(lat. provincia), in der
Sprache
[* 2] des röm.
Staatsrechts ein gewisser jemand angewiesener Geschäftskreis oder
gegebener Auftrag; dann besonders ein Land, welches der römischen Oberherrschaft unterworfen war und von römischen
Magistraten
(Prokonsul,
Proprätor) verwaltet wurde. Die
Angehörigen derProvinz
(Provinzialen), deren rechtliche
Stellung
eine sehr verschiedenartige war, hatten außer den Kommunalabgaben noch eigentliche Provinziallasten zu tragen, d. h.
Abgaben an den
Statthalter, z. B. Naturallieferungen für dessen Hofhaltung
oder an deren
Stelle Geldabgaben, endlich aber auch
noch Leistungen an den römischen
Staat
(Grund- und
Vermögenssteuern), bei welchen zumeist die berüchtigten Staatspachter
(publicani) eine bedeutende
Rolle spielten. In der neuern
Staatsverwaltung versteht man unter Provinzen die größern Unterabteilungen
eines Staatsganzen, deren
Bildung sich vielfach aus der frühern Besonderheit verschiedener, später zu einem größern Staatskörper
vereinigter
Länder erklärt. Der moderne
Einheitsstaat ist jedoch dem sogen.
Provinzialsystem, welches die Provinzen mit einer
besondernProvinzialregierung und
¶
mehr
Provinzialgesetzgebung ausstattet, nicht eben günstig. So wurde z. B. in Frankreich durch die Revolution 1789 die frühere
Einteilung in Provinzen, welche auf der Stammeseigentümlichkeit beruhte, beseitigt und an deren Stelle im Interesse einheitlicher
Verwaltung und zur Beseitigung provinzieller Gegensätze die Einteilung in Departements gesetzt. Dagegen ist in Preußen
[* 4] in Befolgung
des Prinzips der kommunalen Selbstverwaltung den Provinzialverbänden die innere Verwaltung in einem gewissen
Umfangübertragen worden (s. Provinzialordnung). Auch der Bezirk eines Erzbischofs wird Provinz genannt. Zuweilen bezeichnet man
auch mit Provinz das gesamte Land im Gegensatz zur Hauptstadt. Provinziell (provinzial), die Provinz betreffend, dahin gehörig.
(lat. provincia), ursprünglich nach röm. Staatsrecht der einem Magistrat zugeteilte Amtsbereich, namentlich
auch das Kommando in einem bestimmten Kriege. Dann wird der Begriff übertragen auf ein Rom
[* 6] unterworfenes,
von Rom aus, gewöhnlich durch den erobernden Feldherrn und eine Senatskommission, geordnetes (forma provinciae) und verwaltetes
Land. Die ersteProvinz in diesem Sinne war, seit 241 v.Chr., Sicilien. Für die Verwaltung der Provinz wurden anfänglich eigene Prätoren
erwählt, später traten für sie Proprätoren und Prokonsuln (s.d.) ein.
Der Grund und Boden der Provinz wurde, soweit er nicht Eigentum der privilegierten Städte war, für steuerpflichtiges Staatseigentum
(ager publicus) erklärt. Er unterschied sich dadurch bestimmt von dem durchaus steuerfreien Boden des Herrenlandes Italien.
[* 7] Innerhalb der Provinz bestanden Steuerbezirke und Gerichtssprengel (conventus). Die Einzelverwaltung
beruhte auf städtischem System. Vertreter aus der ganzen Provinz versammelten sich in einzelnen Provinz schon unter der Republik in
einem Provinziallandtage (communia, grch. koiná) zur gemeinsamen Beratung über Provinzialangelegenheiten. systematisch durchgeführt
und mit dem Kaiserkult verbunden wurde aber diese Institution erst in der Kaiserzeit.
Die Oberbehörde für Rechenschaftsablage der Statthalter, Beschwerden der Provinzialen u.s.w. war der Senat.
Die Monarchie verbesserte das Los der von den republikanischen Beamten arg ausgesogenen Provinz und begann schon seit Augustus die
Sonderstellung Italiens
[* 8] mehr und mehr zu nivellieren, bis diese unter Diocletian und Konstantin ganz aufhörte. Durchgängig
schuf schon Augustus eine straffere gleichmäßigere Organisation. Alle Provinz sind der Oberaufsicht des Princeps
untergeben.
Außerdem wurden 27 v.Chr. die sämtlichen vorhandenen Provinz in
speciell kaiserliche und senatorische der Doppelherrschaft
des Principats (s. Princeps) entsprechend geteilt. Unter Verwaltung des Senats standen die befriedeten Innenprovinzen; der
kaiserl. Verwaltung waren dagegen die des Schutzes bedürftigen, mit ständigen Garnisonen versehenen Außenprovinzen
und militärisch wichtigen Innenprovinzen unterstellt. In der Folgezeit haben sich mancherlei Veränderungen in der Verteilung
vollzogen; die neu eroberten Provinz wurden sämtlich kaiserlich.
Für die senatorischen Provinz blieb im ganzen der alte Verwaltungsapparat. AlleStatthalter hießen Prokonsuln, obwohl es eigentlich
nur zwei konsularische Provinz (Asia und Afrika)
[* 9] gab, waren aber Civilbeamte. Bei den kaiserl. Statthaltern, den
vom Kaiser ernannten legatiAugustipro praetore, überwiegt der militär. Charakter. Außerdem sandte der Kaiser in bestimmte
Provinz, die die unmittelbarste kaiserl. Aufsicht forderten (Hausprovinzen, wie Judäa, die Alpenprovinzen), seine Hausbeamten (procuratores).
Auch sie trugen Offizierscharakter. In der spätern Kaiserzeit wirkt wachsend die Tendenz, die Provinz zu verkleinern.
Sie gelangt zum Abschluß mit der letzten großen Reform der Verwaltung der römischen Provinz unter Diocletian und Konstantin, nach
der es, statt der 45 Provinz unter Trajan, deren 110 gab. Die Trennung der senatorischen und kaiserlichen Provinz hört auf, alle Statthalter
werden Civilbeamte. Das Reich zerfällt (mit Ausnahme von Rom undKonstantinopel)
[* 10] in vier große Generalstatthalterschaften,
die den vier praefecti praetorio unterstehen. Die eigentlichen Provinzialstatthalter heißen praesides und correctores, für
wichtige größere Gebiete auch vicarii und comites.
In neuerer Zeit bezeichnet man als Provinz die verschiedenen Teile eines Staatsganzen, namentlich wenn, wie im Königreich Preußen,
bei dieser Einteilung die Eigenart der Länder und der Bevölkerung,
[* 11] sowie ihr früherer geschichtlicher
Zustand Berücksichtigung gefunden hat. In Frankreich behauptete sich, trotz aller von Richelieu und mehr noch von Ludwig XIV.
gegen die Provinzialfreiheiten geführten Streiche, ein ähnliches System selbst während des 18. Jahrh., bis die Revolution
und das erste Kaiserreich den centralistischen Gedanken rücksichtslos durchführten.