Pruntrut
,
französisch
Porrentruy. Amtsbezirk des Kantons Bern.
Bildet neben dem Amt Laufen
den nördlichsten Abschnitt
des Kantons und liegt zum grössten Teil ausserhalb der natürlichen Grenzen der
Schweiz, die hier durch die Kette des
Lomont
gegeben wären. Die Landschaft
Ajoie
(Elsgau), die zum Teil mit dem Amt Pruntrut
identisch ist, stellt also zusammen mit den
Gebieten der Kantone Genf
und Schaffhausen
sowie mit dem
Sotto Ceneri einen der vier am weitesten vorgeschobenen Aussenwälle
der helvetischen «Burg der
Freiheit» dar
und schiebt sich keilförmig zwischen das deutsche Reich im O. und Frankreich im
W. hinein. 31690 ha Fläche und 26578 Ew., also 84 Ew. auf einen km2.
Amtshauptort ist die Stadt Pruntrut.
36 Gemeinden: Alle,
Asuel, Beurnevésin,
Boncourt,
Bonfol,
Bressaucourt,
Buix,
Bure,
Charmoille,
Chevenez, Coeuve,
Cornol,
Courchavon,
Courgenay,
Courtedoux,
Courtemaiche,
Damphreux,
Damvant,
Fahy,
Fontenais,
Frégiécourt,
Grandfontaine,
Lugnez,
Miécourt,
Montenol,
Montignez,
Montmelon,
Ocourt,
Pleujouse, Pruntrut
(Porrentruy),
Réclère,
Roche d'Or,
Rocourt,
Saint Ursanne,
Seleute und
Vendlincourt. 29 kathol. Kirchgemeinden: Pruntrut
, Alle,
Asuel, Beurnevésin,
Boncourt,
Bonfol,
Bressaucourt,
Buix,
Bure,
Charmoille,
Chevenez, Coeuve,
Cornol,
Courchavon,
Courgenay,
Courtedoux,
Courtemaiche,
Damphreux,
Damvant,
Fahy,
Fontenais,
Grandfontaine,
Miécourt,
Montignez,
Réclère,
Rocourt und
Vendlincourt, die zusammen das Dekanat
Pruntrut
bilden, sowie
Lamotte und
Saint Ursanne im Dekanat
Saint Ursanne. 13 dieser Kirchgemeinden sind vom Staat anerkannt;
Pruntrut
hat einen Pfarrer und 3 Pfarrvikare,
Saint Ursanne je einen Pfarrer und Vikar, die übrigen je
einen Pfarrer. Die Reformierten sind zur einzigen Pfarrei Pruntrut
vereinigt, die von einem französischen und einem deutschen
Pfarrer versehen wird. 26578 Ew. in 4376
Häusern und 6015 Haushaltungen. 23873 Katholiken, 2566 Reformierte, 121 Israeliten
und 18 Andere. 24401 Ew. sprechen französisch, 1707 deutsch, 459 italienisch und 11 eine andere Sprache.
Der Amtsbezirk grenzt im SW. und W. an das französische Département du
Doubs, im N. an das französische Territorium
Belfort
und an den Elsass (Deutschland), im O. an den deutschen Elsass und den bernischen
Amtsbezirk Delsberg und im
S. an
den
Amtsbezirk Freibergen. Die einzige Bergkette des Amtes bildet der
Lomont, der sich im s. Abschnitt auf eine Länge von 26 km
von W. nach O. zieht und nirgends mehr 1000 m
Höhe erreicht: die
Faux d'Enson bei
Roche d'Or hat 930 m und der
Montgremay 944 m
(das
Signal des
Rangiers mit 999 m liegt schon im Amt Delsberg).
Diese äusserste und letzte Jurakette, die auf
Grund
der Benennung durch die französischen Ingenieur-Topographen aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts zuweilen noch
Mont Terrible
geheissen wird, teilt das
Amt in zwei ungleich grosse Abschnitte: das Doubsthal mit
Saint Ursanne,
Ocourt
und dem
Clos du Doubs im S. und den
Elsgau oder die
Ajoie im N., welch' letztere wieder in 3 Einzellandschaften zerfällt, nämlich 1. die
Haute
Ajoie (Oberelsgau) mit den Gemeinden s. und w. der Stadt Pruntrut
, 2. die Basse
Ajoie (Unterelsgau) mit den
Dörfern n.
Pruntrut
und 3. die Baroche mit dem ö. Pruntrut
gelegenen Quellgebiet der
Allaine.
Die
Ajoie (oder
Elsgau) bildet eine stark gewellte
Ebene, deren Bodenschwellen
von S. gegen N. an
Höhe und Ausdehnung abnehmen.
Bei
Boncourt verschmelzen die letzten unbedeutenden Hügelrücken des
Jura mit der französischelsässischen
Ebene oder der
sog. Trouée de
Belfort (dem Burgunderthor). Dem
Lomont ist im N. eine im SO. des Amtes beginnende und
sw. Pruntrut
ausstreichende Reihe von Höhen vorgelagert, die gegen N. sanft geböscht sind, nach S. dagegen steil und felsig
abbrechen.
Dieser Zug
besteht aus einer Anzahl von Einzelkämmen, die durch malerische Thälchen und tief eingeschnittene
Tobel oder
Klusen
voneinander getrennt werden, die durch je einen im Sommer oft trocken liegenden, zur Zeit der Schneeschmelze dagegen vielfach
wasserreichen Bergbach regelmässig nach N. entwässert werden. Solche Einzelkämme sind, von O. nach W. gezählt,
Sur
Chaumont
(659 m), der
Mont Terri (807 m), der
Moron (728 m), die
Côte Chaitelat (748 m). Nördl. dieser
Vorberge
finden wir eine zweite, noch weniger hohe und steile Serie von ebenfalls durch Thälchen und Miniaturklusen voneinander geschiedenen
isolierten Höhen, wie z. B. den
Hermont (540 m), die
Perche (530 m), den
Banné (514 m) und den
Montaigre (508 m), alle ö.,
s. und sw. von Pruntrut
(Schwellenhöhe am Bahnhof 425 m). Nördl. und nw. Pruntrut verschwinden die
Bergfalten ganz, um einer von zahlreichen malerischen Thalfurchen, die sich alle nach O. zum Thal der
Allaine öffnen, durchschnittenen
Thallandschaft
Platz zu
¶
mehr
machen. Solche Plateauflächen sind u. a. die von Le Grand Fahy (582 m) und von Bure (617 m). Nö. Pruntrut
liegt das Plateau
von Coeuve, dessen höchster Punkt, Sur le Mont geheissen, 548 m erreicht. Der O.-Abschnitt des Amtes oder die Baroche weist
nur einige wenig bedeutende Höhen auf, wie den Mont de Miserez (657 m) und den Morimont (751 m), beide
n. Charmoille und auf der Grenze gegen den Elsass, sowie die Aidjolats (798 m) sö. vom Dorf Charmoille.
Eng verknüpft mit der orographischen Gestaltung des Amtes sind auch seine hydrographischen Verhältnisse. Mit Ausnahme
eines nur ganz kleinen Anteiles am Rheingebiet gehört das Amt zum Einzugsgebiet der Rhone. Hauptfluss
ist der Doubs, der mit zahlreichen Schlingen dem S.-Fuss des Lomont folgt, aus dieser Kette aber nur ganz unbedeutende Nebenadern
erhält. Nördl. vom Lomont konvergieren alle grösseren Wasseradern gegen Pruntrut
zu, um sich hier mit der Allaine zu vereinigen,
die zwar in der Baroche um Charmoille entspringt, aber erst von Pruntrut
an den Charakter eines eigentlichen
Flusses erhält.
Die nennenswerten dieser Nebenadern der von O. kommenden Allaine sind das aus SO. zufliessende Wildwasser von Asuel, der Bief und der Bacavoine, beide aus S. kommend, sowie der im W. entspringende und die ganze Haute Ajoie entwässernde Creugenat, dessen hydrographische Verhältnisse lebhaft an den österreichischen Karst erinnern. Unterhalb Pruntrut vergrössert sich die Allaine durch mehrere entweder in ihrem Bett selbst sprudelnde oder nahe ihren Ufern entspringende wasserreiche Quellen, verlässt dann bei Boncourt (370 m) die Schweiz und erhält auf französischem Boden die Coeuvate mit der Vendeline, die beide die nö. Ajoie entwässern. Alle diese Wasser gehen durch Doubs, Saône und Rhone zum Mittelmeer. Dem Rheingebiet gehören an die Wasser ö. vom Weiler Les Rangiers, des W.-Hanges des Thales der Lützel (Lucelle) von Scholis bis zum Weier und endlich diejenigen des Gebietes von Le Largin ö. Bonfol. Die grössten Flächen stehenden Wassers bilden die Weier von Bonfol mit einer Fläche von 32,46 ha.
Von oberhalb Roche d'Or oder vom Signal de Montgremay aus gesehen, erscheint die Ajoie als eine einzige grosse Parklandschaft, in der schöne Buchen- und Nadelholzwaldungen, Wiesen, Aecker und Gärten anmutig mit einander abwechseln und zahlreiche Dörfer ihre roten Dächer zwischen den Obstbäumen zur Hälfte verstecken. Das Ganze atmet Ruhe, Zufriedenheit und Wohlstand. Dieses fruchtbare Gebiet ist zusammen mit dem s. Tessin und mit den Umgebungen von Basel und Genf die am tiefsten gelegene Landschaft der Schweiz (Boncourt 370 m). Sie bietet den W.-, N.- und O.-Winden freien Durchzug, während S.-Wind sich nur selten bemerkbar macht.
Das Klima ist somit vielfachen Schwankungen unterworfen und zeigt sehr starke Extreme. Während die meteorologische Station Pruntrut im Sommer Schattentemperaturen von 32° und 33° C. verzeichnet, kann hier im Winter das Thermometer bis auf -24° C. sinken. Die Nächte sind stets frisch, auch während der sog. Hundstage. Der überhaupt selten auftretende Nebel pflegt mit Sonnenaufgang zu verschwinden. Dagegen regnet es viel, d. h. bis zu 125 cm Regenhöhe pro Jahr. Da die Winter kalt sind, fällt verhältnismässig wenig Schnee. Das vor kalten Luftströmungen geschützte und den warmen SW.-Winden geöffnete Thal des Doubs zwischen Saint Ursanne und La Motte hat heisse Sommer, dafür aber auch häufige und dichte Nebel. Trotz dieser durch ihre Lage vor dem N.-Ende der Jurakette bedingten ungünstigen klimatischen Verhältnisse ist die Ajoie ¶
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eine durchaus agrikole Landschaft, die Futter, Hafer und die gewöhnlichen Gemüse im Ueberfluss erzeugt, dagegen aber Korn, feine Gemüse und Obst einführen muss. Brenn- und Bauholz kann ebenfalls ausgeführt werden. Die Rebe gedeiht trotz der geringen Höhenlage der Gegend wegen der strengen Winter, der Spätfröste im Mai und der Frühfröste gegen Ende September nicht, gibt aber an Spalieren gezogen hie und da befriedigende Resultate. Die Lomontkette und der Clos du Doubs haben schöne Waldungen und ausgezeichnete Sennberge, welch' letztere aber im Sommer zeitweise unter der Dürre zu leiden haben.
Rindvieh-, Pferde- und Schweinezucht wird in grossem Massstab betrieben. Die Ajoie ist mit ihren Waldungen und einsamen Tobeln und Thalfurchen noch ein an jagdbarem Wild reiches Land und hat noch manche Wildschweine und Rehe. Die das ganze Jahr hindurch ihrer Leidenschaft fröhnenden Wilderer und die im Herbst zu zahlreichen Jäger knallen aber leider alles nieder, was ihnen vor die Flinte kommt, und auch die meisterlos umherschweifenden Jagdhunde richten unter dem Gewild und den Schafherden einen ungeheuren Schaden an. Der Doubs liefert in Menge Forellen und Aeschen und die Allaine viele Lachsforellen, während die Krebse fast vollständig verschwunden sind. In den Weiern von Vendlincourt und Bonfol werden mit gutem Erfolg Karpfen gezüchtet.
Der felsige Untergrund des Bezirkes enthält zwar Eisen, aber in so geringer Menge, dass an eine Ausbeute niemals gedacht worden ist. Unter Cornol liegt ein Steinkohlenbecken, das aber blos durch Erstellen von etwa 2000 m tief hinabreichenden Schächten abgebaut werden könnte. Gipslager finden sich am O.- und W.-Fuss des Mont Terri, ausgezeichnete Töpfererde gewinnt man in Cornol und Bonfol (feuerfeste Tonwaren von Bonfol), Bausteine von vorzüglicher Güte liefert ein grosser Steinbruch bei Saint Ursanne, und Bure hat einen Bruch auf weichen weissen Kalkstein, der mit der Säge bearbeitet wird. Mineralquellen sind mit Ausnahme derjenigen von Bel Oiseau bei Saint Ursanne keine vorhanden. Die Bodenfläche verteilt sich wie folgt:
ha | |
---|---|
Aecker und Gärten | 10741 |
Wiesen und Baumgärten | 7397 |
Sennberge und Weiden | 2037 |
Wald | 9795 |
Unproduktiver Boden | 1720 |
Von den 10741 ha Aecker und Gärten entfallen auf
ha | |
---|---|
Getreide | 4841 |
Hackfrüchte | 1968 |
Futterpflanzen | 3714 |
Andere Kulturen | 218 |
Obstbäume finden sich auf einer Fläche von 17525 ha. Die Zählung von 1838 ergab 39647 Apfelbäume, 22978 Birnbäume, 29073 Kirschbäume, 33974 Zwetschgenbäume, 3788 Nussbäume, 5206 Spaliere und Zwergobstbäume und 407 Quittenbäume, zusammen 135073 Obstbäume.
Die Viehstatistik ergibt folgende Resultate:
1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|
Rindvieh | 8894 | 10721 | 9953 |
Pferde | 3467 | 3022 | 3397 |
Schweine | 6654 | 10364 | 9563 |
Schafe | 1918 | 1237 | 1017 |
Ziegen | 1194 | 1869 | 1516 |
Bienenstöcke | 1924 | 2571 | 2518 |
Haupterwerbsquellen der Bevölkerung sind Ackerbau und Viehzucht. Von Industriezweigen ist am bedeutendsten die Uhrenmacherei, die in allen Dörfern verbreitet ist. Grosse Sägen in Ocourt, Saint Ursanne und Pruntrut;
zahlreiche Mühlen am Doubs und an der Allaine;
Boncourt hat eine der grössten Zigarrenfabriken der Schweiz;
Ziegeleien in Bonfol, Charmoille, Cornol und Pruntrut;
Edelsteinschleifereien in Buix, Rocourt und Courtemaiche;
Eisengiessereien in Cornol und Saint Ursanne.
Pruntrut hat neben seinen Uhrenfabriken noch eine Bierbrauerei und zwei Schuhfabriken. Das Elektrizitätswerk Bellefontaine am Doubs versorgt einen grossen Teil des Bezirkes mit Kraft und Licht. Die Dörfer der Baroche stellen ausgezeichnetes Kirschwasser her in vielen Dörfern werden Holzschuhe verfertigt; Töpferei in Bonfol. Die zahlreichen Käsereien liefern ein geschätztes Produkt. Viele Gemeinden haben Hochdruckwasserversorgung mit Hydrantennetz und Hauswasserleitungen.
Pruntrut ist der Sitz der Kantonsschule für den französisch sprechenden Teil Berns, die ein humanistisches und ein Realgymnasium, ein Lehrerseminar und eine Mädchensekundarschule mit pädagogischer Sektion umfasst. Sekundarschulen ausserdem in Bonfol und Chevenez. Der Amtsbezirk unterhält in Pruntrut eine landwirtschaftliche und eine Uhrenmacherschule, ein Kranken- und ein Waisenhaus. Privates Waisenhaus für Mädchen in Miserez und Altersasyl in Saint Ursanne. In Pruntrut erscheinen drei politische Zeitungen und zwei Anzeigenblätter.
Für die Bedürfnisse des Verkehres ist durch Strassen und Eisenbahnen gut gesorgt. Südl. vom Lomont durchzieht das Doubsthal von Saint Hippolyte bis Saint Ursanne die aus Frankreich kommende internationale Strasse, die sich in drei Aeste spaltet: einen nach Les Malettes hinaufsteigenden und über Les Rangiers nach Delsberg führenden ersten, einen längs dem Doubs weiterziehenden und bei Sceut nahe La Roche die Strasse über die Caquerelle nach Saignelégier erreichenden zweiten und einen dritten, der den Clos du Doubs bedient.
Die im orographischen und hydrographischen Mittelpunkt der Ajoie gelegene Stadt Pruntrut ist natürlich auch der Knotenpunkt aller Strassenzüge n. vom Lomont. Es sind dies in erster Linie die beiden grossen internationalen Strassen Besançon-Damvant-Pruntrut-Pfirt (Ferrette)-Basel und Paris-Belfort-Pruntrut-Les Malettes-Bern, die sich in Pruntrut unter einem rechten Winkel schneiden, dann als weitere bedeutende Routen: Pruntrut-Chevenez-Fahy-Montbéliard, Pruntrut-Bern, Pruntrut-Coeuve-Pfetterhausen-Altkirch-Mülhausen, Pruntrut-Lützel-Laufen, Pruntrut-La Croix-Saint Ursanne. Das Amt hat zwei Normalspurbahnen, nämlich die Linien Delsberg-Pruntrut-Delle-Paris und Pruntrut-Bonfol, welch' letztere bald an das elsässische Schienennetz angeschlossen werden wird. Der Bau einer Linie Besançon-Pruntrut-Lützel-Basel wird geplant.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Amt Pruntrut sind das Schloss Pruntrut, die Burgruinen Pleujouse, Asuel, Milandre und Morimont (an der Grenze gegen den Elsass), die Pierre Percée bei Courgenay, die Pierre de l'Autel, die Einsiedelei und Kirche Saint Ursanne, die Doline des Creugenat, die Höhlen von Réclère und Milandre. Der schönste und umfassendste Aussichtspunkt ist das Signal de Roche d'Or (auch Faux d'Enson geheissen) mit 930 m.
Der grössere Teil des Amtes trägt den Landschaftsnamen Ajoie oder Elsgau. Dieser war einer der Stände des ¶