Postsparka
ssen.
Der Gedanke, die Postanstalt mit ihren weitverzweigten, fast überall und zu jeder Zeit des Tags zugänglichen Organen zum Sammelpunkt für kleinere momentane Ersparnisse zu machen, hat zuerst in England praktische Anwendung gefunden. 1860 schlug Sykes aus Huddersfield dem damaligen Schatzkanzler Gladstone vor, zur Belebung des Sparsinnes auf gesunder, fruchtbringender Grundlage die Hinterlegung von Sparbeträgen unter Garantie des Staats durch Verbindung von Sparbanken mit der Post derartig zu ermöglichen, daß bei jedem Money-Order-Office eine Annahme- und Auszahlungsstelle für Spargelder eingerichtet würde.
Der
Vorschlag fand beifällige
Aufnahme, und traten die ersten Postsparkassen
(Post-Office Savings
Banks) ins
Leben. Einige Jahre
später (1865) wurde durch Parlamentsakte auch der Betrieb des staatlichen
Lebens- und Rentenversicherungswesens den
Postanstalten
überwiesen. Die Vornahme der Postsparka
ssengeschäfte findet gegenwärtig bei allen
Money-Order-Offices des
Vereinigten
[* 3] Königreichs während der Dienststunden für den Postbetrieb statt. Die Einlagen können 1
Schilling (1
Mark) oder mehr betragen,
dürfen jedoch die
Summe von 30 Pfd. Sterl. (600 Mk.) in einem Jahr nicht übersteigen.
Über den Betrag von 150 Pfd. Sterl. hinaus werden Einlagen auf dasselbe Sparkassenbuch
überhaupt nicht angenommen. Die Verzinsung der Spareinlagen erfolgt mit 2½ Proz.
jährlich; die Berechnung der
Zinsen findet alljährlich 31. Dez. statt. Das Gesamtguthaben eines Postsparka
ssenbuch-Inhabers
kann jederzeit auf eine andre der bestehenden nicht postalischen
Sparkassen
übertragen werden. Wenn man aus den bisherigen
finanziellen Ergebnissen der englischen Postsparkassen
einen
Schluß auf die Zweckmäßigkeit der Einrichtung ziehen darf,
so sind dieselben als nach jeder
Richtung hin bewährt zu bezeichnen.
Trotz des absichtlich niedrig gehaltenen
Zinsfußes von 2½ Proz. belief sich Anfang 1886 die Gesamtsumme der in den
Post-Office
Savings
Banks angelegten Ersparnisse auf rund 1002 Mill. Mk. Dabei sind in dem bezeichneten Jahr 6½
Mill. Einlagen von insgesamt 300 Mill.
Mk. und 2¼ Mill. Rückzahlungen mit zusammen 260. Mill. Mk. durch
die Postsparkassen
bewirkt worden. Die günstigen
Erfahrungen des Mutterlandes boten zunächst der Postverwaltung von
Kanada
Anlaß zur
Einrichtung eines dem englischen nachgebildeten Postsparka
ssensystems, und dann folgten 1877 die
Straits Settlements. Im J. 1885 ist
auch bei dem großbritannischen Postamt in
Helgoland
[* 4] der Postsparbankbetrieb für den
Umfang
der
Insel eröffnet
worden.
Auf dem europäischen
Kontinent wurden die englischen Postsparka
sseneinrichtungen zuerst von
Belgien
[* 5] nachgeahmt, wo seit sämtliche
Postanstalten an dem Betrieb der unter
Staatsgarantie stehenden
Caisse générale d'épargne et de retraite als Hilfsagenturen
mitwirken. Die Einlagen werden täglich während der Postdienststunden entgegengenommen. Zur Ansammlung
kleiner Sparbeträge ist die Benutzung der gewöhnlichen
Freimarken von 5 und 10
Cent. zur allmählichen Ansammlung des auf 1
Frank
festgesetzten Mindestbetrags der Einlagen eingeführt.
In den Schulen sind sogar Marken zu 2 Cent. zugelassen. Zur Kontrolle und Verhütung von Unterschlagungen besteht die Einrichtung gedruckter Empfangsscheine (coupons-reçus), welche der die Einlage annehmende Postbeamte in das Sparkassenbuch zu kleben und mit seiner Unterschrift sowie mit der Angabe des Datums und einem Abdruck des Aufgabestempels zu versehen hat. Derartige Empfangsscheine bestehen zu den Beträgen von 1, 2, 3, 5, 10, 30, 50, 100, 500 u. 1000 Fr. Auf Grund der Ausgabe der Empfangsscheine ist die Postverwaltung in der Lage, jederzeit die Gesamtsumme der eingezahlten Sparbeträge festzustellen und die richtige Buchung derselben zu kontrollieren.
Die zu Spareinlagen verwendbaren Postfreimarken sind bis zur Höhe von 1 Fr. auf besonders dazu eingerichteten Formularen zu befestigen, welche von der Postverwaltung unentgeltlich geliefert werden. In den Niederlanden ist das Verhältnis der Postanstalten zu den bestehenden Privatsparbanken durch königliche Verordnung vom geregelt. Die Mitwirkung der Postanstalten erfolgt nur auf Wunsch der betreffenden Sparbankverwaltung. In Italien [* 6] wurde durch ein Gesetz vom der Regierung die Ermächtigung erteilt, nach und nach bei einer Anzahl Postanstalten, namentlich in solchen Orten, wo anderweite Sparkasseneinrichtungen sich nicht befinden, Zweiganstalten einer unter Staatsgarantie stehenden Zentralsparkasse in Wirksamkeit treten zu lassen.
Den gesamten Geschäftsverkehr mit dem
Publikum vermittelt die Postverwaltung. Die Spareinlagen für eine und dieselbe
Person
dürfen nicht unter 1 Lire und nicht mehr als 1000 Lire betragen. Im
Lauf desselben
Jahrs kann in ein und
dasselbe
Buch kein höherer Betrag als 1000 Lire, abzüglich der Rückzahlungen, eingetragen werden. Über 2000 Lire hinaus
findet eine Verzinsung der Einlagen nicht statt. Die Verzinsung erfolgt bis jetzt mit 3 Proz.
Während die Zahl der zum Postsparkassen
betrieb in
Italien zugelassenen
Postanstalten sich nur
auf 608 belief, war die Einrichtung Ende 1884 bereits auf 3751
Postanstalten ausgedehnt; 1884 betrug die Anzahl der Sparkassenbücher
1,015,328, die Einzahlungen 130¼ Mill., die Rückzahlungen 98½ Mill. Lire; es verblieb ein Sparkapital von 148½ Mill.
Lire.
Besonders bemerkenswert ist hierbei, daß die südlichen
Provinzen, in welchen der Sparsinn der
Bevölkerung
[* 7] vor Einführung der Postsparkassen
fast gar nicht entwickelt war, an den erzielten
Resultaten überwiegende
Anteil haben, und daß dabei
die
Entwickelung der ältern
Sparkassen einen stetigen Fortgang genommen hat. Der Durchschnittsbetrag der Einlagen bei den
Postsparkassen
beträgt nur etwa 136 Lir. für jedes
Buch, bei den daneben bestehenden ältern
Sparkassen dagegen 710 Lire
und bei den
Volksbanken und Kreditinstituten sogar 1000 Lire. In
Japan,
[* 8] dessen Postverwaltung wesentlich nach englischem
Muster
organisiert ist, besteht seit ein Postsparkassen
institut. In
Frankreich
¶
mehr
wurde zuerst durch einen Erlaß des Präsidenten der Republik vom eine Mitwirkung der Postanstalt beim Sparkassenwesen
dahin eingeführt, daß den Sparkasseninstituten freigestellt wurde, sich der Postanstalten neben den Steuererhebern zur Wahrnehmung
des Geschäftsverkehrs mit dem Publikum zu bedienen, jedoch mit der grundsätzlichen Beschränkung auf Orte, welche nicht
zugleich Sitz eines Steuererhebers sind. Diese Einrichtung fand indes nicht denjenigen Anklang wie die Postsparkassen
in
andern Staaten mit selbständigem Postsparkassen
betrieb; die öffentliche Meinung drängte daher auf die Einführung eines
unabhängigen Postsparkassen
instituts hin.
Eine solche erfolgte durch Gesetz vom Die Einlagen bei den französischen Postsparkassen
dürfen 2000 Frank
nicht überschreiten. Zins drei vom Hundert. Arbeiterkorporationen, Wohlthätigkeitsinstitute, Vormünder etc. können bis 8000 Fr.
einzahlen. Die Einlagen werden unter Garantie des Staats bei der Caisse des dépôts et consignations in französischen Staatspapieren
angelegt. Die französischen Postsparkassen
verwenden zur Erleichterung der Kontrolle ebenfalls Sparmarken, welche den belgischen Coupons-reçus
entsprechen. Den Sparern werden ebenfalls Sparkarten geliefert, auf welche Postfreimarken im Wertbetrag
von 5 oder 10 Cent. zur allmählichen Ansammlung der Einlage aufgeklebt werden können. Ende 1886 betrug das Sparguthaben
bereits mehr als 180 Mill. Fr. auf 800,000 Sparkassenbücher, auf 1000 Einw. kamen 21 Bücher. 1882 wurde der Postsparkassen
betrieb
auf Corsica,
[* 10] 1884 auf Algerien
[* 11] und Tunis ausgedehnt.
Die französische Postverwaltung ging zuerst damit vor, die Vorteile, welche dem Publikum aus den Postsparkassen
erwachsen, auch auf den
internationalen Verkehr auszudehnen, indem sie mit Belgien ein Übereinkommen traf, auf Grund dessen die Inhaber von
Postsparkassenbüchern ihre Ersparnisse bis zum Meistbetrag von 2000 Fr. kostenfrei von der einen Postsparkasse
auf die andre übertragen lassen und die Zurückzahlung von Sparbeträgen, welche sie bei der Postsparkasse des einen Landes
niedergelegt haben, in dem andern Land erlangen können.
Wie zwischen Frankreich und Belgien, so ist auch zwischen den Niederlanden und Belgien ein Übereinkommen getroffen worden, auf Grund dessen die bei der Allgemeinen Sparkasse Belgiens oder der Postsparbank der Niederlande [* 12] beteiligten Personen ohne Kosten die eingezahlten Sparbeträge durch Vermittelung der Postverwaltungen der genannten Länder von einer Kasse auf die andre übertragen lassen und die Zurückzahlung der bei der Sparkasse des einen Landes niedergelegten Beträge in dem andern Land erlangen können. In Österreich [* 13] besteht die Einrichtung der Postsparkassen seit Mindestbetrag der Einlagen 50 Kr. oder ein Mehrfaches von 50 Kr. Die Gesamtsumme der auf ein Sparkassenbuch gemachten Einlagen darf in einem Jahr nach Abzug der Rückzahlungen den Betrag von 300 Gulden nicht übersteigen.
Meistbetrag des Guthabens eines Sparers 1000 Guld. Einlagen im Betrag bis 50 Kr. können auch in Briefmarken geleistet werden, welche auf kostenfrei zu verabfolgende Formulare aufzukleben sind. Die Höhe des Zinsfußes für Spareinlagen beträgt 3 Guld. vom Hundert, und zwar beginnt die Verzinsung von dem auf die Einzahlung folgenden 1. oder 16. des Monats und endigt mit Ablauf [* 14] des dem Eintreffen der Kündigung beim Postsparkassenamt vorhergegangenen letzten oder 15. Monatstags.
Beträge unter 1 Guld. sowie diejenigen, welche die Summe von 1000 Guld. übersteigen, werden nicht verzinst. Am 31. Dez. eines jeden Jahrs werden die erwachsenen Zinsen dem Kapital zugeschlagen und treten alsdann in den gleichen Zinsgenuß. Auf Verlangen des Sparers kann die Einlage zum Ankauf eines österreichischen Staatspapiers verwendet werden; ebenso werden den Einlegern, deren Guthaben 1000 Guld. übersteigt, und welche auf eine bezügliche Benachrichtigung innerhalb des auf die letztere folgenden Monats das Guthaben nicht vermindern, von Amts wegen Obligationen der in Noten verzinslichen einheitlichen Staatsschuld im Nominalbetrag von 200 Guld. zum Tageskurs angekauft.
Ende 1883 belief sich das Sparguthaben bereits auf 8,176,883 Guld., welche sich auf 1,802,756 Einlagen verteilten. In Schweden [* 15] traten Postsparkassen seit in Wirksamkeit. Mindestbetrag der Einlagen 1 Krone (1,125 Mk.) oder ein Mehrfaches von 1 Kr. Um eine allmähliche Ansammlung des Mindestbetrags zu ermöglichen, verkaufen die Postanstalten besondere Sparmarken zu 10 Öre (1 Kr. = 100 Öre), welche auf unentgeltlich zu verabfolgende, in zehn Felder abgeteilte Sparkarten zu kleben sind.
Ein Meistbetrag für das Guthaben eines Sparers ist nicht festgesetzt, doch wird der über 1000 Kr. hinausgehende Betrag nicht verzinst. Der Zinsfuß ist durch königliche Verordnung auf 3,60 Proz. festgesetzt; eine Änderung desselben kann nur zum Beginn eines neuen Kalenderjahrs angeordnet werden und tritt nicht früher ein als vier Monate nach Veröffentlichung der betreffenden königlichen Verordnung. Jedem Einleger ist gestattet, sich durch Vermittelung der Postsparkasse für sein Guthaben Wertpapiere, wie solche von der Sparkasse für deren eigne Rechnung angeschafft werden, ohne besondere Kosten ankaufen zu lassen.
Die eingezahlten Sparbeträge fließen in die Reichsbank, welche auch den Ankauf der Staatspapiere vermittelt und die für die Zwecke der Sparkasse angeschaffen Wertpapiere aufbewahrt. Die zu Rückzahlungen nicht erforderlichen Summen werden für Rechnung der Postsparbank in schwedischen Staatspapieren zinstragend angelegt. Aus dem Zinsenbetrag sind die Verwaltungskosten der Postsparkasse zu bestreiten. Der Reingewinn darf nur für die eignen Zwecke der Postsparbank verwendet werden.
In Deutschland, [* 16] welches vortrefflich eingerichtete Kommunalkassen besitzt, hat sich das Bedürfnis der Einrichtung von Postsparkassen nicht mit gleicher Dringlichkeit wie in andern Staaten geltend gemacht. Ein 1886 dem Reichstag vorgelegter Gesetzentwurf, betreffend die Einrichtung von fand nicht die parlamentarische Genehmigung. Die Thatsache, daß die Annahmestellen der bestehenden Sparkassen vielfach nur einen geringen Teil des Tags oder nur an einzelnen Wochentagen geöffnet und in einzelnen Landesteilen oft noch meilenweit von den Wohnorten, bez. Arbeitsstellen der Sparer entfernt sind, weist indes darauf hin, daß die Postanstalten mit ihrer ausgedehnten Zugänglichkeit und Verbreitung auch in Deutschland zur Erweckung u. Förderung des Sparsinnes größerer Bevölkerungskreise erheblichen Nutzen zu schaffen vermögen, und daß die Einrichtung der Postsparkassen auch hier einen wirtschaftlichen Fortschritt bezeichnen würde.
Vgl. v. Bauer, Die engl. Postsparkassen (Wien [* 17] 1881);
John, Die Postsparkassen (Prag [* 18] 1871);
Elster, [* 19] Die Postsparkassen, ein Vorschlag zur Einführung derselben in Deutschland (Jena [* 20] 1881).