Porträte
,
[* 2] zusammenge
setzte, wurden 1879 von Galton und
Spencer als Hilfsmittel für physiognomische und ethnologische
Studien empfohlen, sofern durch Verschmelzung verschiedener
Bilder derselben
Person,
Familie, Gesellschaftsklasse, von
Stammes-,
Berufs- oder Leidensgenossen die zufälligen
Züge ausgeschieden und die bleibenden oder gemeinsamen mit
verstärkter
Kraft
[* 3] festgehalten werden. Die Verschmelzung kann auf verschiedenen Wegen bewirkt werden, entweder durch optische
Mittel oder am besten mit
Hilfe der
Photographie.
Zur Verschmelzung zweier photographischer Brustbilder, die in derselben Gesichtshaltung und
Größe aufgenommen wurden, genügt
ein einfaches
Stereoskop,
[* 4] und man kann sich aus
Aufnahmen, wie sie jedes photographische Familienalbum
enthält, überzeugen, daß sich die unähnlichsten Porträte
, selbst solche von männlichen und weiblichen
Personen, sobald
sie nur in
Größe und Gesichtshaltung übereinstimmen, zu einem
Mittel verschmelzen lassen, weshalb das sogen.
Identiskop (Bd.
8, S. 875) ein sehr trügerisches
Mittel ist, um damit die
Identität zweier
Personen erweisen zu wollen.
Galton erdachte auch
Apparate, um mittels Augengläsern aus isländischem
Doppelspat 4-8 Porträte
zur
Deckung zu bringen; viel
vollkommnere Ergebnisse liefert aber die von ihm angegebene, durch Batut und Bowditch verbesserte
Methode der kombinierten
Photographie, sei es der
Personen selbst oder von deren Bildern, resp. deren Negativaufnahmen. Um eine genaue
Deckung
zu erzielen, bedient man sich einer besonders vorgerichteten
Camera,
[* 5] in welcher sich ein beweglicher
Spiegel
[* 6] befindet, der,
zuerst unter 45° geneigt stehend, das zu verschmelzende
Bild zunächst auf eine in die obere Wandung der
Kammer eingesetzte
halbdurchsichtige Glasplatte wirft. Auf dieser bezeichnet ein
Kreuz
[* 7] (†)
Mund-,
Nasen- und Augenstellung, und
das
Bild wird nun so eingestellt, daß
Augen,
Nase
[* 8] und
Mund der Ausnahmen der Vorderansicht auf die vorgezeichneten
Linien fallen.
Ist dies geschehen, so wird der
Spiegel durch einen
Druck in die
Höhe geklappt, worauf er sich innen an die obere Kastenwand
¶
mehr
anlegt, so daß die Strahlen nunmehr auf die in der Rückwand fest aufgestellte lichtempfindliche Platte fallen und daselbst
das Bild hervorrufen. Die Expositionszeit für jedes Anteilbild richtet sich nach der für die Gesamtaufnahme nötigen Expositionsdauer.
Beträgt dieselbe z. B. 60 Sekunden, und es wären 6 Porträte
zu vereinigen, so würden für jedes einzelne 10 Sekunden
entfallen, bei 10 Porträten
nur 6 Sekunden, und so wirkt ein Kopf oder Negativbild nach dem andern auf dieselbe Platte. Es
ist selbstverständlich, daß auf dem so gewonnenen zusammen gesetzten Bilde nicht alle Teile zur vollständigen Deckung kommen
können, Stirnen, Haarfrisur, Nasen und Bart sind von oft sehr verschiedener Gestalt, und die Ohren sitzen
nicht in gleicher Höhe am Kopfe, aber abgesehen von einiger Unsicherheit in den Außenumrissen, von den durch die verschiedene
Länge der Nase erzeugten großen Nasenlöchern, wird stets ein Porträt von überraschend festen, mittlern Formen erzielt, welches
ein ganz verschiedenes Gepräge zeigt, wenn Personen verschiedener Gesellschaftsklassen, z. B. 10 Droschkenkutscher, 10 Künstler, 10 Ärzte
oder Naturforscher, so verschmolzen werden. Man kann überzeugt sein, daß damit ein mittlerer Typus erhalten wird, der z. B.
bei der Vereinigung von Porträten
derselben Rasse und Nationalität, derselben Verbrecherklasse, derselben Geisteskrankheit
oft überraschend deutlich die charakteristischen Züge wiedergibt und deshalb von wissenschaftlichem
Werte ist.
Galton, der sich besonders viel mit Erblichkeitsfragen beschäftigt hat, suchte namentlich auch der Frage nach der gemischten
Ähnlichkeit
[* 10] der Kinder mit ihren Eltern mittels solcher Mischporträte
näher zu treten. Vereinigt man in einem Stereoskop die
Porträte
, zweier junger Ehegatten, so kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erkennen, wie die aus dieser
Ehe entsprossenen Kinder im gleichen Alter aussehen werden. Eine Vereinigung der Porträte
, sämtlicher Kinder würde dem Mischporträt
der Eltern wahrscheinlich noch näher kommen.
Jemand, der gleichartig aufgenommene Selbstporträte aus sehr verschiedenen Lebensaltern besitzt, kann daraus sein Aussehen in der dazwischenliegenden Zeit, aus der er vielleicht kein Porträt besitzt, konstruieren. Es würde sich daher für jemand, der sich für solche Studien interessiert, empfehlen, daß er von allen Familiengliedern Aufnahmen in gleicher Gesichtshaltung und Größe bewirken läßt und bei jeder Neuaufnahme ein Probebild mitnimmt, um wieder die gleiche Anordnung zu erlangen.
Dies führt auf die Frage nach der künstlerischen Bedeutung des Verfahrens. Es gibt Menschen, die behaupten, niemals auf einer Photographie getroffen zu sein, obwohl die Sonne, [* 11] wie der Photograph achselzuckend erwidert, nicht lügt, weil sie jedesmal eine andre Miene aufsetzen, wie dies namentlich bei Kindern der Fall ist. In ihrem eignen, wie in dem Gedächtnis nahestehender Personen leben sie als Mischung dieses wechselvollen Mienenspiels, von dem vielleicht der reizendste und anmutendste Teil der Platte nicht zu gute kam, während ihn ein Künstler gewiß festgehalten hatte.
Solchen Personen kann wahrscheinlich durch eine gesammelte Ausgabe ihrer wechselnden Stimmungen geholfen werden. Vielleicht liegt hier auch der beste Weg, das wahre Aussehen einiger historischer Personen, die auf jedem Ölgemälde, auf jedem Stiche anders aussehen, noch nachträglich festzustellen. Den ersten derartigen Versuch führte Galton mit sechs antiken Reliefbildern Alexanders d. Gr. aus, und in gleicher Weise wurde ein Durchschnittsbild von Shakespeare hergestellt, von welchem viele alte, aber unter sich sehr verschieden aussehende Bilder vorhanden sind, und dasselbe Verfahren ist von Bowditch auf die Porträte von Washington [* 12] angewendet worden. Es war nicht zu verkennen, daß in den so gewonnenen Durchschnittsbildern der Gesichtsausdruck veredelter und vergeistigter, wahrscheinlich auch ähnlicher ausfiel als in den einzelnen von mäßigen Künstlern hergestellten Originalen.