Presbyterianer
(griech.), Gesamtbezeichnung derjenigen
Bekenner der reformierten
Kirche im britischen
Reich und in
Nordamerika,
[* 2] welche im
Gegensatz zu der
Episkopalverfassung der anglikanischen
Kirche ihr Kirchenwesen nach den
Grundsätzen
Calvins ordneten. Sogleich beim Beginn der reformatorischen
Bewegungen in
England hatten sich viele dabei Beteiligte wegen der
von
Maria der
Katholischen über sie verhängten Verfolgungen nach Genf,
[* 3] Zürich,
[* 4]
Straßburg
[* 5] geflüchtet, wo sie sich mit den
Grundsätzen der
presbyteri
anischen
Kirchenverfassung befreundeten. In
Schottland gewannen sie unter
Führung von
John
Knox
(s. d.) bald die Oberhand.
Als durch
Elisabeths Thronbesteigung ihnen die Rückkehr auch nach
England erlaubt worden, nahmen sie als
Puritaner (s. d.)
eine schroffe
Stellung der anglikanischen
Kirche gegenüber ein. Es war die
Reformation durch die
Gemeinde, welche die Presbyterianer
der
Reformation durch die
Tudors entgegensetzten. Die
Uniformitätsakte von 1559, ein auf Gleichförmigkeit
im Kirchenwesen abzweckendes
Gesetz, die 39
Artikel von 1563, der zugleich damit in verschärfter Form wieder Angeführte Suprematseid
trieben sie endlich aus der
Kirche (seit 1567). Jetzt wurden sie im
Gegensatz zu denjenigen, welche sich diesen Befehlen fügten,
Nonkonformisten, später
Dissenters genannt.
Diese und alle Gegner der englischen
Episkopalkirche wurden zugleich als politische
Revolutionäre verfolgt. Die 1583 eingesetzte
kirchliche
Kommission, ein protestantisches Inquisitionsgericht, wütete gegen die Presbyterianer
, und ein
Gesetz von 1592 bestimmte, daß
jeder 17jährige, der sich zu den Presbyteri
anern halte, ins Gefängnis gebracht, ja sogar mit dem
Tod
bestraft werden solle. Dies steigerte aber nur den Trotz der dissentierenden
Partei. Ein
Prediger,
Namens
Field, zu
Wandsworth
bei
London
[* 6] errichtete daselbst 1572 die erste presbyteri
anische
Kirchengemeinde mit elf
Presbytern.
Ähnliche
Gemeinden entstanden in andern Gegenden
Englands, und noch unter
Elisabeths
Regierung wuchsen diese Presbyterianer
zu einer Zahl
von 100,000 heran; sie erklärten alle
Diener der
Kirche für einander völlig gleich, wollten die
Kirche
aus ihrer engen
Verbindung mit dem
Staat herausgerissen haben und forderten, daß die einzelnen
Kirchengemeinschaften durch
Presbyterien
, die ganze
Kirche aber durch eine aus diesen Presbyterien gebildete
Synode regiert werde. Eine
Fraktion der Presbyterianer
beanspruchte
sogar für jede
Gemeinde eine ganz selbständige
Regierung durch allgemeine Versammlungen.
Dies die
Ultras, die
Brownisten (s. d.), später Kongregationalisten oder
Independenten (s. d.) genannt. Nachdem die Presbyterianer
in den
letzten Regierungsjahren der
Elisabeth etwas
Ruhe gehabt hatten, begannen unter
Jakob I. und
Karl I. neue Verfolgungen; die absolutistisch
gesinnten
Stuarts verfolgten dieselben sogar in ihrem Heimatsitz
Schottland, wo ihnen jetzt anglikanische
Bischöfe und Kultusformen aufgedrungen werden sollten. In
England fürchtete man die Wiedereinführung des
Katholizismus und
gab die Ermordung der
Protestanten in
Irland (1641) dem König schuld.
Unruhen entstanden, welche, nachdem ein größtenteils mit Presbyterianern
besetztes
Parlament zu stande gekommen, zum
wirklichen
Bürgerkrieg gegen den König führten. Während desselben tagte
die vom
Langen
Parlament einberufene, aus englischen
und schottischen Presbyterianern
bestehende
Westminstersynode (1643-49), von welcher das
Glaubensbekenntnis der
Partei, die
noch in
Schottland gültige sogen. Westminsterkonfession (1648), herrührt.
Vgl. Hetherington, The history of the Westminster Assembly (4. Aufl., Edinb. 1878).
Solange Cromwell am Ruder war, behaupteten sogar die Independenten das Übergewicht; aber nach des Protektors Tod und Karls II. Rückkehr ward die Episkopalverfassung in England und Schottland wiederhergestellt. Eine neue Uniformitätsakte erschien 1662, und 2000 nonkonformistische Prediger verloren an Einem Tag ihre Ämter. Ein Toleranzedikt von 1672 hatte wenig Erfolg, zumal da durch die Testakte des Parlaments von 1673 jeder, der nicht den König als obersten Gewalthaber auch über die Kirche anerkannte und das Abendmahl nach anglikanischem Ritus empfing, von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen ward.
Tausende von Presbyterianern
und andern
Dissenters wanderten unter
Karls II.
Regierung in das Gefängnis oder entflohen
und gründeten in den nordamerikanischen
Kolonien presbyterianische
Kirchengemeinden. Erst 1689 gestattete eine Toleranzakte
in
England allen
Dissenters freie Religionsübung in
Kapellen und machte sie nur zur Fortentrichtung des
Zehnten an die Staatskirche
verbindlich. In der neuern und neuesten Zeit sind die
Freiheiten der Presbyterianer
noch vermehrt worden (s.
Anglikanische Kirche); dafür
haben diese aber auch viel von ihrer frühern asketischen Strenge aufgegeben und sich zum Teil an die
Episkopalkirche angeschlossen;
auch neigen sie sich neuerlich mehr arminianischen und selbst unitarischen Lehrmeinungen zu. Was die Presbyterianer
in
andern
Ländern, namentlich in
Nordamerika, anlangt, so haben sich dieselben in eine
Menge kleinerer
Parteien
gespalten, welche sich öfters nur durch ganz unwesentliche Eigentümlichkeiten voneinander unterscheiden.
Vgl. Weingarten, Die Revolutionskirchen Englands (Leipz. 1868);
Skeats, History of the free churches of England (2. Aufl., Lond. 1869);
Gillett, History of the Presbyterian church in the United States (2. Aufl., Philad. 1875);
Briggs, American Presbyterianism, its origin and growth (New York 1885).