Prosa
(v. lat. prorsa,
sc. oratio, »geradeaus gehende Redeweise«) steht als Form sprachlichen
Ausdrucks sowohl der
Poesie als der schönen
Redekunst gegenüber. Wie jene die sprachlich schöne
Darstellung eines schönen,
diese eine solche eines wahren oder doch für wahr angegebenen Gedankengehalts, so ist die Prosa
die
schmucklose, aber korrekte und angemessene sprachliche
Darstellung wahren oder doch für wahr gehaltenen Gedankengehalts.
Dieselbe ist daher der entsprechendste
Ausdruck für die
Gedanken und
Ideen, bei denen es hauptsächlich auf logische Deutlichkeit
und
Kürze ankommt, während die poetische
Diktion vornehmlich
Schönheit erstrebt.
Jene erscheint in Hinsicht auf die
Ordnung ihrer sprachlichen Teile freier, wird daher auch als ungebundene
Rede (oratio soluta) bezeichnet; diese ist hinsichtlich ihrer sprachlichen
Glieder
[* 3] regelmäßig durch rhythmische und metrische
Gesetze gebunden. Weil die Prosa
den nüchternen
Zwecken der praktischen Alltäglichkeit zumeist dient und der
Schönheit nur ausnahmsweise
nachstrebt, hat sich mit dem
Wort prosaisch
der
Begriff des Nüchternen, Kunstabgeneigten verbunden.
Wenn man von poetischer Prosa
spricht, so ist damit regelmäßig die verwerfliche
Eigenschaft einer stilistischen
Darstellung
gemeint, welche in Gebiete des sprachlichen
Ausdrucks, die naturgemäß schlichte, verständige und nüchterne Gedankendarlegung
erheischen,
Formen hereinträgt, die sich
nur für den gehobenen
Ausdruck der
Poesie eignen. Die
Forderungen,
welche man an eine gute Prosa
stellt, ergeben sich aus den
Zwecken derselben. Sie muß vor allem grammatisch vollkommen sein,
d. h. der Sprachausdruck muß nach den
Regeln der
Grammatik richtig, genau und rein sein, während die poetische
Darstellung
zuweilen die grammatischen
Gesetze hintanstellen darf
(poetische Lizenzen).
Die Prosa
soll ferner die auszusprechenden
Gedanken überall in möglichst logischer
Ordnung,
Klarheit und Deutlichkeit vortragen.
Je nach ihren besondern Aufgaben wird auch Feinheit und
Anmut (urbanitas), Lebendigkeit und charakteristische
Treue,
Würde
und Innigkeit der
Diktion von ihr erheischt. Man unterscheidet zwei Hauptarten von Prosa:
die erzählende Prosa
, wohin
Geschichtschreibung, der
Roman mit der
Erzählung und
Novelle sowie die
Beschreibung und Schilderung oder
Charakteristik etc.
gehören, und die lehrende Prosa
, welche wieder in abhandelnde Prosa (Abhandlungen, Lehrbücher,
Dialoge,
Briefe) und rednerische
Prosa
(mit den verschiedenen
Arten von
Reden: politischen, gerichtlichen,
Lob-,
Schul-, geistlichen
Reden etc.) zerfällt.
Vgl. Wackernagel, Poetik, Rhetorik und Stilistik (2. Aufl., Halle [* 4] 1888). -