Titel
Pseudomorp
hosen
(grch.),
Afterkrystalle, krystallinische oder amorphe Mineralkörper, die, ohne selbst
Krystalle zu
sein, die ihrer
Substanz nicht zukommende Krystallform eines andern Minerals zeigen. Die oft äußerlich ganz scharfkantigen
und glattflächigen Pseudomorp
hosen bestehen nicht aus einem Individuum der ihrer Form entsprechenden
Mineralart, sondern meist aus einem körnigen, faserigen oder dichten
Aggregat einer ganz andern Mineralart, und diese äußere
Form der Pseudomorphose
ist nur das rückständige Monument des ursprünglichen und oft nun spurlos verschwundenen Krystalls,
um den, in dem und aus dem die Pseudomorphose
gebildet wurde. Nach der verschiedenen Entstehungsweise
unterscheidet man bei den Pseudomorp
hosen einerseits die Umhüllungs- und Ausfüllungspseudomorphosen
, andererseits
die Unwandlungspseudomorp
hosen.
Bei den
Umhüllungspseudomorphosen handelt es sich um den
Absatz einer dünnen Kruste irgend einer Mineralsubstanz auf den Krystallflächen
eines andern Minerals. Wenn z. B. eine zarte Schicht von Quarz ein Rhomboeder
von
Kalkspat
[* 2] überzieht, so stellt hier der Quarz äußerlich eine Form dar, die ihm selbst nicht zukommt. Ist dann später
der
Kalkspat durch einen Auflösungsprozeß entfernt worden, so blieb entweder der Quarz mit der von dem
Kalkspat erborgten
Gestalt als leere Schale übrig, oder es wurde dieser Hohlraum alsdann im Lauf der Zeit durch
Absatz einer
neuen Mineralsubstanz in der Innenseite teilweise oder ganz ausgefüllt (Ausfüllungspseudomorp
hosen), wodurch dann auch
diese, einem
Abguß zu vergleichende eingeführte
Masse an ihrer Außenseite die ihr fremde Kalkspatform gewann.
Während diese Vorgänge mehr auf dem einfach mechanisch erfolgten Absatz eines fremdartigen Minerals aus Gewässern beruhen, wurden dagegen die Umwandlungspseudomorphosen vermöge der substantiellen Veränderung eines Krystalls, vermöge der chem. Ersetzung seiner Substanz durch eine andere, und zwar unter Beibehaltung seiner Form gebildet. Diese chem. Umwandlung beginnt gewöhnlich an der Oberfläche und dringt dann allmählich weiter nach innen vor, und so findet man nicht selten im Innern einer solchen Pseudomorphose noch einen unveränderten Kern des ursprünglichen Minerals.
Diese Umwandlungspseudomorphosen sind nun 1) solche, bei denen die ursprüngliche und die sie ersetzende Substanz chemisch identisch sind (Paramorphosen, s. d.);
2)
solche, bei denen zwischen der ursprünglichen und der pseudomorphen
Substanz noch ein chem. Zusammenhang stattfindet,
indem beide
Massen wenigstens noch einen oder mehrere
Bestandteile gemein haben; diese können gebildet
werden durch
Verlust gewisser
Bestandteile (nicht sonderlich häufig), oder durch
Aufnahme neuer
Bestandteile (z.B. von Wasser,
Sauerstoff,
Kohlensäure, wie die Pseudomorphosen
von
Gips
[* 3] nach
Anhydrit, von Malachit nach
Rotkupfererz), oder endlich durch teilweisen Austausch
von
Bestandteilen, wobei die ursprüngliche
Substanz gewisse
Stoffe verloren, andere dafür aufgenommen
hat, z. B. die weitverbreiteten Pseudomorphosen
von Brauneisen nach Eisenspat (Austausch
von
Kohlensäure gegen Wasser), von Brauneisen nach
Eisenkies,
[* 4] von Malachit nach Kupferlasur,
[* 5]
Kaolin nach Feldspat,
Aragonit
[* 6] nach
Gips u. s. w.;
3) solche Pseudomorphosen
, bei denen die chem.
Bestandteile des ursprünglichen und des an seine
Stelle getretenen Minerals
vermöge des Stoffaustausches gänzlich voneinander verschieden sind (z. B. Quarz nach Flußspat
[* 7] oder
Kalkspat,
Eisenkies nach Quarz, Zinnstein
[* 8] nach Feldspat), eine
Abteilung der Pseudomorphosen
, deren genetische Deutung noch manches
Rätselhafte bietet. Die pseudomorphe Umbildung ist übrigens nur ein ganz specieller Fall der großartigen chem.
Veränderungsvorgänge im
Mineralreich, und zwar derjenige, bei dem während und trotz der
Metamorphose
die äußere Gestalt erhalten blieb. Diese unscheinbaren Gebilde sind auch für die Geologie
[* 9] von höchster Wichtigkeit, denn
durch sie wird in erster Linie die Erkenntnis und Specialisierung der gesetzmäßig verlaufenden chem.
Prozesse vermittelt, die in den
Gebirgen der äußern Erdkruste thätig waren und noch fortwährend andauern.
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Vgl.
Blum, Die Pseudomorphosen
des
Mineralreichs (Stuttg. 1843, mit 4 Nachträgen, 1847, 1852, 1863
u. 1879);
Scheerer, Afterkrystalle (im «Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie», 1857);
E.
Geinitz,
Studien über Mineralpseudomorphosen
(im
«Neuen Jahrbuch
für Mineralogie», 1876, S. 449).