Predigerse
minar,
Anstalt, in welcher junge Männer, die sich dem geistlichen Stand widmen wollen, in den Pastoralwissenschaften unterrichtet und in deren praktischer Anwendung geübt werden. Während die protestantische Kirche sich eng an die seit der Reformation allenthalben aufblühende staatlichen Universitäten anschloß und von ihren Dienern eine vorwiegend akademische Bildung verlangte, wandte sich die katholische Kirche, naturgemäßer Abneigung vor diesem Bildungswesen folgend, dem System der besondern geistlichen Bildungsanstalten mit strengerer, kirchlicher Beaufsichtigung und klösterlicher Zucht zu, und durch die tridentinische Synode ist die Ausbildung der Geistlichen auf solchen Seminaren in dem Maß vorherrschend geworden, daß man die Benutzung des akademischen Unterrichts neben diesen Seminaren mit der Zeit sogar ungern gesehen hat.
Auf evangelischer Seite sind in neuerer Zeit verschiedene Bildungsanstalten entstanden, die sich die
Aufgabe stellen, die
Theologie Studierenden oder
Kandidaten der
Theologie neben der wissenschaftlichen Vorbildung noch besonders
für die
Praxis vorzubilden und in dieselbe einzuführen. Dergleichen
Seminare bestehen gegenwärtig nicht bloß in allen Universitätsstädten
in der
Weise, daß für die in den letzten
Semestern stehenden Theologen unter Leitung eines
Professors praktische
Übungen im Predigen und Katechisieren vorgenommen werden, sondern es gibt auch außerhalb der
Universitäten Predigerse
minare,
welche sich in der Form den katholischen Alumneen nähern
(Berliner
[* 2] Domkandidatenstift,
Lokkum,
Hannover,
[* 3]
Wittenberg,
[* 4]
Herborn,
Wolfenbüttel,
[* 5]
Friedberg
[* 6] u. a.). Seltener sind solche Predigerse
minare, welche
Kandidaten nach dem akademischen
Studium und der
ersten
Prüfung aufnehmen, mit der
Universität verbunden, wie in
Heidelberg.
[* 7]
Ganz eigentümlich ist die Einrichtung in Württemberg, [* 8] wo einige niedere Seminare den künftigen Theologen bereits die gymnasiale Vorbildung vermitteln, aus denen diese dann in das theologische Stift zu Tübingen [* 9] übergehen, um dort während der Universitätszeit unter Leitung eigens angestellter Repetenten sich die theologische Berufsbildung anzueignen.
Vgl. Schenkel, Die Bildung der evangelischen Theologen für den praktischen Kirchendienst (Heidelb. 1863).