Quäker
(engl. Quakers, »Zitterer«),
religiöse
Sekte in
England, so genannt entweder von ihren heftigen
Bewegungen und
ekstatischen Zuständen, oder weil ihr
Stifter am
Schluß einer
Rede vor dem
Richter sprach: »Zittert vor dem
Worte des
Herrn!«
Sie selbst nennen sich nach
Joh. 15, 15.
»Freunde« (Friends) oder
»Bekenner
(Kinder) des
Lichts«. Ihr
Stifter
George
Fox (s. d.) fand trotz der heftigen Verfolgungen, die ihn von seiten des
Staats und des
Klerus trafen, bald unter allen
Klassen Anhänger. Nicht
Schrift, sondern
Geist, nicht der
Christus für uns, sondern
der
Christus in uns wurde sein Losungswort. 1656-58 sollen 9000 Quäker
eingekerkert worden sein,
vielfach die gerechte
Strafe für ihre
Extravaganzen empfangend.
Seit 1660 begann der
Verein seine
Verfassung und seinen
Kultus zu ordnen, während
Robert
Barclay (s. d.) die
Lehre
[* 3] desselben systematisch
darstellte.
Noch dauerten unter der
Restauration die harten Verfolgungen fort, denen erst die Toleranzakte
von 1689 (s.
Anglikanische Kirche) ein
Ziel setzte.
Bald bildeten sich viele Quäker
gemeinden in mehreren Teilen von
Großbritannien
[* 4] und
Nordamerika,
[* 5] wo ihnen
William
Penn, der (geb. 1644, gest. 1718), nachdem er weite
Reisen gemacht, am französischen
Hof
[* 6] gelebt, 1668 dem
Verein beigetreten war und in
Wort und
Schrift für seine
Freunde gewirkt hatte, ein
Asyl in
Pennsylvanien
eröffnete, das ihm die englische
Regierung für eine
Schuld, deren Bezahlung er forderte, mit der Bestimmung überließ, er
könne das Gebiet nach seinem Belieben organisieren.
Die Quäker
erkennen die Hauptdogmen der protestantischen
Symbole an, berufen sich aber mehr als auf das Bibelwort
auf das in dem
Menschen wohnende
»innere Licht«, das den innigen
Beter außerordentlicher
Offenbarungen teilhaft mache und rein
übernatürlich wirke, ja nichts andres als
Christus selbst sei. Das Quäkertum
ist zu bezeichnen als die letzte und reinste
Gestalt der gesamten spiritualistischen
Bewegung seit der
Reformation, als eine gegen die
Dogmatik wie gegen
alle historischen
Elemente des
Christentums gleichgültige Gestaltung desselben.
Sie verwerfen jede bestimmte Liturgie und die Sakramente; mit bedecktem Haupt sitzen sie schweigend und der höhern Erleuchtung harrend in ihren schmucklosen Bethäusern, bis sich irgend ein Glied, [* 7] Mann oder Weib, vom Geist ergriffen fühlt und dann vor der Versammlung auftritt. Kommt der Geist nach stundenlangem Warten zu niemand in derselben, so geht man still auseinander. Einen geistlichen Stand haben sie zwar nicht, doch haben sie später befähigte Redner vorzugsweise mit dem Predigen beauftragt.
Sie kennen nur ein Christentum der praktischen Frömmigkeit in Form des Spiritualismus. Ihre Moral untersagt ihnen die Ablegung des Eides, weil Christus das Schwören verboten, die Leistungen von Kriegsdiensten und alle Vergnügungen, welche die Sinnlichkeit reizen, z. B. Theater, [* 8] Glücksspiele, Jagd, Tanz, Schmäuse und Trinkgelage, Luxus jeder Art, ja selbst den Handel mit Luxusartikeln und Kriegsbedürfnissen; die Übung der schönen Künste gilt ihnen wenigstens für gefährlich.
Zur Übung reiner Wahrheitsliebe und christlicher Einfachheit reden sie alle
Menschen mit
»Du" an, verweigern den
Gebrauch aller
bloßen Ehrentitel und nehmen vor keinem den
Hut
[* 9] ab.
Ihre
Kleiderordnung beschränkt den Anzug auf das Nötige und Bequeme,
ohne Rücksicht auf die wechselnde
Mode. Die
Verfassung der Quäker
gemeinden ist ganz demokratisch. Jede
Gemeinde versammelt sich einmal im
Monat, um Sittengerichte zu halten, zu beraten und etwanige Streitigkeiten Einzelner zu
schlichten.
Vierteljährlich treten
Deputierte der
Gemeinden eines
Distrikts zusammen, um die
Repräsentanten aller
Distrikte zu jährlichen
Versammlungen zu ernennen.
Letztere sind die höchste
Instanz, üben in
Sachen der
Disziplin,
Verfassung und
Sitte die
gesetzgebende Gewalt aus. Die
Sekte teilt sich in sieben
Provinzen, die ihre Generalsynoden gleichzeitig halten. Jetzt
ist der alte Bekehrungseifer der Quäker
ziemlich erloschen; dagegen haben sie sich durch ihre menschenfreundlichen
Bemühungen und erfolgreichen Anstrengungen zur Abschaffung des
Sklavenhandels
(William
Allen, Benezet) und zur Verbesserung
des
Gefängniswesens
(Elisabeth
Fry) große
Verdienste erworben, und noch immer stehen sie als
Muster häuslicher
Tugend und bürgerlicher
¶
mehr
Tüchtigkeit da. Ihre Zahl mag in Nordamerika jetzt 40,000, in der gesamten übrigen Welt 20,000 Seelen betragen. In Deutschland
[* 11] findet sich seit 1786 eine kleine Quäker
gemeinde in Friedensthal bei Pyrmont. Übrigens teilen sich die Quäker
in mancherlei
Sekten. In Nordamerika entstanden durch die Begeisterung des Freiheitskampfes die fechtenden oder freien
Quäker
, welche den Kriegsdienst für erlaubt erklärten. Diejenigen, die von der alten Strenge nachgelassen und manche Sonderbarkeiten
abgelegt haben, werden nasse (nachgiebige) Quäker
genannt, die streng orthodoxen, deren Zahl sich übrigens fortwährend
vermindert, heißen trockne (feste) Quäker.
Eine tiefer gehende Spaltung entstand in Amerika
[* 12] seit 1828, wo sich von den
rechtgläubigen Quäkern
eine rationalistische Partei unter Elias Hicks (daher Hicksiten) absonderte und sich besonders in Pennsylvanien
und New Jersey verbreitete. Im Gegensatz zu ihnen bildeten sich 1837 in Manchester
[* 13] die Evangelical Friends, welche die Bibel
[* 14] über
das »innere Licht« und die Vernunft stellen; nahe verwandt sind den Quäkern
auch die Jumpers (s. d.) und
die Shakers (s. d.).
Vgl. Sewel, History of the rise of the quakerism (Lond. 1834, 2 Bde.);
Gurney, Views and practices of the society of Friends (das. 1835);
Rowntree, Quakerism past and present (das. 1859);
Tallack, Friendly sketches in America (das. 1862);
Derselbe, G. Fox, the Friends and the early Baptists (1868);
Schmidt, Die Quäker
gemeinde in Pyrmont (Braunschw. 1855);
Weingarten, Die Revolutionskirchen Englands (Leipz. 1868);
Bruno Bauer,
Der Einfluß des englischen Quäkertums
auf die deutsche Kultur (Berl. 1877);
L. Ruffet, Georges Fox et les origines de Quakerisme (Genf [* 15] 1880).