Provinz
(lat. provincia), ursprünglich nach röm. Staatsrecht der einem Magistrat zugeteilte Amtsbereich, namentlich auch das Kommando in einem bestimmten Kriege. Dann wird der Begriff übertragen auf ein Rom unterworfenes, von Rom aus, gewöhnlich durch den erobernden Feldherrn und eine Senatskommission, geordnetes (forma provinciae) und verwaltetes Land. Die erste Provinz in diesem Sinne war, seit 241 v.Chr., Sicilien. Für die Verwaltung der Provinz wurden anfänglich eigene Prätoren erwählt, später traten für sie Proprätoren und Prokonsuln (s.d.) ein.
Der Grund und Boden der Provinz wurde, soweit er nicht Eigentum der privilegierten Städte war, für steuerpflichtiges Staatseigentum (ager publicus) erklärt. Er unterschied sich dadurch bestimmt von dem durchaus steuerfreien Boden des Herrenlandes Italien. Innerhalb der Provinz bestanden Steuerbezirke und Gerichtssprengel (conventus). Die Einzelverwaltung beruhte auf städtischem System. Vertreter aus der ganzen Provinz versammelten sich in einzelnen Provinz schon unter der Republik in einem Provinziallandtage (communia, grch. koiná) zur gemeinsamen Beratung über Provinzialangelegenheiten. systematisch durchgeführt und mit dem Kaiserkult verbunden wurde aber diese Institution erst in der Kaiserzeit.
Die Oberbehörde für Rechenschaftsablage der Statthalter, Beschwerden der Provinzialen u.s.w. war der Senat. Die Monarchie verbesserte das Los der von den republikanischen Beamten arg ausgesogenen Provinz und begann schon seit Augustus die Sonderstellung Italiens mehr und mehr zu nivellieren, bis diese unter Diocletian und Konstantin ganz aufhörte. Durchgängig schuf schon Augustus eine straffere gleichmäßigere Organisation. Alle Provinz sind der Oberaufsicht des Princeps untergeben.
Außerdem wurden 27 v.Chr. die sämtlichen vorhandenen Provinz in speciell kaiserliche und senatorische der Doppelherrschaft des Principats (s. Princeps) entsprechend geteilt. Unter Verwaltung des Senats standen die befriedeten Innenprovinzen; der kaiserl. Verwaltung waren dagegen die des Schutzes bedürftigen, mit ständigen Garnisonen versehenen Außenprovinzen und militärisch wichtigen Innenprovinzen unterstellt. In der Folgezeit haben sich mancherlei Veränderungen in der Verteilung vollzogen; die neu eroberten Provinz wurden sämtlich kaiserlich.
Für die senatorischen Provinz blieb im ganzen der alte Verwaltungsapparat. Alle Statthalter hießen Prokonsuln, obwohl es eigentlich nur zwei konsularische Provinz (Asia und Afrika) gab, waren aber Civilbeamte. Bei den kaiserl. Statthaltern, den vom Kaiser ernannten legati Augusti pro praetore, überwiegt der militär. Charakter. Außerdem sandte der Kaiser in bestimmte Provinz, die die unmittelbarste kaiserl. Aufsicht forderten (Hausprovinzen, wie Judäa, die Alpenprovinzen), seine Hausbeamten (procuratores).
Auch sie trugen Offizierscharakter. In der spätern Kaiserzeit wirkt wachsend die Tendenz, die Provinz zu verkleinern. Sie gelangt zum Abschluß mit der letzten großen Reform der Verwaltung der römischen Provinz unter Diocletian und Konstantin, nach der es, statt der 45 Provinz unter Trajan, deren 110 gab. Die Trennung der senatorischen und kaiserlichen Provinz hört auf, alle Statthalter werden Civilbeamte. Das Reich zerfällt (mit Ausnahme von Rom und Konstantinopel) in vier große Generalstatthalterschaften, die den vier praefecti praetorio unterstehen. Die eigentlichen Provinzialstatthalter heißen praesides und correctores, für wichtige größere Gebiete auch vicarii und comites.
In neuerer Zeit bezeichnet man als Provinz die verschiedenen Teile eines Staatsganzen, namentlich wenn, wie im Königreich Preußen, bei dieser Einteilung die Eigenart der Länder und der Bevölkerung, sowie ihr früherer geschichtlicher Zustand Berücksichtigung gefunden hat. In Frankreich behauptete sich, trotz aller von Richelieu und mehr noch von Ludwig XIV. gegen die Provinzialfreiheiten geführten Streiche, ein ähnliches System selbst während des 18. Jahrh., bis die Revolution und das erste Kaiserreich den centralistischen Gedanken rücksichtslos durchführten.