Quecksilbe
rvergiftung,
Merkurialismus,
Hydrargyriasis,
Hydrargyrose oder Hydrargyrismus, die durch Einverleibung einer
größern Menge von
Quecksilber hervorgerufenen Vergiftungssymptome. Man unterscheidet nach der Schnelligkeit
und Intensität der Quecksilbe
rwirkung die akute und chronische Quecksilbervergiftung
,
nach der Art der Einverleibung
die technische und die medizinale Quecksilbe
rvergiftung. Von einer technischen Quecksilbervergiftung
(gewerblichem
Merkurialismus) spricht man in allen Fällen, in denen
Arbeiter in ihrem
Beruf andauernd
Quecksilber oder
Quecksilberverbindungen
als feinen
Staub oder
Dampf
[* 2] einatmen und mehr oder minder schwere Vergiftungserscheinungen darbieten. Am
meisten gefährdet sind in dieser
Beziehung die
Arbeiter in Quecksilbe
rbergwerken und
Hüttenwerken, die Spiegelbeleger, Vergolder,
Barometer- und Thermometerfabrikanten, in geringerm
Grade die Hutmacher, die sich bei der Filzbereitung des salpetersauren
Quecksilberoxyds bedienen, die Bronceure, Pelzarbeiter und Zündhütchenverfertiger. Die medizinale Quecksilbe
rvergiftung erfolgt,
wenn vom
Arzte zu große Dosen der verschiedenen
Quecksilbermittel (s. d.) auf einmal oder während längerer Zeit in Form
von Einreibungen, Einspritzungen, bei der
Desinfektion
[* 3] von Wunden oder innerlich verabreicht werden.
Die
Symptome der akuten Quecksilbervergiftung
, die am häufigsten durch
Sublimat und zwar ebenso häufig bei innerlicher wie bei äußerlicher
Anwendung als Verbandwasser, selten durch andere
Quecksilberverbindungen veranlaßt werden, sind die einer
überaus heftigen Magendarmentzündung; intensive
Schmerzen in Mund,
Speiseröhre und
Bauch,
[* 4] heftiges
Erbrechen, anhaltende Diarrhöe
mit blutigen, ruhrähnlichen
Stühlen,
Harnverhaltung und rascher Kräfteverfall. Der Verlauf ist meist ein sehr rapider, oft
tritt der
Tod schon nach wenigen
Stunden ein. Die Behandlung der akuten Quecksilbervergiftung
besteht in der möglichst schnellen
Entfernung des eingeführten
Giftes durch die
Magenpumpe oder durch subkutane
Injektionen von
Apomorphin sowie in dem Genuß
von einhüllenden und reizmildernden
Stoffen
(Milch, Eiern, Eiweißlösungen): als Gegengift wird das frisch gefällte Schwefeleisen
(gewonnen durch Zusatz von Schwefelalkalien zu Eisenvitriollösung) empfohlen.
Die chronische oder konstitutionelle Quecksilbervergiftung
, die
Merkurialkrankheit,
Quecksilberkrankheit oder der konstitutionelle
Merkurialismus ist entweder eine Nachkrankheit der akuten Quecksilbervergiftung
oder die Folge von öfterer
Aufnahme kleiner Mengen
Quecksilbers,
namentlich zu starker Quecksilberkuren und der berufsmäßigen Beschäftigung mit
Quecksilberpräparaten; sie giebt sich durch
die sog. merkurielle Mund- und Rachenentzündung mit Speichelfluß und geschwürigem
Zerfall der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches, durch Lockern und
Ausfallen der
Zähne,
[* 5] durch übelriechenden
Atem und durch
auffallende
Störungen der Gesamternährung (schmutzige bleiche Hautfarbe, eingefallenes
Gesicht
[* 6] mit trüben
Augen, anhaltende
Appetitlosigkeit) zu erkennen.
Arbeiter, die infolge ihrer Beschäftigung andauernd Quecksilberdämpfe einatmen müssen, sind auch leicht Erkrankungen der Atmungsorgane ausgesetzt, viele leiden an chronischem Husten und nicht wenige erliegen schließlich der Lungenschwindsucht. Bei den höhern Graden des konstitutionellen Merkurialismus stellen sich stets auffallende Veränderungen der Nervenfunktionen ein; die Kranken klagen über Schlaflosigkeit, unruhige und ängstigende Träume, Kopfschmerzen, Herzklopfen und große Erregbarkeit, vermögen infolge eines höchst charakteristischen Muskelzitterns (Quecksilberzittern, Tremor mercurialis) nicht ihre Glieder [* 7] stillzuhalten und werden auch oft von Krämpfen, Anästhesien und Lähmungen befallen. ¶
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Hinsichtlich der Verhütung der chronischen Quecksilbervergiftung
ist bei allen Quecksilberkuren eine sachverständige
ärztliche Überwachung durchaus erforderlich; über die hierbei nötigen Vorsichtsmaßregeln s.
Syphilis. Zur Verhütung der technischen Quecksilbervergiftung
kommen vor allen Dingen eine möglichst vollkommene
Ventilation der Arbeitsräume, eine angemessene Beschränkung des Aufenthalts in denselben, das Verbot der Nahrungsaufnahme
im Arbeitslokal, Waschen der Hände und Wechseln der Kleidung beim Verlassen desselben, häufige Bewegung
in freier Luft u. s. w. in Betracht.
Als feinstes Reagens, ob Quecksilberdünste in den Arbeits- oder Wohnräumen vorhanden, können lebende Blumen dienen; sie sterben in quecksilberhaltiger Atmosphäre schnellstens ab. Beim Auftreten der ersten Symptome muß der Kranke schleunigst aus der quecksilberhaltigen Atmosphäre entfernt werden; die eigentliche Behandlung besteht in warmen Bädern, Sorge für gute Ernährung, adstringierenden Mundwässern und in längerm Gebrauch des Jodkaliums.
Vgl. Overbeck, Merkur [* 9] und Syphilis (Berl. 1861);
Kußmaul, Untersuchungen über den konstitutionellen Merkurialismus (Würzb. 1861);
Hermann, über die Wirkung des Quecksilbers auf den menschlichen Organismus (2. Aufl., Berl. 1878);
Kaufmann, Die Sublimatintoxikation (Bresl. 1888).