Potemkin
(spr. potjóm-),
Gregor Alexandrowitsch,
Fürst von, Günstling der
Kaiserin
Katharina II. von Rußland, geb. 16. (27.)
Sept. 1739 in der
Nähe von
Smolensk als Sohn eines verabschiedeten
Majors, studierte anfangs zu
Moskau,
[* 2] trat aber sodann unter das
Militär. Als
Katharina II. nach dem
Sturz ihres Gemahls
Peter III. vom
Thron
[* 3] zu
Pferde
[* 4] die Gardetruppen musterte, soll Potemkin
, damals
Wachtmeister, gewahr geworden sein, daß sie an ihrem
Degen kein Portepee habe,
und ihr das seinige angeboten haben.
Gewiß ist, daß er in der ersten Zeit der Regierung Katharinas die Aufmerksamkeit der Kaiserin erregte und am 30. Nov. zum Kammerjunker ernannt wurde. Bald darauf verlor er infolge der ungeschickte Behandlung eines Naturarztes ein Auge, [* 5] ohne daß seine Schönheit (man verglich ihn mit Alkibiades), wesentlich darunter litt. Doch veranlaßte ihn der Unglücksfall, sich auf 1½ Jahr vom Hof [* 6] zurückzuziehen. Als der Türkenkrieg ausbrach, ging er nach dem Süden, wo er an vielen Schlachten [* 7] teilnahm und mit großer Auszeichnung focht.
Als Generalleutnant zurückgekehrt, ward er von der Kaiserin auch zum Grafen ernannt und 1776 zu ihrem Generaladjutanten und erklärten Günstling erhoben. Bald beherrschte er die sinnliche Frau vollständig und riß sie in den Taumel seiner rohen Vergnügungen und seines ehrgeizigen, habgierigen Strebens mit fort. Nichts geschah ohne seine Zustimmung, und sowohl in die innere als in die äußere Politik griff er zum Teil auf verderbliche Weise ein, indem er das Land aussog, um sich zu bereichern, und die Kaiserin in immer neue Kriege und Unternehmungen stürzte. In kurzer Zeitfolge wurde er Minister, Oberbefehlshaber der Armee, Generalgouverneur der südlichen Provinzen und Großadmiral vom Schwarzen Meer.
Der
Kaiser
Joseph II. von
Österreich
[* 8] verlieh ihm schon 1776 die
Würde eines
Fürsten des heiligen römischen
Reichs. Viele kaiserliche
Ukase waren eigentlich sein Werk, und oft beugte sich die
Kaiserin vor dem Trotz ihres Günstlings.
Potemkin
war ein gewandter
Hofmann, der mit Verschlagenheit die altrussische Brutalität verband, allen edlern sittlichen
Ideen aber
ganz fremd war; an staatsmännischen
Talenten und Kenntnissen
fehlte es ihm nicht. Seine
Habsucht befriedigte
er so schamlos, daß er trotz seiner unsinnigen
Verschwendung ein kolossales
Vermögen sammelte.
Für seine
Verdienste um die Besetzung und
Verwaltung der
Krim
[* 9] erhielt
er den Beinamen des »Tawritscheskij« (Taurier). Als
Katharina 1787 dorthin
reiste, suchte Potemkin
sie durch die Außenseite der rasch aufgebauten
Dörfer,
Städte und
Paläste, durch militärische
Manöver der
Truppen und
Geschwader über das
Maß des raschen Aufblühens dieser
Provinzen zu täuschen. Als 1787 der zweite
Türkenkrieg ausbrach, übernahm Potemkin
den Oberbefehl der russischen
Armee und erhielt nach der Erstürmung von
Otschakow
das große
Band
[* 10] des
Georgsordens.
Obgleich es nicht an
Differenzen zwischen Potemkin
und
Katharina fehlte, blieb zwischen beiden bis zu Potemkins
Tod ein inniges, freundschaftliches
Verhältnis bestehen. Die
Kaiserin wußte seine großen
Geistesgaben und seine unbedingte
Ergebenheit zu schätzen. Potemkin
starb auf dem Weg von
Jassy nach
Nikolajew in den
Armen seiner
Nichte, der Gräfin Branicka, einer
gebornen v.
Engelhardt, Er wurde in
Cherson bestattet. Der
Großfürst
Paul ließ 1798 die Gebeine Potemkins
beseitigen,
so daß man lange Zeit über die eigentliche Grabstätte Potemkins
in Ungewißheit war. Erst
Kaiser
Alexander I. sorgte für
ihre Wiederbestattung, und
Kaiser
Nikolaus ließ es zu, daß die Stadt
Cherson zu
Ehren ihres
Gründers Potemkin
1836 dessen
Bildsäule von
Bronze
[* 11] aufstellte.
Vgl.
Saint-Jean
(Sekretär
[* 12] des
Fürsten),
Lebensbeschreibung des
G.-A. Potemkin
des Tauriers (hrsg.
von Rothermel, Karlsr. 1888).