diejenigen niedern
Wesen, die bei meist geringer
Größe keine
in
Zellen gesonderten
Organe zeigen (vgl.
Metazoen) und sich gewöhnlich ungeschlechtlich fortpflanzen. Die niedrigsten unter
ihnen sind so einfach gebaut, daß sie aus Mangel an charakteristischen Merkmalen sich mit Sicherheit weder dem
Tier- noch
dem
Pflanzenreich zuteilen lassen und daher bald von den Zoologen, bald von den Botanikern in Anspruch
genommen oder auch wohl als besonderes
Reich,
das der
Protisten, den echten
Tieren und den echten
Pflanzen gegenübergestellt
werden.
Aus ihnen sind dann nach darwinistischer
Anschauung alle höhern
Wesen im
Lauf der Zeit hervorgegangen. Weil
sich an ihnen ferner die wichtigsten Lebensäußerungen, wie
Bewegung,
Reizbarkeit etc., in ihrer primitivsten Form studieren
lassen, sind sie für den Naturforscher von großer Bedeutung. Sie zerfallen in mehrere
Gruppen. Die erste von ihnen sind
die
Amöben (Amoebaea), zu denen auch der wieder fraglich gewordene
Bathybius (s. d.) gerechnet wird. Diese
bestehen nur aus einem meist mikroskopisch kleinen, formlosen, beweglichen Klümpchen eines eiweißartigen
Schleims, dem sogen.
Protoplasma oder der
Sarkode (s. d.). Es sendet nach Belieben von allen
Punkten der Oberfläche fingerartige Fortsätze oder
feine
Fäden (Scheinfüße,
Pseudopodien) aus und bewegt sich, indem es allmählich mit seiner ganzen zähflüssigen
Masse in
sie hineingleitet, langsam fort, umhüllt auch kleinere Gegenstände, die es auf seinem Weg antrifft,
und läßt sie, nachdem es ihnen die etwanigen
Nahrungsstoffe entzogen, wieder frei.
Hiernach ist also jede
Stelle des kleinen
Wesens, wenn es nötig wird,
Mund, jede
After; von einem Innern des
Körpers im
Gegensatz
zur
Hülle ist gleichfalls nicht in dem
Sinn die
Rede wie bei den höhern Organismen. Im Innern der
Sarkode
befindet sich der
Kern, der allerdings bei einigen
Arten noch nicht nachgewiesen worden ist. (Diese kernlosen
Arten faßte man
früher unter dem
NamenMoneren zusammen, wahrscheinlich gibt es aber gar keine solchen.) Mithin sind die
Amöben in ihrer einfachsten Form nackte
Zellen ohne
Hülle und ohne bestimmte Gestalt; sie haben große
Ähnlichkeit
[* 2] mit den
weißen Blutkörperchen
[* 3] der
Wirbeltiere und vermehren sich gleich diesen durch einfache
Teilung. Im Zustand der
Ruhe ziehen
sie sich zu einer
Kugel zusammen.
Die zweite
Klasse bilden die
Rhizopoden (s. d.), zu der man übrigens auch die
Amöben als eine Unterordnung
rechnen kann. Die dritte
Klasse sind die
Gregarinen
[* 4] (s. d.), die vierte die Geißelträger
(Flagellaten, Mastigophora), so genannt,
weil sie sich mit
Hilfe eines wie eine
Peitsche geschwungenen Fortsatzes im
Wasser fortbewegen.
Manche von ihnen sind grün gefärbt
und lassen sich dann von den frei beweglichen Jugendzuständen echter
Pflanzen, namentlich von den
Schwärmsporen
der
Tange, nur schwer unterscheiden (s.
Algen,
[* 5] S. 342). Im übrigen sind die
Flagellaten einfache
Zellen und leben einzeln oder
in
Kolonien im
Meer und im
Süßwasser.
Wichtig sind die Euglenen (Euglena) und Protokokken
(Protococcus) sowie die Volvocinen
(Volvox) und die
Meerleuchten (Noctiluca). Die erstgenannten treten zuweilen in ungeheuern
Massen auf und überziehen die
Teiche mit einer grünen
Schleimdecke oder färben auf den
Alpen
[* 6] den
Schnee
[* 7] oder in verschlossenen
Schränken die
Speisen mit einemmal blutrot.
Volvox
lebt in kugeligen
Kolonien von der
Größe eines Stecknadelkopfes, die vermittelst der gemeinsamen
Schwingungen
der
Geißeln aller Einzelwesen umherbewegt werden.
Eine besondere
Rolle im
Meer spielen die Noktiluken (s.
Meerleuchten). Die fünfte
Klasse endlich sind die
Infusorien (s. d.).
Die Protozoen leben meist im
Meer, teils auf der Oberfläche oder auf dem
Grund schwimmend oder kriechend, teils an
Steinen,
Pflanzen
etc. festgewachsen; andre finden sich im süßen
Wasser, wenige auf dem Land, mehrere parasitisch in höhern
Tieren. Sie sind meist von sehr geringer
Größe, und nur wenige erreichen einen
Durchmesser von mehreren
Milli- oder selbst
¶
mehr
Zentimetern. Viele aber treten in erstaunlicher Individuenzahl auf, und ihre unverweslichen Überreste, wie die Kieselschalen
der Radiolarien, die Kalkschalen der Foraminiferen, setzen oft ganze Gebirgsschichten zusammen.
Bütschlis große Monographie der Urtiere teilt dieselben in vier Klassen: Sarkodetierchen (Sarcodina), Sporentierchen
(Sporozoa), Geißeltierchen (Mastigophora) und Aufgußtierchen (Infusoria). Die Sarkodetierchen entsprechen
ungefähr der frühern Abteilung der Rhizopoden und zerfallen in die Ordnungen der Strahlentierchen oder Strahlinge (Radiolaria),
Sonnentierchen (Heliozoa) und Wurzelfüßer (Rhizopoda). Von diesen Ordnungen haben die Strahlinge den größten Zuwachs an
neuen Arten erfahren, indem durch HäckelsMonographie über die auf der Expedition des Challenger gesammelten Radiolarien die
Zahl derselben von 810 auf 4318 gestiegen ist, die sich insgesamt auf 739 Gattungen verteilen; auch von
den Wurzelfüßern sind zahlreiche neue Arten beschrieben worden.
Die überwiegende Mehrzahl der Sarkodetierchen besitzt ein Gehäuse, sei es aus chitiniger Masse, oder aus kohlensaurem Kalk,
oder aus Kieselsäure, oder aus agglutinierenden Fremdkörpern. Das Baumaterial, aus welchem bei den einzelnen
großen Abteilungen der Sarkodetierchen das Skelett
[* 10] aufgebaut wird, ist von großem Einfluß auf die Wahl des Formtypus des
Gehäuses und auf das weitere Wachstum desselben. Am gröbsten und einfachsten konstruiert sind die Gehäuse aus Fremdkörpern,
von größerer Festigkeit
[* 11] sind die Gehäuse aus kohlensaurem Kalk, und die bedeutendste Festigkeit bei größter
Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Form zeigen die Kieselskelette der Strahlinge, die an die kühnen, luftigen Eisenkonstruktionen
menschlicher Bauwerke erinnern.
Eine weitere Ursache für die verschiedenen Formtypen des Skeletts der Sarkodetierchen liegt in der verschiedenen Lebensweise
dieser Urtiere. Frei schwimmenden, im Wasser rotierenden Formen kommt Kugelgestalt zu, die Pseudopodien treten
nach allen Seiten gleichmäßig aus, und ebenso ist die kugelige Schale gleichmäßig von gleichwertigen Löchern durchbohrt
(perforater Formtypus). Bei Tieren dagegen, welche beim Schwimmen oder Kriechen eine bestimmte, senkrecht stehende Hauptachse
besitzen, sind nicht alle Pseudopodien, die austreten, gleichwertig, sondern eine größere Anzahl tritt gemeinschaftlich
aus einer größern Öffnung der Zentralkapsel, dem Oskulum, aus, welchem eine größere Öffnung in der
Schale, das Pylom, entspricht (pylomatischer Formtypus).
Wird beim Kriechen eine bestimmte Richtung festgehalten,
so entsteht der eudipleure (bilaterale) Typus, dessen erste Andeutung
in einer Biegung des das Pylom tragenden, röhrenförmigen Halses besteht. Die Art und Weise des weitern
Wachstums ist entweder konzentrisch oder terminal; ersteres findet sich nur bei den Kieselskeletten der Strahlinge, während
bei dem terminalen Wachstum der gehäusebesitzenden Wurzelfüßer die Kammern aneinandergesetzt, zugleich aber häufig spiralig
eingerollt werden, wobei sie denselben Windungsgesetzen folgen wie die Molluskenschalen.
Die Skelettsubstanz wird bei der Mehrzahl der Sarkodetierchen von dem Protoplasma ausgeschieden;
bei denjenigen
Formen, welche, wie die Süßwassergattung Difflugia, ihr Gehäuse aus Fremdkörpern bauen, erfolgt die Aufnahme des Baumaterials
durch Reflexvorgänge;
sobald eine Reizung der ausgestreckten Pseudopodien des herumkriechenden Tieres erfolgt, werden jene
höckerig und runzelig, so daß Sandkörnchen u. dgl.
hängen bleiben, welche dann in das Innere des Tieres, das Entoderm, aufgenommen werden;
erst nachträglich
wird dieses Material dann wieder auf der Oberfläche zum Bau einer Schale zur Ablagerung gebracht.
Die Fähigkeit, Verletzungen
der Schale zu ersetzen und ebenso, sich aus Teilstücken zu regenerieren, fehlt den einschaligen Sarkodetierchen und kommt
nur den mehrschaligen zu, hängt aber hier von der Anwesenheit des Kernes ab, welchem demnach eine bedeutsame
Rolle bei der Sekretion zufällt. Von den Sarkodetierchen sind die Radiolarien ausschließlich marin, die Sonnentierchen leben
vorzugsweise im Süßwasser, die Wurzelfüßer teils im Meere, teils im Süßwasser;
Zu der zweiten Klasse der Protozoen, den Sporozoen, gehören die Ordnungen der Gregarinen, der Coccidien oder eiförmigen
Psorospermien, der Myxopsoridia oder Fischpsorospermien und der Sarcopsoridia oder parasitischen Schläuche. Die Morphologie
und Biologie dieser merkwürdigen Lebewesen ist noch wenig bekannt; die Entwickelung scheint meist in einer Reihe aufeinander
folgender und sehr verschieden gestalteter Stadien zu verlaufen, zwischen welchen Ruhezustände, Encystierungen, liegen.
Sie sind durchweg Parasiten höherer Tiere, besonders der Säugetiere und des Menschen, halten sich entweder
in den Körperhohlräumen (Darm,
[* 12] Leibeshöhle) oder in den Geweben ihrer Wirte auf und dringen in letzterm Falle in das Innere
der Zellen selbst ein, sogar in die Blutkörperchen. Neuere Untersuchungen lassen in ihnen sehr gefährliche Parasiten vermuten,
denn es scheint, daß die Entstehung von Malaria, Febris recurrens und ähnlicher Krankheiten auf derartige
Formen zurückzuführen ist.
Bekannt sind sie als die Ursachen zweier gefährlicher Vogelkrankheiten, des ansteckenden Epitheliums der Hühner
[* 13] und Tauben
[* 14] und der Flagellatendiphtherie der Vögel.
[* 15] Im erstern Falle ist es eine eigentümliche Hauterkrankung, die als warzenartiger,
äußerst ansteckender Hautausschlag auftritt, der Parasit findet sich im Innern der Epithelzellen und
erscheint als einfach geformtes, rundliches Gebilde. Die zweiterwähnte Krankheit charakterisiert sich als diphtheritische
Entzündung der Schleimhäute, die häufig auch auf tiefere Teile, selbst Knochen
[* 16] und Knorpel,
[* 17] übergreift und meist zum Tod¶
mehr
führt. Die Krankheitserreger finden sich außerordentlich zahlreich in den Exsudatmassen; ob sie zu den Flagellaten gehören,
ist nicht sicher entschieden, da die kugeligen Dauerzustände, welche die Parasiten bilden, die Annahme naher Verwandtschaft
mit den Krankheitserregern der erst erwähnten Krankheit nahe legen.
Die Klasse der Geißeltierchen, Mastigophora, welche in dem Bütschlischen System zum erstenmal als selbständige
Klasse auftreten, und die bisher Flagellaten im weitern Sinne hießen, zerfallen in die Ordnungen der Flagellaten, Geißeltierchen
im engern Sinne, Choanoflagellata (Trichtergeißeltierchen), Dinoflagellata (Wirbelgeißeltierchen), Cilioflagellata (Wimpergeißeltierchen)
und Cystoflagellata (Blasengeißeltierchen). Die überwiegende Mehrzahl der Geißeltierchen lebt frei, sowohl im süßen Wasser
(besonders Flagellaten) als im Meere (besonders Dinoflagellaten und Cystoflagellaten), ca. 20 Arten aber
auch parasitisch im Innern andrer Tiere, Wirbeltiere, Insekten,
[* 19] Myriopoden, Mollusken,
[* 20] wo sie vorzugsweise den Darm, seltener das
Blut und andre Organe bewohnen; zu ihnen gehört die in der katarrhalisch affizierten Scheide der Frauen lebende Trichomanos
vaginalis Denné ^[richtig: Donné (= AlfredDonné, 1801-1878)]. Einige, der Gattung Ceratium Bergh angehörige
Geißeltierchen, die sich sowohl im Meer als im Süßwasser finden, gehören zu den weitverbreitetsten niedern Organismen in
größern Wasseransammlungen; hornförmige, reichlich mit Stacheln versehene Fortsätze des Panzers ermöglichen eine leichte
Haftbarkeit an fremden Objekten und dadurch bedingte Gelegenheit zu einer weiten Verschleppung. Viele
marine Geißeltierchen, zu denen auch die Noctiluca gehört, besitzen die Fähigkeit des Leuchtens.
Die Klasse der Infusorien zerfällt in die große Unterklasse der Ciliata (Wimperinfusorien) und in die kleine, nur eine Familie
enthaltende Unterklasse der Suctoria (Sauginfusorien), erstere in die Ordnungen der Peritricha (Ringhaarige), Hypotricha (Bauchhaarige),
Heterotricha (Verschiedenhaarige) und Holotricha (Ganzhaarige). Je nach der Fähigkeit, die Form zu ändern,
sind unter den Infusorien vier Gruppen zu unterscheiden: starre Infusorien, bei denen überhaupt keine Formveränderung stattfindet,
elastische, welche ihre Körpergestalt nicht selbstthätig verändern, sondern nur infolge äußern Druckes, bei dessen Aufhören
der Körper seine frühere Gestalt wieder annimmt;
biegsame oder flexile Infusorien, welche zwar selbstthätig
ihre Gestalt wechseln, ohne daß jedoch die allgemeine Form verloren ginge, und endlich kontraktile Infusorien, bei welchen
eine Körperdimension auf Kosten der andern verlängert oder verkürzt wird, wodurch die Gestalt wesentlich verändert wird.
Der Größe nach können sie ebenfalls in vier Gruppen geteilt werden, wobei als sehr klein Formen von 0,04
mm betrachtet werden, als sehr groß dagegen solche, die 0,25 mm überschreiten. Die Infusorien sind die höchst entwickelten
Protozoen, denn hier finden sich Formen, deren physiologische Leistungen denen der Metazoen gleich zu setzen sind; dagegen behalten
sie morphologisch den Wert einer Zelle,
[* 21] was sich besonders bei der ganz als Zellteilung verlaufenden Fortpflanzung
dokumentiert.
Der Infusorienkörper läßt eine innere Schicht und ein äußeres Ektoplasma unterscheiden, welches entweder homogen erscheint
oder einen wabenartigen Bau besitzt (Alveolarschicht). Zwischen Alveolarschicht und Entoplasma verläuft bei vielen noch eine
besondere Schicht, die Kortikalschicht, welche die Trichocysten enthält; häufig ist bei den Infusorien
eine Längsstreifung,
die durch Reihenstellung der die Wimper tragenden Höckerchen bedingt wird.
Die Fortpflanzung geschieht durch Teilung und von Zeit zu Zeit eintretende Konjugation, welch letztere eine Auffrischung des
Körpermaterials bezweckt. Bei zahlreich aufeinander folgenden Teilungen, ohne daß die Möglichkeit zur Konjugation gegeben
ist, tritt senile Degeneration ein, wobei unter anderm die Wimpern abfallen und vor allem eine starke Veränderung
des Kernes sich bemerkbar macht. Die Infusorien sind zum größten Teil frei lebende Geschöpfe, einige aber sind als Parasiten
bekannt, so aus dem Blut und dem Darmtraktus verschiedener Süßwasser- und Meereskrebse;
die Krankheit, der sekundär Schimmelbildung folgt, kann
unter junger Brut, z. B. Forellenbrut, erhebliche Verwüstungen anrichten.
Physiologische Untersuchungen der Protozoen haben ergeben,
daß die Mehrzahl der Sarkodetierchen, einige Geißeltierchen und wahrscheinlich alle gewimperten Infusorien blind sind, ebenso
mangeln ihnen Tonempfindungen; alle übrigen Reize werden empfunden.
Die Protozoen beanspruchen immer mehr eine erhöhte Würdigung als Erreger von
Infektionskrankheiten, und das Studium derselben unter diesem Gesichtspunkt verspricht die gleiche Wichtigkeit zu erlangen
wie die Bakteriologie. Besonders sind es die Sporozoen, die sich vielfach als tierische Schmarotzer finden; über ihre Lebensgeschichte,
besonders über die Zusammengehörigkeit der unter verschiedenen Namen beschriebenen einzelnen Stadien in ihrer Entwickelungsgeschichte
[* 26] ist allerdings noch wenig bekannt.
Die Cysten der Gregarinen kommen nie intracellular vor, sondern finden sich frei im Wirtstier; sie besitzen eine rundliche
Form. Durch Teilung oder Knospung zerfällt der Cysteninhalt zu je einen Kern enthaltenden Teilstücken,
von denen ein jedes sich wieder mit einer eignen Kapsel umgibt (Sporocysten oder Pseudonavicellen). Der Inhalt der an Gestalt
sehr mannigfachen Sporocysten zerlegt sich nochmals in eine Anzahl von Sichelkeimen, die die Jugendform der Gregarine sind;
sie dringen in die paffenden Wirtszellen oder auch in deren Kern ein als Karyophagen, runden sich darin
ab und wachsen endosmotisch, bis der Kern oder der Gesamtinhalt der Wirtszelle aufgezehrt ist. Bei weiter zunehmendem Wachstum
wird die Wirtszelle gesprengt, der Parasit fällt aus und führt nun ein frei bewegliches Leben im Darm- oder Hodensaft des
Wirtes.
Die folgenden zwei Ordnungen der schmarotzenden Sporozoen sind Zellparasiten, d. h. sie leben im Innern
der Zellen oder selbst der Zellkerne der Wirtstiere; eine Eigentümlichkeit dieser Cellularinfektionen ist die Mehrlingsinfektion.
Wo die Raumverhältnisse es gestatten, wandern die Keime zu zwei, drei und oft auch herdenweise in die Zelle ein. Die ei- oder
kugelförmigen Coccidien finden sich in den roten Blutscheiben des Frosches, der grünen Eidechse, der
Sumpfschildkröte, der Raubvögel,
[* 28] Würger, Rabenvögel, Sperlingsvögel,
[* 29] Lerchen etc., außerdem sind hierher gehörige Formen
gefunden worden im Darme des Kaninchens und des Salamanders, in den Harnkanälen der Gans, im Hühnerei und im Darm des Myriapoden
Lithobius.
Während die Gregarinen auf Gliedertiere und Würmer
[* 30] angewiesen sind, kommen demnach die Coccidien bei Wirbeltieren
und Mollusken, selten bei Myriapoden vor; da sie bei Haustieren sowie in Hühnereiern vorkommen, auch beim Menschen gefunden
wurden und unheimliche Zellverwüstungen zu verursachen im stande sind, so haben sie besondere Wichtigkeit. Im erwachsenen
Zustande fehlt den Coccidien die freie Beweglichkeit. In der Entwickelungsgeschichte ist ein Schwärmercystenstadium
nachgewiesen, d. h. eine große Parasitencyste mit direkter Sichelkeimbildung und ohne Sporocystenzwischenstufe.
Die Sporen bei den Mikrosporidien besitzen nur einen Längsdurchmesser von zwei Mikromillimeter und sind
feste, glänzende, undurchsichtige Körner ohne weitere erkennbare Struktur. Aus ihnen schlüpft eine Amöbe aus, die in Epithelzellen,
Zellen des Fettkörpers, der Spinndrüsen, des Genitalapparates und in die Eier
[* 31] einkriecht, zu ein, zwei oder viel Exemplaren
gleichzeitig. Die verschmelzenden Amöboidkeime zehren die Zelle aus, encystieren sich einzeln oder gemeinschaftlich und
¶
mehr
infizieren durch neue Keime schließlich fast sämtliche Zellen des Wirtes.
Die Ordnung der Myxosporidien (Psorospermien) kommt der Hauptsache nach bei Fischen vor, wo die Schmarotzer eine ungemein weite
Verbreitung in den verschiedensten Organen derselben haben (vgl. Fische).
[* 33] Sie sind Zellkernfresser; aus den infizierten Zellen
fallen die Schmarotzer bei zunehmendem Wachstum aus und schwimmen als nackte Plasmodien oder Amöben umher;
die Sporen sind ungemein charakteristisch, und jede Fischspezies hat ihre eigen gebaute Sporidienspezies.
Die unter dem Namen der Sarcosporidien oder Miescherschen Schläuche bekannten parasitischen Sporozoen, deren Lebensgeschichte
noch sehr dunkel ist, sind bei fast allen pflanzenfressenden Säugetieren (Fleischfressern fehlen sie) und
einigen Vögeln gefunden. Sie stellen wesentlich bis zu 2 mm lange Schläuche dar, welche bei ihrem massenhaften Auftreten dem
befallenen Muskelfleisch ein gestricheltes Aussehen verleihen;
bald ist der Schlauch langgestreckt und spindelförmig;
bald
kürzer und dick;
er ist von einer derben Haut umkleidet, welche zuweilen in einen dichten, borsten- oder
röhrenartigen Besatz ausläuft.
Das Innere des Schlauches ist angefüllt mit Kugeln. Die Schläuche wachsen an Ort und Stelle
weiter, ihr ferneres Schicksal aber ist unbekannt, sie verharren wie die eingekapselte Trichine
[* 34] bis zum Tode des Wirtes an ihrer
Stelle; in den Kugeln der Schläuche kommen Sichelkeime zur Entwickelung, denen wohl die Infektion zufällt.
Sehr bemerkenswert ist, daß die Einspritzung
[* 35] dieser Sichelkeime in die Trachea und das Muskelgewebe gesunder Mäuse und Kaninchen
[* 36] eine heftige Ptomaïnwirkung erzeugt; ähnlich dem Kochschen Tuberkulin ruft das Extrakt von Sarcosporidienschläuchen bei
den Versuchstieren in kleinen Dosen prompte Fieberbewegung hervor, in großen Kollapserscheinungen, denen die Tiere bald
erliegen.
Aus der Klasse der Sarkodetierchen kommen besonders Amöben als Parasiten in Betracht; es sind deren einigemal im Darme von ruhrkranken
Kindern gefunden worden, hierher gehören aber vor allen andern auch die in ihrer Entwickelungsgeschichte
leider noch nicht hinreichend erkannten Krankheitserreger des Wechselfiebers (s. Wechselfieber, Bd. 18). Daß es sich hierbei
um einen tierischen Parasiten aus dem Kreise
[* 41] der Protozoen handelt, darf als erwiesen gelten. Bisher sind zwei Grundformen dieses
Parasiten gefunden worden mit zahlreichen Übergängen zwischen denselben:
1) Sichel- und Rundzellenformen, letztere eventuell mit Geißeln, und 2) Plasmodien oder amöbenartige
Organismen mit geschwänzten Schwärmsporen.
Die erste Form ist jedenfalls die »reproduktive Phase« des Parasiten, die zur Bildung
neuer Jugendformen, zur Erzeugung neuer Generationen führt, während die zweite Form, die »vegetative Phase«, hauptsächlich
der Entwickelung des Parasiten dient und ihn vom Jugendzustand der Reife entgegenführt. Die nähern Details
im Entwickelungskreislauf dieses Malariaparasiten sind noch nicht klargelegt; manche der verschiedenen Formen scheinen unter
sich noch ganz besondere Beziehung, einen eignen Entwickelungskreislauf mit eignen charakteristischen Figuren zu haben.
Gerade aber diese entwickelungsgeschichtlichen Details sind von größter Bedeutung wegen ihrer augenscheinlich nahen
Beziehungen zu den verschiedenen klinischen Formen des Malariafiebers. So ist ein besonderer Entwickelungscyklus des Parasiten
konstatiert im Blute von Kranken, die an der quartanen Form des Wechselfiebers leiden, und ein andrer Entwickelungscyklus ist
als charakteristisch für die Parasiten des tertianen Fiebers nachgewiesen worden. Möglicherweise handelt es sich bei den
verschiedenartigen Fieberkrankheiten um zwar ähnliche, aber verschiedene Arten als Krankheitserreger,
deren Entwickelung zwar ähnlich, aber nicht völlig identisch verläuft. Auch für manche andre Krankheitsprozesse, wie Blattern,
ist es wahrscheinlich, daß Protozoen aus der Klasse der Sarkodetierchen die Erreger sind. Auch diese Parasiten sind Zellparasiten.
Bemerkenswert ist bei allen Zellparasiten die Anpassung an die verschiedenen Wirtszellen. Für die Untersuchung
der parasitischen Protozoen bedarf es einer besondern, noch weiter der Ausbildung harrenden Technik, da das für die Untersuchung
von Bakterien aufgefundene Verfahren, mittels Farbereaktionen an getrockneten Deckglaspräparaten oder Schnitten, mittels Kulturen
auf festem oder sich verflüchtigendem Nährboden, mittels Verimpfung etc. die Spezies des Parasiten festzustellen,
für die Protozoenuntersuchung nicht geeignet ist.
Bei der Untersuchung der parasitären Protozoen sieht die Untersuchung des lebenden Parasiten im Vordergrund, da es darauf ankommt,
aus dem komplizierten Lebenslauf die einzelnen Phasen zu trennen, die Bewegungsvorgänge, Sporenbildung etc. klarzulegen.
Die Hauptaufgabe ist demgemäß die möglichst lange Erhaltung derLebensfähigkeit des Parasiten durch
Anpassung der Untersuchungsmethoden an eine natürliche Umgebung. Ein Analogon zu den bei der Bakteriologie üblichen
Plattenkulturen bilden die Kapillarkulturen, indem Protozoen in dem bauchigen, breitgedrückten Teil von Kapillarröhrchen
lebend erhalten werden, wobei sie sich direkt unter dem Mikroskop
[* 42] beobachten lassen.
Durch Fixierungsflüssigkeiten lassen sich im einzelnen Falle die natürlichen Formen der Protozoen leidlich gut
erhalten; heiße (50° C.), wässerige (1-5 Proz.) Sublimatlösung eignet sich gut zur raschen
Abtötung. Auch Goldchloridlösung (0,5 Proz.) fixiert vorzüglich;
für andre Fälle sind Dämpfe von Osmiumsäure, Kokain- und Chininlösung passend. Für die Beobachtung der Bewegungsvorgänge
dient ein eigens konstruierter Objektträger mit Warmwasserheizung auf genau zu bemessendem Wärmegrad.
Zur längern Konservierung von Untersuchungsmaterial, um an Topfpräparaten die natürliche Gestalt des Parasiten, die Zellinfektion
und die Sporen verfolgen zu können, ebenso zur Versendung eignet sich vorzüglich Chinolin, wovon eine kleine Menge zunächst
in Spiritus
[* 43] gelöst und dann weiter mit viel Wasser verdünnt wird.
Vgl. Pfeiffer, Die Protozoen als Krankheitserreger
(2. Aufl., Jena 1891).
¶