Pubertät
(lat., »Mannbarkeit«),
der Zustand der
Geschlechtsreife, in welchem der
Mensch im stande
ist, seine
Gattung fortzupflanzen. Die Pubertät
ist eingetreten, sobald die zur
Zeugung bestimmten
Geschlechtsteile und die damit
zusammenhängenden
Organe ihre vollkommene
Ausbildung erreicht haben und funktionsfähig geworden sind. Überall tritt beim
weiblichen
Geschlecht die Pubertät
früher ein als beim männlichen. In unsern Breitengraden fällt der
Eintritt der Pubertät
bei dem weiblichen
Geschlecht in das 12.-15., bei dem männlichen
Geschlecht in das 15. 20. Lebensjahr.
In den heißen
Ländern tritt die Pubertät
um 2-3 Jahre früher, in den kalten
Ländern um ebensoviel später ein. In Mitteleuropa
bleibt das
Weib bis etwa in das 43., der Mann dagegen bis in die Mitte der 50er Jahre und länger fortpflanzungsfähig.
In anatomischer und physiologischer Beziehung gehen während der Pubertät
sentwickelung mannigfache Veränderungen an dem
Organismus vor sich. Bei Mädchen brechen die Schamhaare hervor; die
Brüste bilden sich unter stechenden
Gefühlen aus.
Die Beckengegend bekommt eine größere Breite [* 3] und Fülle, das Unterhautzellgewebe wird fettreicher, der ganze Körper rundet sich ab. Die Stimme wird bestimmter, fester, ausgiebiger. In den Eierstöcken werden nunmehr reife, befruchtungsfähige Eichen produziert, welche unter den Erscheinungen der periodisch eintretenden Menstruation (s. d.) abgestoßen werden. Zugleich mit diesen Vorgängen treten auch geistige Veränderungen an dem Mädchen hervor. Im Geiste der reifenden Jungfrau offenbart sich jene Schamhaftigkeit, welche auf den unverdorbenen Mann einen so bezaubernden Einfluß ausübt; mit dieser verbindet sich eine tiefinnere Sehnsucht, ein unbewußtes Streben, dem Mann zu gefallen, ein Bestreben, aus welchem sich je nach den Umständen die edelsten wie die gemeinsten Seiten der weiblichen Natur entwickeln können.
Die körperlichen Veränderungen, welche man an dem in der Pubertät
sentwickelung begriffenen
Jüngling wahrnimmt, sind: das
Hervorbrechen der
Haare
[* 4] an den
Genitalien, an
Kinn,
Lippe
[* 5] und
Wangen, völlige
Ausbildung der
Genitalien, kräftigere
Entwickelung
der gesamten Körpermuskulatur, Breiterwerden der
Brust,
Wachsen des
Kehlkopfes und zwar verhältnismäßig am meisten nach
vorn, so daß er in Gestalt des sogen.
Adamsapfels stark hervorsteht, Veränderung der
Stimme, Umänderung
des ganzen
Charakters. Eigentümlich ist in Hinsicht der geistigen Veränderungen des heranreifenden
Jünglings die sehr häufige
Neigung zur
Schwermut und zur
Schwärmerei, die nur durch ein geistig und körperlich thätiges
Leben verscheucht werden kann.
Die Mannbarkei
tserklärung und
Aufnahme unter die
Gemeinschaft der Stammesgenossen wird bei den meisten
Naturvölkern mit großer Feierlichkeit und
¶
mehr
mannigfachen Zeremonien begangen. In der Regel werden die jungen Männer, denen der Bart sproßt, und die Mädchen, sobald sich die erste Menstruation zeigt, von ihren Angehörigen getrennt und dann bestimmten strengen Prüfungen unterworfen, die meist in heftigen körperlichen Peinigungen bestehen, welche sie ohne Schmerzensäußerung ertragen müssen. Bei den Australiern besteht der Hauptakt in dem Ausschlagen und Spitzfeilen der Schneidezähne, anderwärts in blutigen Geißelungen, Tättowierung, und in vielen Gegenden Australiens und Afrikas wird damit die Beschneidung verbunden.
Bei den Indianern Nordamerikas dauern die mit langen Fasten und Kasteiungen eingeleiteten Zeremonien monatelang; die Jünglinge erwarten dabei die Erscheinungen eines Schutzgeistes (meist in Gestalt eines lebenslang zu schonenden Tiers, s. Totem) im Traum, anderwärts haben sie ein gefährliches Jagdabenteuer zu bestehen oder einen Kopf zu erjagen (s. Kopfjagden). Hier und da sind mit der Absonderung der jungen Leute von ihren Angehörigen und mit den körperlichen Prüfungen Belehrungen über ihre Pflichten gegen Stammesgenossen und Fremde verbunden, die durch einen Schamanen oder eine kluge Frau gegeben werden, und endlich findet unter lärmenden Feierlichkeiten und Festen die Aufnahme der jungen Leute in die Gemeinschaft der Erwachsenen statt. In Mexiko [* 7] und Peru [* 8] näherten sich diese Prüfungen mehr denen unsrer Firmung; anderseits herrschten in einigen alten Kulturstaaten den Sitten der Wilden analoge Zeremonien, z. B. blutige Geißelungen der spartanischen Jünglinge am Altar [* 9] der Artemis, [* 10] Geißelung und Tättowierung der Jünglinge im Tempel [* 11] der syrischen Göttin zu Hierapolis. Später traten an Stelle dieser Standhaftigkeitsprüfungen die Abscherung des bis dahin wachsenden Haars, das Anlegen der Toga [* 12] virilis u. Nachweis von Zeichen geistiger Reife.
Vgl. Ploß, Das Kind (2. Aufl., Leipz. 1884).