Quadratisches
Kristallsystem
, s.
Kristall, S. 230.
Quadratisches Kristallsystem
6 Wörter, 51 Zeichen
Quadratisches
Kristallsystem
, s.
Kristall, S. 230.
(v. griech. krýstallos, »Eis«, [* 3] zunächst auf den Bergkristall, den man für im höchsten Grad gefrornes Wasser hielt, übertragen und von diesem auf alle übrigen Kristalle), [* 4] eine regelmäßige, den Körpern von bestimmter chemischer Zusammensetzung wesentlich zukommende, ebenflächig begrenzte Form. In den Fällen vollkommensten Zustandes, der unter besonders günstigen Verhältnissen der Bildung entsteht, ist die ebenflächige Begrenzung eine allseitige, wie sie (wenn auch nicht häufig) an den eingewachsenen natürlichen Kristallen und an sorgsam hergestellten künstlichen beobachtet werden kann.
Genügender Raum (Bildung in einer nachgiebigen Matrix, freies Hängen in der die kristallisierende Substanz gelöst enthaltenden Flüssigkeit) und langsamer Verlauf des Kristallisationsprozesses sind im allgemeinen die zur Hervorbringung großer und vollkommener Kristalle günstigen Bedingungen. Von diesen allseitig ebenflächig begrenzten Körpern bis zu den kristallinischen Körnern, die oft nur noch einige, öfters gar keine gesetzmäßigen Flächen mehr erkennen lassen, kommen die mannigfachsten Übergänge vor, ebenso wie in Bezug auf die Dimensionen von metergroßen Kristallen bis zu mikroskopischer Kleinheit derselben ¶
(Kristallmehl). Die Wesentlichkeit der Kristallgestalt drückt sich teils durch den Umstand aus, daß eine bestimmte Form einer bestimmten chemischen Zusammensetzung entspricht (vgl. Mineralogie, Heteromorphie, Isomorphie, Pseudomorphosen), teils durch den Zusammenhang der äußern Gestalt mit der innern Struktur (vgl. Mineralien, [* 6] Spaltbarkeit), einen Zusammenhang, der sich bei mangelhafter Entwickelung der äußern Form zur Ergänzung der Beobachtung und Ausdeutung dieser äußern Form benutzen läßt.
Die Regelmäßigkeit der Kristalle endlich erlaubt eine mathematische Behandlungsweise der Formen, wie sie Gegenstand einer besondern Wissenschaft, der Kristallographie (Kristallologie), ist. Die Fähigkeit, Kristalle zu bilden, besitzt eine große Mehrheit der anorganischen (natürlichen und künstlich dargestellten) und eine ebenfalls nicht unbedeutende Anzahl der organischen chemischen Verbindungen. Nur ist der Grad dieser Fähigkeit ein sehr verschiedener, so daß gewisse chemische Verbindungen fast nur, andre bloß selten in Kristallen zu beobachten sind. Körper, denen die Fähigkeit, Kristalle zu bilden, überhaupt mangelt, heißen amorph (s. d. und unter »Mineralien«). Kristalle können sich bilden bei jeder Art des Übergangs kristallisierbarer (kristallinischer) Substanzen aus dem flüssigen oder gasförmigen Aggregatzustand in den festen (durch Abkühlung von Dämpfen, Verdunstung oder Abkühlung von Lösungen; s. Kristallisation).
Die Kristallgestalten sind außerordentlich zahlreich; so kennt man an der einzigen Mineralspezies Kalkspat, [* 7] allerdings einer der formenreichsten, gegen 200 verschiedene Formen, und ebenso kann die einzelne Form mitunter sehr flächenreich sein. Naumann beschreibt einen Flußspatkristall, der von 338 einzelnen Flächen eingeschlossen ist. Trotz dieser Mannigfaltigkeit gelingt es, die Kristalle in verhältnismäßig wenige Abteilungen, sogen. Systeme, zu gruppieren, deren Grundeigenschaften sich am leichtesten charakterisieren lassen, wenn man zunächst nur von den sogen. einfachen Formen ausgeht, d. h. von denjenigen, die von nur einerlei untereinander kongruenten Flächen eingeschlossen werden.
Ferner wird für die folgende Betrachtung eine vollkommene Ausbildung und allseitig ebene Begrenzung der Form ohne Verzerrungen vorausgesetzt. Das Prinzip der kristallographischen Einteilung wird aus einem Vergleich der [* 4] Fig. 1-9 leicht erkannt werden. Die zur ersten Horizontalreihe vereinigten Figuren sind in rein mathematischem Sinne nahe verwandt: lauter vierseitige Doppelpyramiden, nur mit dem Unterschied, daß [* 4] Fig. 1 aus lauter gleichseitigen, [* 4] Fig. 2 aus gleichschenkeligen, [* 4] Fig. 3 aus ungleichseitigen Dreiecken gebildet ist;
ebenso stehen in der zweiten Horizontallinie [* 4] (Fig. 4, 5 u. 6) lauter nahe verwandte Formen: Parallelepipede mit geringen, leicht erkennbaren Unterschieden.
Kristallographisch gehören aber vielmehr die in einer Vertikalreihe stehenden Körper zusammen, so das Oktaeder
[* 4]
(Fig. 1) mit
dem Würfel
[* 4]
(Fig. 4), die quadratische
Pyramide
[* 4]
(Fig. 2) mit der quadratischen
Säule
[* 4]
(Fig. 5), die rhombische Pyramide
[* 4]
(Fig.
3) mit der rhombischen Säule
[* 4]
(Fig. 6), wobei bei den beiden Säulen
[* 8] (Fig. 5 u. 6) noch hervorzuheben ist,
daß nur die den Kristall seitlich begrenzenden vier Flächen als zu der einfachen Form gehörig zu betrachten sind, da die obern
und untern Flächen zwar untereinander, nicht aber mit den Seitenflächen kongruent sind. Bei dieser Art der Einteilung geht
die Kristallographie von den Symmetrieverhältnissen aus, die ihrerseits den einfachsten und deutlichsten
Ausdruck durch die Charakteristik bestimmter, innerhalb der Kristallformen gezogen gedachter Linien, der sogen. Achsen, nach
Zahl, relativer Größe und gegenseitiger Lage findet. So lassen sich die beiden Figuren der ersten Vertikalreihe trotz äußerer
Verschiedenheit auf dasselbe Achsensystem
[* 4]
(Fig. 7) beziehen, d. h.
auf drei untereinander gleiche und aufeinander senkrechte Achsen.
Ähnlich sind die Figuren der zweiten Vertikalreihe auf ein System dreier aufeinander senkrechter Achsen beziehbar, von denen zwei gleich, die dritte ungleich (größer) ist [* 4] (Fig. 8), die Figuren der dritten Vertikalreihe auf drei ungleiche, aufeinander senkrechte Achsen [* 4] (Fig. 9). Im ganzen lassen sich nach diesem Prinzip der Beziehbarkeit verschiedener Formen auf einerlei Achsen sechs Systeme unterscheiden, deren charakteristische Merkmale aus folgender Übersicht erkennbar sind:
Drei Achsen, senkrecht, gleich; | Tesserales System. |
Drei Achsen, senkrecht, zwei gleich, eine ungleich; | Quadratisches System. |
Drei Achsen, senkrecht, ungleich; | Rhombisches System. |
Drei Achsen, von denen eine mit der zweiten einen schiefen Winkel bildet, während sie auf der dritten (ebensowohl wie die zweite und dritte untereinander) senkrecht steht; | Monoklines System. |
[* 4] ^[Abb.: Fig. 1-3: Oktaeder.
Fig. 4-6: Parallelepipede.
Fig. 7-9: Achsproportionen.] ¶
Drei Achsen, untereinander lauter schiefe Winkel bildend; | Triklines System. |
Vier Achsen, drei gleiche, eine ungleiche, die gleichen gleiche Winkel (60°) bildend, die ungleiche senkrecht zu den gleichen; | Hexagonales System. |
Diese zunächst nur von einer gewissen mathematischen Betrachtungsweise aus aufgestellten sechs Kristallsy
steme erhalten
nun gewissermaßen eine natürliche Bestätigung durch den Erfahrungssatz: Jede überhaupt kristallisierende
(also nicht amorphe) Mineralspezies und sonstige chemische Verbindung bringt nur Formen eines und desselben Kristallsy
stems
zur Entwickelung, niemals Formen, welche verschiedenen Kristallsy
stemen angehören. Im folgenden sind solche (zunächst nur
einfache, s. oben) Formen der verschiedenen Kristallsy
steme aufgeführt. Die Formen sind weiter durch die Lage ihrer Flächen
zu den Achsen charakterisierbar, aufeinander zurückzuführen und aus einer einfachsten Form des Systems, der sogen. Grundform,
ableitbar. Diese Betrachtungen, welche auch zu präzisen Bezeichnungsmethoden der Kristallgestalten führen, liegen aber
jenseit der von unserm Werk einzuhaltenden Grenzen.
[* 10]
[* 9]
Fig. 10, Sechsflächner: Würfel (Hexaeder).
[* 9]
Fig. 11, Achtflächner: Oktaeder.
[* 9]
Fig. 12, Zwölfflächner:
Rhombendodekaeder (Granatoeder).
[* 9]
Fig. 13-15, Vierundzwanzigflächner: Pyramidenwürfel (Tetrakishexaeder), Pyramidenoktaeder
(Triakisoktaeder), Trapezoeder (Ikositetraeder, fälschlich Leucitoeder; Leucit
[* 11] kristallisiert vielmehr im quadratischen
System).
[* 9]
Fig. 16, Achtundvierzigflächner: Hexakisoktaeder (Tesserakontaoktaeder). - Beispiele tesseral kristallisierender Körper: Die
meisten schweren Metalle (Quecksilber nur in großer Kälte, bei gewöhnlicher Temperatur
amorph), Diamant,
[* 12] Bleiglanz, Speiskobalt,
Zinkblende, Fahlerz,
[* 13] Eisenkies,
[* 14] Flußspat,
[* 15] Steinsalz, Spinell,
[* 16] Granat;
[* 17]
arsenige Säure, Alaun, [* 18] Salmiak.
Die Figuren werden so gestellt, daß die ungleiche (Vertikal-, Haupt-) Achse senkrecht steht, die gleichen (Horizontal-, Neben-)
Achsen also in die Augenebene fallen.
[* 9]
Fig. 17, quadratische
Pyramide (tetragonale Pyramide, quadratisches
Oktaeder, Protopyramide,
Pyramide erster Ordnung).
[* 9]
Fig. 18, quadratische
Säule (Prisma,
[* 19] Protoprisma, nur aus den vier Seitenflächen
bestehend). Von diesen beiden (Pyramide und Säule erster Ordnung) durch die Stellung verschieden sind die Pyramiden und Säulen
zweiter Ordnung (Deuteropyramide, Deuteroprisma), bei denen die Nebenachsen nicht in den Ecken, resp. Kanten austreten, sondern
in den Mittelpunkten der Kanten, resp. der Flächen.
[* 9]
Fig. 19, achtseitige Pyramide (ditetragonale Pyramide,
Dioktaeder).
[* 9]
Fig. 20, achtseitige Säule (ditetragonales Prisma). Die in unsern
[* 9]
Fig. 18 u. 20 den Körper nach oben u. unten begrenzende
Form ist das Flächenpaar (Basis, Endfläche, Pinakoid). Beispiele quadratisch
kristallisierender Körper: Kupferkies, Zinnerz,
Rutil,
[* 20] Anatas, Zirkon,
[* 21] Leucit, Honigstein;
[* 22]
Die Formen werden beliebig nach einer der Achsen (Vertikalachse, Hauptachse) aufrecht gestellt, wodurch sich die beiden andern als größere (Makrodiagonale) und kleinere (Brachydiagonale) Nebenachse unterscheiden lassen. Von der dargestellten Pyramide [* 9] (Fig. 21) können sich andre durch spitzere, nach der Richtung der Hauptachse gestreckte Form (Pyramiden der Hauptreihe) unterscheiden, andre durch eine Streckung in der Richtung der Makrodiagonale (makrodiagonale
[* 9] ^[Abb.: Fig. 10-16: Kristallformen des tesseralen Systems.
Fig. 17-20: Kristallformen des quadratischen
Systems.]
¶