
Bridgewater-Madonna (1512;
London,
Bridgewater-House) u. a. Ein anderes
öfters von Raffael Santi
behandeltes Motiv tritt während seiner röm.
Periode in der Vierge au diadème (im Louvre zu
Paris) auf: Maria
hebt den Schleier, um das schlafende Jesuskind dem kleinen
Johannes zu zeigen.
Dieses Bild sowie die Madonna Alba [* 15] (Eremitage zu Petersburg) und Madonna Aldobrandini (Nationalgalerie in London) bereiten den Übergang zu einem ungleich großartigern Stil vor, der zum erstenmal in der verklärten Erscheinung der thronenden Gottesmutter mit Heiligen, der Madonna di Foligno (1511) deutlich hervortritt. Letzteres Gemälde befand sich ursprünglich auf dem Hochaltar der Kirche Sta. Maria in Aracoeli auf dem Kapitol, kam dann nach Sta. Anna delle Contesse in Foligno und ist jetzt in der Gemäldegalerie im Vatikan [* 16] (Radierung von J. L. Raab). [* 17]
Auch die
Madonna del Pesce,
d. i. mit dem Fisch, ursprünglich für die Dominikanerkirche zu Neapel
[* 18] gemalt, jetzt im
Prado-Museum
zu Madrid,
[* 19] ist ein solches Gnadenbild. Mehr Familienbilder sind wieder die
Madonna della Tenda
(Pinakothek
in
München; gute
Kopie in der
Turiner
Pinakothek), die
Madonna col divino amore (Nationalmuseum in Neapel) und die
Madonna dell’impannata,
d. i. mit dem Tuchfenster
(Palast Pitti in
Florenz). Auch die von Raffael Santi
entworfene, von
Schülern ausgeführte sog.
Große
heilige Familie
(1518; im Louvre) sowie die sog. La Perla (1518 für den
Herzog von Mantua
[* 20] gemalt, jetzt im
Prado-Museum
zu Madrid) zeigen gemütvolle Familienscenen, während in der berühmten
Madonna della Sedia
(Palast Pitti in
Florenz; gestochen
u. a. von Raffael Santi
Morghen [1793], von J. G. von
Müller [1804] von
Mandel [1865] und von
Burger [1882]) der reinste
Ausdruck der Mütterlichkeit und Liebe zur Geltung kommt.
Als die
Krone R.scher Madonnenbilder, ja der Malerei steht die
Madonna di
San Sisto oder
Sixtinische Madonna da: Maria, das Jesuskind
im
Arm, auf
Wolken schwebend, nebst dem heil.
Sixtus (II.) und der heil.
Barbara, die höchste Verklärung der
Jungfrau als
Himmelskönigin,
von unaussprechlicher Schönheit und Hoheit der Erscheinung. Das 2,65 m hohe, 1,96 m breite
Bild, von Raffael Santi
wahrscheinlich 1515 für
die Klosterkirche der
Benediktiner in
Piacenza gemalt, wurde 1753 für 60000 Thlr. vom sächs.
Hofe angekauft und ist jetzt
das Juwel der
Dresdener
Galerie. (Hierzu die beiden
Tafeln:
Sixtinische Madonna, Mittelbild und
¶
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Gesamtbild.) In Kupferstich wurde die Sixtina reproduziert u. a. von Fr. Müller (1815), M. Steinla (1847), Jos. Keller (1871),
Ed. Mandel (1880), Kohlschein (1894); das Brustbild in Radierung von Unger (1893); in Heliogravüre bei Hanfstängl in München
und der Photographischen Gesellschaft in Berlin. An die Madonnenbilder R.s schließen sich seine sonstigen
Tafelbilder aus der biblischen und Heiligengeschichte. Für die Kirche San Francesco in Città di Castello malte Raffael Santi
bereits 1504 das
sog. Sposalizio, d. i. Vermählung der Maria mit Joseph (dort bis 1798, jetzt in der Brera zu Mailand;
[* 22] gestochen von Raffael Santi
Stang,
1873). Eine wunderbare Verherrlichung der Musik, zugleich ein Meisterstück von Komposition und Farbenharmonie,
ist die heil. Cäcilia, von vier Heiligen (Apostel Paulus, Magdalena, Johannes der Evangelist, heil. Geminianus) umgeben (1513
im Austrag des Kardinals Lor. Pucci für San Giovanni in Monte zu Bologna gemalt, bis 1796 dort, 1796–1815 in Paris, seitdem
in der Akademie zu Bologna; gestochen von Kohlschein, 1879). Die Vision des Ezechiel (etwa 1515; im Palast
Pitti zu Florenz) ist miniaturartig fein ausgeführt und bewundernswert durch die Größe der Erscheinung in so kleinem Raume.
Für die Kirche Sta. Maria dello Spasimo in Palermo [* 23] malte er 1517 die berühmte Kreuztragung Christi, genannt Lo spasimo di Sicilia, die 1661 an Philipp IV. nach Spanien [* 24] kam und sich jetzt im Prado-Museum zu Madrid befindet; daselbst auch noch eine große Heimsuchung Maria und die sog. Heilige Familie unter der Eiche. Aus dem J.1518 stammt das für Franz I. von Frankreich gemalte Bild: Der heil. Michael, wie er herabfahrend den unter seiner Übermacht sich krümmenden Satan mit der Lanze durchbohrt.
Die Transfiguration, d. i. die Verklärung Christi auf dem Berge Tabor, gemalt 1519–20 für den Kardinal Giulio de’Medici,
den spätern Papst Clemens VII. (bis 1797 in San Pietro in Montorio zu Rom,
[* 25] jetzt in der Vatikanischen Gemäldegalerie; Kupferstich
von Raffael Santi
und A. Morghen), beschließt die Reihe der Tafelbilder, wie die Thätigkeit des Malers überhaupt.
Die untere, bei seinem Tode unvollendete Hälfte (die Jünger mit dem mondsüchtigen Knaben) führte G. Romano zu Ende. Anzureihen
wäre hier endlich noch ein Jugendwerk: Die Vision eines jungen Ritters (London, Nationalgalerie).
Daß auch Porträte
[* 26] lebenswahr und in großartiger Weise darzustellen wußte, beweisen schon seine größern
Kompositionen, in denen er häufig Porträtfiguren seiner Zeitgenossen, insbesondere seiner Auftraggeber, anzubringen
liebte. Aber auch seine Einzelbildnisse sind hervorragende Leistungen. (Vgl. Gruyer, Raffael Santi
, peintre de portraits; 2 Bde.,
Par. 1881.) Noch aus der Florentiner
[* 27] Periode datieren das Bildnis seines Freundes Angiolo Doni und der Gattin
desselben Maddalena Strozzi-Doni (beide um 1505, im Palast Pitti zu Florenz) sowie das Selbstbildnis des Künstlers (in den
Uffizien daselbst). In die Zeit seiner Wirksamkeit zu Rom fallen dann das Bildnis des greisen Papstes Julius II., im Lehnstuhl
sitzend (im Palast Pitti und in den Uffizien zu Florenz, streitig, welches von beiden das Original; gute
Kopie in der Nationalgalerie zu London), das merkwürdige Bildnis des Humanisten Kardinals Tommaso Inghirami (im Palast Inghirami
zu Volterra und im Palast Pitti, zu Florenz), das Brustbild eines jungen Mannes, wahrscheinlich das des Bindo Altoviti (früber
für ein Selbstbildnis R.s gehalten; in der
Münchener Pinakothek), das Doppelporträt des Beazzano und
des Navagero (Galerie Doria in Rom), endlich, als das beste, das Gruppenbild: Papst Leo X. mit den Kardinälen Giulio de’Medici
und de Rossi (im Palast Pitti zu Florenz; vorzügliche Kopie von A. del Sarto, 1524, im Nationalmuseum zu Neapel).
Auch als Architekt und Bildhauer hat sich Raffael Santi
versucht. So entwarf er einen neuen Plan zur Peterskirche
und ließ ein Modell derselben anfertigen, das allgemeine Bewunderung erregte. Es kam jedoch nur eine Verstärkung
[* 28] der von
Bramante angelegten vier Pfeiler, welche die Kuppel tragen sollten, zur Ausführung, und der Plan erlitt später
eine gänzliche Umänderung. (Vgl. die Schriften von Pontani, Rom 1848, und Geymüller, Mail. 1884.) Als plastisches Bildwerk
von seiner Hand gilt ein toter Knabe auf einem Delphin, das, in Marmor ausgeführt, in der Eremitage zu Petersburg steht.
Zur Grundlage aller Lebensbeschreibungen R.s dient diejenige, welche Vasari (s. d.) in seinem Werke über
die ital. Künstler gegeben. G. della Valle und Bottari haben dieselbe in neuern Ausgaben durch Noten ergänzt. Verdienstvolle
Untersuchungen über die Herkunft und Jugendgeschichte R.s enthält Pungileonis Elogio storico di Giovanni Santi
(Urbino 1822).
Im biogr. Teil antiquiert, aber wegen des kritischen Verzeichnisses von R.s Werken noch immer unentbehrlich
ist das Werk von Passavant: Raffael Santi
von Urbino und sein Vater Giovanni Santi
(Bd. 1 u. 2, nebst Atlas,
[* 29] Lpz. 1839; Bd. 3, ebd.
1858; franz. Ausg. von Lacroix, 2 Bde.,
Par. 1860).
Vgl. ferner H. Grimm, Das Leben R.s, von Vasari; Übersetzung und Kommentar (Bd. 1, Berl. 1872; 2., das Werk abschließende Aufl. 1886);
A. Springer, Raffael Santi
und Michelangelo (2. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1883);
E. Müntz, Raffael Santi
, sa vie, son œuvre et son temps (2. Aufl., Par. 1885);
ders., Les historiens et les critiques de
Raffael
Santi 1483–1883 (ebd. 1883);
Crowe und Cavalcaselle, Raffael Santi, his life and works (2 Bde., Lond. 1882–85; deutsch Lpz. 1883–85);
Minghetti, Raffaello (Bologna 1885; deutsch Bresl. 1887);
K. von Lützow, R.s Bildungs- und Entwicklungsgang (Wien 1890);
W. von Seidlitz, R.s Jugendwerke (Münch. 1891);
die Werke von Morelli (s. d.).
R.s Handzeichnungen wurden von Braun in Dornach in photogr. Faksimiles herausgegeben, in welchem Verlage auch die meisten Gemälde R.s in vorzüglichen Kohledruckphotographien erschienen.