Rabe
(Corvus L.), Gattung aus der Ordnung der Sperlingsvögel [* 2] und der Familie der Raben (Corvidae), mittelgroße, kräftig gebaute Vögel [* 3] mit gestrecktem Leib, kräftigem, mittellangem, am Grund breitem, auf der Firste gekrümmtem oder mehr oder weniger geradem, an der Spitze ganzrandigen Schnabel, langen, spitzen Flügeln, in welchen die dritte und vierte Schwinge am längsten sind, mittellangem, geradem oder leicht gerundetem Schwanz und kräftigen Füßen.
Der Edelrabe
(Kolkrabe,
[* 4]
Corvus corax
L.) ist 64
cm lang, 125
cm breit, gleichmäßig schwarz, mit braunen
Augen, findet sich in
ganz
Europa,
[* 5] dem größten Teil
Asiens und in
Nordamerika
[* 6] in unbewohnten Gegenden, in
Gebirgen, Wäldern und an
Küsten, nur in
Rußland und
Sibirien auch in Dörfern und
Städten. Er lebt paarweise, fliegt trefflich, schreitet mit
lächerlicher
Würde, ist äußerst scheu und vorsichtig und wird von den Verwandten gehaßt und verfolgt. Er nährt sich
von allerlei Pflanzenstoffen, jagt kleinere und größere
Tiere, selbst
Hasen,
Auerhühner, junge
Gänse,
Enten,
[* 7]
Hühner,
[* 8] frißt
auch allerlei
Abfälle und
Aas, plündert die
Nester und richtet bedeutenden
Schaden an. Er horstet im ersten
Frühjahr auf
Felsen oder hohen
Bäumen, legt 5-6 grünlichblaue, grün u. grau gefleckte
Eier
[* 9] (s. Tafel
»Eier I«) und verläßt
die
Jungen nie.
In der Gefangenschaft wird er sehr zahm und zeigt sich als einen der klügsten Vögel; er läßt sich abrichten wie ein Hund, lernt prächtig sprechen, begeht aber allerlei Unfug, stiehlt, beißt und kann Kindern gefährlich werden. Zwei Krähen, die Rabenkrähe (C. corone L.) und die Nebelkrähe (C. cornix L.), sind gerupft schwerlich voneinander zu unterscheiden, paaren sich nicht selten untereinander und sind deshalb vielfach als klimatische Ausartungen derselben Art betrachtet worden.
Die erstere ist schwarz, veilchen- oder purpurfarben schillernd, mit braunen Augen; die Nebelkrähe ist aschgrau, mit schwarzem Kopf, Vorderhals, Schwanz und Flügeln; beide sind 47-50 cm lang, 100-105 cm breit. Die Nebelkrähe findet sich in Nordeuropa, Norddeutschland, Rußland, Galizien, Ungarn, [* 10] Steiermark, [* 11] Süditalien, [* 12] Griechenland, [* 13] Ägypten [* 14] und Mittelasien bis Japan, [* 15] die Rabenkrähe in Mittel- und Süddeutschland, Frankreich, Sibirien, regelmäßig da, wo die Nebelkrähe nicht auftritt; beide sind Stand- oder höchstens Strichvögel, leben paarweise, besonders in Feldgehölzen, aber auch in unmittelbarer Nähe des Menschen und in Wäldern; sie sind höchst gesellig, leiblich wie geistig begabt, gleichen darin wie auch in der Lebensweise dem Kolkraben, sind aber, da sie sich fast ausschließlich auf niedere Beute beschränken, überwiegend nützlich, wenn sie auch Vogelnester plündern und reifendes Getreide, [* 16] besonders Gerste, [* 17] brandschatzen.
Sie verfolgen die Raubvögel [* 18] mit großem Geschrei. Sie nisten auf hohen Bäumen, legen im April 3-5, selten 6 blaugrünliche, dunkel gefleckte Eier und pflegen und verteidigen die Jungen sehr eifrig. Die Bastarde zeigen große Verschiedenheit in der Färbung, aber die Nachkommen der Bastarde sollen wieder in die Hauptarten zurückschlagen. In der Gefangenschaft lernen sie sprechen, machen sich aber durch ihren Geruch und durch allerlei Unfug lästig. Der Haß der Krähen gegen den Uhu und andre Eulen [* 19] wird ihnen vor der »Krähenhütte« verderblich. An vielen Orten werden die Krähen gegessen.
Die Saat- oder Feldkrähe (C. frugilegus L.), 47-50 cm lang, 96-102 cm breit, schlanker als die vorigen, mit sehr gestrecktem Schnabel, langen Flügeln, stark abgerundetem Schwanz, ist gleichmäßig purpurblauschwarz. Sie bewohnt die Ebenen Mitteleuropas und Sibiriens, wandert bis Nordafrika, ist furchtsamer und harmloser als die übrigen, lebt sehr gesellig, auch mit andern Vögeln, und macht sich durch Vertilgung von Mäusen, Insekten, [* 20] Schnecken [* 21] sehr nützlich, wogegen der Schade, den sie durch Auflesen von Getreidekörnern und Stehlen von Früchten anrichtet, wenig in Betracht ¶
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kommt. Sie bildet große Brutansiedelungen, legt 4-5 blaßgrüne, grau und braun gefleckte Eier und wird durch Beschmutzung des Bodens und entsetzlichen Lärm lästig, läßt sich auch so leicht nicht vertreiben. Die Dohle (Turmkrähe, C. monedula L., Monedula turrium Brehm), 33 cm lang, 65 cm breit, hat einen kurzen, starken, oben etwas gebogenen Schnabel, ist schwarz, am Hinterkopf und Nacken aschgrau, auf der Unterseite schiefer- oder grauschwarz; die Augen sind silberweiß, der Schnabel und die Füße sind schwarz.
Sie findet sich in fast ganz Europa, auch in vielen Ländern Asiens, besonders häufig in Rußland und Sibirien, fehlt aber in manchen Gegenden gänzlich, bewohnt bei uns Feldgehölze und die Türme der Städte, lebt sehr gesellig, fliegt vortrefflich, nährt sich wie die vorige, frißt auch Getreidekörner, junges Getreide, Früchte etc., ist aber immer überwiegend nützlich. Sie wandert, wie die Saatkrähe, überwintert aber auch zum Teil in Deutschland, [* 23] besonders in den Seestädten, nistet gesellig in Mauerlöchern und legt 4-6 blaß blaugrünliche, dunkelgrün getüpfelte Eier (s. Tafel »Eier I«). In der Gefangenschaft ist sie sehr liebenswürdig und lernt auch leicht sprechen. -
Der Rabe
war bei den Alten der weise, prophetische Vogel und als solcher dem Apollon
[* 24] heilig. Zwei Raben (Hugin und Munin) sitzen
auf Odins Schultern, fliegen jeden Tag aus, um die Zeit zu erforschen, und sind das Symbol der Allwissenheit
Odins. Für die Augurien der Römer
[* 25] hatte kein Vogel eine gleich ominöse Bedeutung. Der Rabe
personifizierte auch den Schatten
[* 26] eines Toten, daher wird in Indien noch heute ein Teil der Mahlzeit für die Raben übriggelassen, daher der
griechische Fluch: »Zu den Raben!«, und ist noch heute der Rabe
weitverbreitet in eminentem Sinn der Unglücksvogel.
Die Wikinger führten auf ihren Fahrten stets mehrere Raben mit sich und ließen sie von Zeit zu Zeit fliegen, um zu sehen,
ob die Tiere Land fanden. So ward Grönland entdeckt. Ähnlich erscheint der Rabe
sehr oft z. B. bei Alexander
d. Gr. als weisender Vogel. Die Normannen trugen auf ihren Raub- und Mordzügen den Raben als Feldzeichen vor sich her, und auch
die englischen Templer setzten ihn mit einem Totenschädel in den Klauen in das Schlachtenbanner. Endlich repräsentierte der
auch den Winter und den Regengott.