Titel
Pommern
[* 2] (hierzu die
Karte »Pommern«
),
preuß.
Provinz, ehedem ein Herzogtum, grenzt gegen
W. an
Mecklenburg,
[* 3] gegen
S. an
Brandenburg,
[* 4] gegen O. an
Westpreußen,
[* 5] gegen N. an die
Ostsee und umfaßt 30,110 qkm (546,86 QM.). Pommern
gehört
zu den am niedrigsten gelegenen
Ländern
Deutschlands,
[* 6] jedoch ist zwischen der eigentlichen Küstenebene
und dem Pommerschen Landrücken zu unterscheiden. Die
Grenze der beiden Teile bildet etwa die
Linie, welche von
Demmin
[* 7] über
Pasewalk
[* 8] und
Gollnow geht. Im W. von der Oder tritt auf der
Platte von
Randow die liebliche Hügellandschaft bei
Frauendorf
(Vogelfang 130 m)
hervor; an den
Quellen der
Rega,
Persante,
Drage und
Küddow entwickelt sich die Pommersche Seenplatte mit
dem 211 m hohen Ratzenberg im
Kreis
[* 9]
Dramburg, noch weiter östlich, an den
Quellen der
Grabow,
Wipper etc., die Ostpommersche
Platte.
Hier sind der Steinberg (234 m) am Papenzinsee im Kreis Schlawe, der Burgwall bei Falkenhagen (239 m) und der Schimmritzberg (256 m) bei Plattenheim im Kreis Bütow, weiter nördlich der Pietschker Berg (183 m) im Kreise [* 10] Stolp [* 11] und der Dombrowaberg (210 m) am Lebathal zu erwähnen. Auf der andern Seite der Küstenebene erheben sich noch einzelne Hügelmassen, so auf Rügen die Stubbenkammer (im Königsstuhl 133 m), bei Köslin [* 12] der Gollenberg (144 m), bei Schmolsin der Revekol (115 m) u. a. Der Hauptfluß der Provinz, die Oder, bildet zahlreiche Arme und bei Stettin [* 13] den Dammschen See sowie das Pommersche Haff, aus dem die drei Arme Peene, Swine und Dievenow zur Ostsee abfließen.
Zum Odersystem gehören noch: die
Ihna, Ucker und
Peene, alle drei streckenweise schiffbar. Unter den zahlreichen
Küstenflüssen sind in Vorpommern
einige schiffbar
(Recknitz, Rykgraben), die hinterpommerschen
(Rega,
Persante,
Wipper,
Stolpe,
Lupow,
Leba) dagegen sowie die nach S. zur
Netze gehenden
Flüsse
[* 14]
(Küddow,
Drage) nur flößbar. Die
Ostsee bildet an der
Küste
einige
Busen, so bei
Swinemünde die Pommersche
Bucht, andre bei
Rügen (s. d.). Nennenswerte
Kanäle besitzt
die
Provinz nicht, jedoch ist sie reich an Landseen.
Strandseen sind: der Leba-, Gardesche, Vietzkesche, Vitter, Bukowsche, Jamunder und Kampsee;
im Tiefland sind: der Kummerowsee an der Peene, der Dammsche, Plöne- und der Madüesee.
Überaus reich an
Seen ist der Landrücken, von denen
hier nur der Wothschwien-, Enzig-,
Große
Lübbe-, Dratzig-, Pielburger,
Vilm- und Papenzinsee erwähnt werden. Die
Küste von
Hinterpommern
ist auf ihrer ganzen
Länge (427 km) mit Sandhügeln oder
Dünen besetzt, deren Gestalt durch
Stürme oft verändert
wird. Von der Gesamtfläche entfallen auf Ackerland und
Gärten 55,3, auf
Wiesen 10,2, auf
Weiden 9,2 und
auf Waldungen 19,8 Proz. Die größten Ackerflächen finden sich im
Regierungsbezirk
Stralsund
[* 15] und im Tiefland (mit Ausnahme des
Kreises
Ukermünde) überhaupt, sodann in dem fruchtbaren Küstenstrich
von
Kolberg
[* 16] bis
Stolp. Das
Klima
[* 17] ist am mildesten in der Umgegend von
Stettin und auf
Rügen, rauher schon
in der Küstenlandschaft in Hinterpommern.
Die durchschnittliche Jahreswärme beträgt in
Stettin 8,4,
Putbus 7,6,
Lauenburg
[* 18] 7,2 und
Köslin 7,1° C. Die jährliche Regenmenge erreicht in
Köslin 65, in
Regenwalde 62, in
Stettin und
Putbus nur 54
cm
Höhe.
Die Zahl der Bewohner in der
Provinz belief sich 1885 auf 1,505,575
Seelen (darunter 1,465,477
Evangelische,
22,390 Katholiken, 4371 sonstige
Christen und 13,291
Juden). Von evangelischen
Sekten gibt es vorzugsweise in Hinterpommern
Altlutheraner,
Irvingianer,
Baptisten etc. Die Katholiken wohnen meist in den größern
Städten, sodann an der westpreußischen
Grenze, woselbst sie noch eine
Mundart der polnischen
Sprache
[* 19] reden, während die wenigen echten
Kassuben
(s. d.) am
Leba- und Gardeschen
See (noch 300) der evangelischen
Kirche angehören.
Sonst wird nur die
deutsche Sprache geredet.
Landwirtschaft,
Viehzucht und
[* 20] die gewöhnlichen bürgerlichen
Gewerbe sowie in den
Seestädten
Handel,
Schiffahrt und
Schiffbau sind die Hauptbeschäftigungen der Bewohner. Der Großgrundbesitz beherrscht in
Pommern
(wie in
Mecklenburg) die meisten Verhältnisse des
Landes; ihm gehören, wenn man als
Scheide zwischen
Groß- und Kleingrundbesitz das
Maß von 100
Hektar für ein Besitztum annimmt, 55,4 Proz. des Grundbesitzes
überhaupt an, mehr als in irgend einer andern
Provinz des
Staats, während auf den eigentlichen Bauernstand (10-100
Hektar
für ein Besitztum) nur 31,2 Proz. des gesamten
Grundbesitzes, d. h. weniger als in einer andern
Provinz, entfallen.
Weizen wird zur Ausfuhr in den fruchtbaren Gegenden Vorpommerns
und im Weizacker bei
Pyritz
[* 21] gewonnen; sonst sind der
Roggen
und die
Kartoffel die Hauptfeldfrüchte, letztere wird namentlich auf den großen
Gütern vielfach zur Spiritusbrennerei verwendet.
Gerste
[* 22] und
Hafer
[* 23] decken den
Bedarf.
Garten- und Obstbau blühen in der Umgegend von
Stettin
(Stettiner Äpfel), auch im Regierungsbezirk
Stralsund. Vortreffliche
Wiesen gibt es im Oderthal und an der
Peene. Unter den
Handels- und
Fabrikpflanzen sind noch zu nennen:
Flachs in der Küstenebene, besonders an der
Rega,
Persante und
Wipper;
Runkelrüben zur Zuckerbereitung bei Stettin und zwischen der Oder und Rega;
Tabak [* 24] an der brandenburgischen Grenze im W. von der Oder;
Hopfen [* 25] bei Pölitz. Die Waldungen sind im Kreis Ukermünde am Haff und auf dem Landrücken am umfangreichsten;
das Nadelholz herrscht vor, jedoch gibt es auch schöne Laubwaldungen.
Maßstab [* 27] 1:1400000.
Regierungssitze sind doppelt, Kreissitze einfach unterstrichen.
Umgebung von Stettin.
Maßstab 1:200000
mehr
Viehzählung von 1883 ergab 188,982 Pferde,
[* 29] 502,829 Stück Rindvieh, 2,550,502 Schafe,
[* 30] 444,525 Schweine
[* 31] und 68,226 Ziegen. Die
Pferdezucht
[* 32] wird durch das Landgestüt zu Labes unterstützt. Umfangreich ist die Geflügelzucht, besonders in Hinterpommern
(Gänse), wichtig auch die Fischerei
[* 33] (Aale, Lachse, Neunaugen, Heringe, Flundern). Von den Produkten des Mineralreichs ist nur der
Torf von besonderer Wichtigkeit; sonst gibt es noch Kalk, Mergel, Bernstein,
[* 34] Schwefelkies, Raseneisenerz, Braunkohlen etc. Die Salzquellen
zu Kolberg und Greifswald
[* 35] werden nur noch zu Solbädern benutzt; unter den übrigen Mineralquellen sind die zu Polzin nennenswert.
Die Industrie ist nur in Stettin und Umgegend bedeutend, wo große Maschinenbauanstalten, Schiffswerften, chemische und Zuckerfabriken, Ziegeleien etc. vorhanden sind. Außer ähnlichen Fabriken gibt es in der Provinz noch mehrere große Fabriken für Papier, Tabak etc. und in den hinterpommerschen Walddistrikten neben Holzstofffabriken einige große Glashütten. Von großer Bedeutung ist der Handel, besonders zur See. Der Hauptsitz des pommerschen Seehandels ist Stettin (s. d.) mit dem Hafen zu Swinemünde; indessen sind auch Stralsund, Greifswald, Wolgast, [* 36] Anklam, [* 37] Kolberg, Stolp etc. bei demselben beteiligt.
Die pommersche Reederei zählte zu Anfang 1886: 743 Seeschiffe zu 145,473 Registertonnen, von denen die meisten nach Stettin, Stralsund und Barth gehörten. Der Binnenhandel wird durch die Schiffahrt auf der Oder und einigen andern Flüssen und durch mehrere Eisenbahnen, fast sämtlich Staatsbahnen [* 38] (von den Direktionen zu Berlin [* 39] und Bromberg [* 40] ressortierend), befördert, unter denen die Bahn Berlin-Stettin-Danzig die wichtigste ist; andre Linien sind die von Stettin nach Stralsund, von Wangerin nach Konitz, [* 41] von Posen [* 42] nach den hinterpommerschen Seestädten, von Berlin nach Stralsund, von Stargard [* 43] nach Posen etc. Für die geistige Kultur bestehen: 1 Universität (Greifswald), 19 Gymnasien, 2 Progymnasien, 5 Realgymnasien, 4 Realprogymnasien, 2 Landwirtschaftsschulen, 7 Schullehrerseminare, eine Kriegsschule (Anklam), mehrere Gewerbe- und Navigationsschulen, 3 Taubstummen-, 2 Blindenanstalten etc. Die Provinz zerfällt in drei Regierungsbezirke: Stettin, Köslin, Stralsund, mit 13, bez. 12 und 5 Kreisen.
Für das Justizwesen bestehen unter dem Oberlandesgericht zu Stettin die 5 Landgerichte zu Greifswald, Köslin, Stargard, Stettin
und Stolp. Militärisch gehört die Provinz zum Bezirk des 2. Armeekorps. In den deutschen Reichstag entsendet sie 14, in das preußische
Abgeordnetenhaus 26 Mitglieder. Sehr gebräuchlich ist noch die durch die Oder bewirkte Einteilung der
Provinz in Vor- und Hinterpommern.
Vorpommern zerfällt wiederum durch die Peene in Alt- und Neuvorpommern
, von denen dieser
Teil, der Regierungsbezirk Stralsund, auch Schwedisch-Pommern
genannt wird, weil er bis 1815 zu Schweden
[* 44] gehörte. Das Wappen
[* 45] Pommerns
ist ein goldbewehrter roter Greif
[* 46] im silbernen Felde; die Farben der Provinz sind Blau und Weiß.
Geschichte.
Pommern
wurde in der römischen Kaiserzeit von den zum Stamm der Vandalen gehörigen Rugiern und Turcilingern bewohnt und, als diese
in der Völkerwanderung neue Sitze im Süden aufsuchten, gegen Ende des 5. Jahrh. von slawischen Völkern in Besitz genommen.
Sie gehörten zum Stamm der Lechen und nannten sich westlich der Oder Chizziner und Liutizen, östlich
davon Pommern (Pomerani), ein Name, der zu Karls d. Gr. Zeit auftaucht und zunächst nur
an dem Land haftete. Karls Vordringen
bis zur Peene war ohne nachhaltige Wirkung.
Ebensowenig konnte Polen, dessen Herzog Boleslaw Chrobry 995 das Land östlich der Oder unterwarf, sich auf die Dauer in diesem Besitz behaupten. Als erster Fürst in Pommern erscheint Swantibor I. um 1100. Nach seinem Tod (1107) fand eine Teilung des Landes unter seine vier Söhne statt, und zwar erhielten die beiden ältern das Land zwischen Peene und Persante (Slawien) mit der Hauptstadt Stettin, die beiden jüngern Pomerellen zwischen Persante und Weichsel mit der Hauptstadt Danzig. [* 47]
Als die Linie Pommern-Danzig 1295 ausstarb, fiel der westliche Teil Pomerellens an Pommern-Stettin; der östliche wurde von den Markgrafen von Brandenburg, welchen die Lehnshoheit über Pommern zustand, beansprucht, ging aber 1308 durch Kauf an den Deutschen Orden [* 48] über. Wratislaw I., der Stifter der Linie Pommern-Stettin, ward 1124 mit einem Teil seines Volkes vom Bischof Otto von Bamberg [* 49] zum Christentum bekehrt; zu Julin auf der Insel Wollin ward ein Bistum gegründet, das bald nach 1140 nach Kammin verlegt ward. Doch wurde das Heidentum erst zu Ende des 12. Jahrh. völlig ausgerottet. Wratislaws Söhne Bogislaw I. und Kasimir I. nahmen 1170 den Herzogstitel an und schlossen sich 1181 dem Deutschen Reich an, doch verlieh Kaiser Friedrich I. die Lehnshoheit über Pommern dem Markgrafen Otto I. von Brandenburg. Die Linie Pommern-Demmin, die um 1136 von Kasimir I. gegründet wurde, erlosch schon 1264, und Barnim I. (gest. 1278) vereinigte noch einmal alle Lande (s. Barnim 1). Als nach dem Erlöschen der Linie Pommern-Danzig das westliche Pomerellen erworben worden war, teilten Barnims Söhne 1295 von neuem: Bogislaw IV. stiftete die Linie Pommern-Wolgast, Otto I. in den Gebieten rechts der Oder die Linie Pommern-Stettin.
Die Linie Pommern-Stettin, von Otto I. 1295 gestiftet, erwarb unter Wratislaw IV. 1320 die Ukermark. Als König Ludwig der Bayer 1323 seinem Sohn Ludwig die Mark nebst Pommern verlieh, kam es zu jahrelangen Fehden mit Brandenburg. 1338 entsagte dieses der Lehnshoheit und erhielt dafür die Zusage der Erbfolge; so ward Pommern reichsunmittelbar. Barnim III., Ottos I. Sohn, erwarb 1354 die östliche Ukermark (s. Barnim 2). 1370 entspann sich ein mit geringer Unterbrechung fast 30 Jahre währender Krieg mit Brandenburg über den Besitz mehrerer Städte der Ukermark.
Swantibor III., der einzige, der von Barnims III. Söhnen 1405 noch am Leben war, wurde 1409 vom Markgrafen Jobst auch zum Statthalter der Mark Brandenburg ernannt; doch endete diese Statthalterschaft schon 1411, als Siegmund die Mark an den Burggrafen von Nürnberg, [* 50] Friedrich von Zollern, verpfändete. Hiermit unzufrieden, verbündete sich ein Teil des brandenburgischen Adels mit Swantibors Söhnen gegen Friedrich, und auch nach Swantibors Tod (1413) ward dieser Krieg von seinen Söhnen Kasimir VI. und Otto II., welche nun gemeinschaftlich regierten, fortgesetzt. Am Kremmer Damm 1412 geschlagen, errang Friedrich von Brandenburg 1420 einen Sieg bei Angermünde. Endlich erfolgte ein Friedensschluß zu Templin (1427), der eine Heirat zwischen Joachim, Kasimirs Sohn, und einer Tochter des Kurprinzen Johann und den Verzicht Pommerns auf Prenzlau [* 51] zur Folge hatte. Mit Otto III. erlosch 1464 die Linie Stettin. Die Lande derselben fielen nun an die Linie Wolgast. Die Linie Pommern-Wolgast hatte Bogislaw IV., den Sohn Barnims I., zum Stifter, der 1309 starb. Sein Nachfolger Wratislaw IV. schloß 1321 mit dem Fürsten ¶
mehr
Witzlaw von Rügen eine Erbverbrüderung und erwarb 1325 nach dem Erlöschen dieses Hauses die Insel Rügen und das Herzogtum Barth auf dem Festland. Er hinterließ 1326, unter Vormundschaft der Herzöge von Stettin, seine Söhne Bogislaw V. und Barnim IV. als Nachfolger. Auch für Pommern-Wolgast ward 1338 die Anwartschaft gegen Aufhebung der Lehnshoheit den Brandenburgern zugesagt. Ein 1350 begonnener Krieg mit Mecklenburg wegen Rügen und Barth endete 1354 mit dem Frieden zu Stralsund, ein neuer wegen der Stadt Pasewalk, welche Pommern den Brandenburgern entrissen hatte, damit, daß nicht nur diese Stadt, sondern auch Alt- und Neu-Torgelow 1359 an Pommern fielen; desgleichen erhielt es 1359 nach dem Erlöschen des gräflichen Stammes von Gützkow diese Grafschaft. Einige Jahre nach Barnims Tod (1365) fand 1372 zu Stargard eine Teilung Pommern-Wolgasts statt, und es entstanden nun die Linien Hinterpommern (bis zur Leba, nebst Stargard) und Vorpommern (Wolgast nebst Rügen).
Die hinterpommersche Linie stiftete Bogislaw V., Barnims IV. Bruder. Ihm folgte 1374 sein ältester Sohn, Kasimir IV., starb aber schon 1377 ohne männliche Nachkommen. Sein Nachfolger in Pommern war sein Bruder Bogislaw VIII., vorher Bischof zu Kammin. Derselbe vergrößerte sein Land durch Bütow, Schlochau, Baldenburg, Hammerstein und Schievelbein, polnische Gebiete, die ihm als Entschädigung für die Kriegskosten wegen der dem Polenkönig Wladislaw Jagello gegen den Deutschen Orden in der Schlacht bei Tannenberg 1410 zugeführten Hilfsvölker abgetreten waren, und starb 1417. Sein Sohn und Nachfolger Bogislaw IX. wurde wegen Streitigkeiten mit dem Stift Kammin und den Hansestädten in den Bann erklärt, 1436 ward ihm jedoch in dem Vergleich von Kolberg eine Entschädigung von 20,000 Mark zugestanden. Er starb 1447, und es folgte ihm der Sohn seines Oheims Wratislaw VII., Erich I., König von Dänemark, [* 53] welcher 1455 die Herrschaften Lauenburg und Bütow von Polen zu Lehen erhielt.
Die vorpommersche Linie hatte Barnims Söhne zu Stiftern. Sie teilten Vorpommern 1377 so unter sich, daß Bogislaw VI., der älteste, Wolgast, Wratislaw VI. aber die rügenschen Lande erhielt. Nach Bogislaws VI. Tod (1393) ward ganz Vorpommern unter Wratislaw wieder vereinigt. Sein Sohn und Nachfolger Barnim VI., der in fortwährendem Streit mit den Hansestädten und den Vitalienbrüdern lag, starb 1405. Seine beiden Söhne Wratislaw IX. und Barnim VII. teilten das Land; da letzterer aber 1449 ohne männliche Nachkommen starb, so vereinigte ersterer ganz Vorpommern wieder. Wratislaw stiftete 1456 die Universität Greifswald; er starb 1457, zwei Söhne, Erich II. und Wratislaw X., hinterlassend, die nun abermals teilten und zwar so, daß Wolgast an Erich, Barth mit Rügen an Wratislaw fiel. Nach Erichs I. von Hinterpommern Tod (1459) erhielt Erich II. auf Grund eines mit den Landständen geschlossenen Vertrags zu Rügenwalde auch Hinterpommern. Mit dem Erlöschen der Linie Stettin durch den Tod Ottos III. (gest. 1464) geriet Pommern in langwierige Streitigkeiten mit Kurbrandenburg, das als Lehnsherr Anspruch auf diese Erbschaft machte, bis es Albrecht Achilles nach kurzem Krieg im Vertrag von Prenzlau 1479 gelang, die Anerkennung der Lehnshoheit zu erzwingen.
Erichs II. Nachfolger Bogislaw X. (seit 1474, s. Bogislaw 1) erwarb nach jahrelangem Kampf mit seiner Mutter Sophie sein Erbland und vergrößerte es 1478 durch den Heimfall von Barth, wo Wratislaw X. ohne Nachkommen starb. Bogislaws X. beide Söhne gründeten 1523 zwei neue Linien und zwar Georg I. die Wolgaster, Barnim XI. (s. Barnim 3) die Stettiner Linie. Sie schlossen 1529 mit Brandenburg den Vergleich zu Grimnitz, welcher Pommerns Reichsunmittelbarkeit und Brandenburgs Erbfolgerecht von neuem bestätigte.
Herzog Georg I. hatte 1531 seinen Sohn Philipp I. zum Nachfolger. Barnim XI. teilte 1532 mit seinem Neffen, wobei er selbst Hinterpommern und Stettin behielt, während Philipp Vorpommern, Wolgast und Rügen erhielt; 1534 führten beide Fürsten auf dem Tag zu Treptow die Reformation ein, und Johann Bugenhagen (Pomeranus) erhielt den Auftrag, eine neue Kirchenordnung herzustellen. Das Bistum Kammin wurde 1556 faktisch erworben, indem Philipps I. ältester Sohn, Johann Friedrich, zum Bischof gewählt ward, dem bis zum Aussterben des Hauses nur pommersche Herzöge folgten.
Philipp hinterließ 1560 fünf Söhne: Johann Friedrich, Bogislaw XIII., Ernst Ludwig, Barnim XII. und Kasimir IX., von denen die minderjährigen unter die Vormundschaft des Bruders ihres Großvaters, Barnims XI. von Stettin, gestellt wurden, dessen Erben sie waren. Nachdem derselbe 1569 seine Regierung niedergelegt hatte, teilten sich seine Erben auf seinen Wunsch in der Art in die pommerschen Lande, daß nur zwei Regierungen bestanden, nämlich Stettin mit Hinterpommern und Johann Friedrich als Regenten, und Wolgast mit Vorpommern und Ernst Ludwig als Landesherrn; die jüngern drei Brüder wurden mit kleinern Gebieten ohne Landeshoheit abgefunden, und Barnim XI. reserviert sich die Oberleitung bis an seinen Tod (1573). Da Johann Friedrich 1600 und sein Bruder und Nachfolger Barnim XII. 1603 ohne männliche Nachkommen starben, so war der nächste Thronfolger dem geschlossenen Erbvertrag gemäß Kasimir; doch verzichtete derselbe wegen Kränklichkeit auf die Regierung zu gunsten seines Bruders Bogislaw XIII. (gest. 1606). Dessen Sohn, der hochgebildete Philipp II., starb schon 1618. Die Regierung seines Nachfolgers und Bruders Franz (gest. 1620) ist vorzüglich durch den Hexenprozeß der Sidonia v. Bork (s. Bork) merkwürdig geworden.
Ihm folgte sein Bruder Bogislaw XIV., welcher mit dem Herzog von Wolgast, Philipp Julius, den gemeinschaftlichen Landständen 1622 einen großen Freibrief ausstellte, der alle Gerechtsame der Stände bestätigte. 1623 zum Bischof von Kammin gewählt und 1625 durch den Tod Philipp Julius' auch in den Besitz von Wolgast gelangt, war. Bogislaw XIV. (s. Bogislaw 2) nun der alleinige Regent in Pommern. Ohne sich am Dreißigjährigen Krieg beteiligt zu haben, mußte er dennoch sein Land durch die Kaiserlichen verwüstet sehen.
Als der kaiserliche Oberst v. Arnim eine Kontribution von 150,000 Thlr. von Stralsund verlangte, weigerte sich die Stadt und ertrug heldenmütig die Belagerung durch Wallenstein (13. Mai bis Zwar wurden, nachdem Gustav Adolf 1630 an Pommerns Küste gelandet war, die Kaiserlichen aus dem Land vertrieben; doch mußte der Herzog mit den Schweden ein Bündnis schließen, dem zufolge er denselben Zutritt in alle seine Städte und Festungen gestattete und 200,000 Thlr. zahlte. Später hatte das Land von schwedischen Durchzügen und Streifereien der Kaiserlichen viel zu leiden, bis es 1636 abermals der Schauplatz des Kriegs ward. In diesen Wirren starb Bogislaw XIV. 10. (20.) März 1637, und mit ihm erlosch das pommersche Herrschergeschlecht. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Pommern,
[* 2] Provinz im preuß. Staate, ehemaliges Herzogtum, grenzt im N. an die Ostsee, im O. und SO. an Westpreußen, im S. an Brandenburg, im SW. und W. an Mecklenburg und umfaßt 30112,11 qkm, ausschließlich jedoch des Pommerschen Haffs (s. d.) und der Wieke und Bodden (s. d.) von zusammen 1538,60 qkm Fläche. (S. die Karte: Mecklenburg und Pommern, Bd. 11, S. 704.)
Oberflächengestaltung, Gewässer, Klima. Pommern bildet seiner physischen Beschaffenheit nach einen Teil des von Westen nach Osten ziehenden uralisch-baltischen Landrückens sowie des Norddeutschen Tieflandes. Es besteht östlich der Oder (Hinterpommern genannt) aus Küstenebenen mit einzelnen Hügeln und Höhen, im Innern aber aus terrassenförmig nach der Ostsee zu abfallenden Plateaus von teilweise ausgesprochenem Berglandcharakter, die, vielfach sich verzweigend und zerrissen durch zahlreiche, zur Weichsel, Netze, Oder und Ostsee gehende Flüsse von meist kurzem und raschem Lauf, bemerkenswerte Höhen und mehrere Hundert größere Landseen (Pommersche Seenplatte) tragen, sowie auch reich an landschaftlichen Schönheiten sind (Pommersche Schweiz [* 54] östlich von Schivelbein bei Polzin, Rummelsburger Bergland nördlich von Rummelsburg bei Pollnow).
Auch westlich der Oder (Vorpommern und Neu-Vorpommern genannt), wo sich ausgedehntes Flachland findet, erheben sich Hügelreihen, und auf der Insel Rügen (s. d.) bilden die Kreidefelsen (Stubbenkammer) mit ihren schroffen Küsten berühmte Anziehungspunkte. Die vorpommersche Küste ist zerrissen, die hinterpommersche dünenreich und wenig gegliedert, jedoch mit einzelnen Strandseen, gleichsam kleinern Haffen, durchsetzt. Die bedeutendsten Höhen liegen im östlichen Pommern (der Schimmritzberg bei Bütow 256 m); bemerkenswert sind ferner der Revekol (115 m) am Gardeschen See und der Gollenberg (144 m) bei Köslin, beide unfern der Küste, sodann weiter landeinwärts der Dombrowaberg (210 m) bei Lauenburg, dann der Steinberg (234 m), westlich vom Papenzinsee der Hochratzen (211 m) an der Grenze des Kreises Deutsch-Krone.
Von den Strandseen sind der Lebasee (82,13 qkm), der Gardesche (34 qkm), der Vietzker (13,40 qkm), der Buckowsche, der Jamunder (17 km lang und etwa 2 km breit) und der Kampersee, von den Landseen der Vilmsee auf der Neustettiner Platte, der Dratzigsee, der Pielburger, der Groß-Lübbe- und der Madüesee (40 qkm) sowie der nach Mecklenburg hinüberreichende Kummerower See die umfangreichsten. Abgesehen von der Oder mit ihren Mündungsarmen Peene, Swine und Dievenow hat Pommern nur wenig bedeutende Flüsse, von denen die Persante auf 2, die Ihna auf 60, die Üker auf 35, der Trebel und die Recknitz auf 28, die Tollense auf 45 km schiffbar sind; auch nennenswerte Kanäle sind nicht vorhanden. Das Klima ist im östl. Teile rauher als im Oderthale und im westl. Teile;
die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Köslin 7,1° C., und das Monatsmittel liegt hier drei Monate mit 0,7 bis 1,9° C. unter Null;
dagegen hat Stettin ein Jahresmittel von 8,4° C. und nur im Januar ein Monatsmittel unter Null (-1,1);
die mittlere jährliche Niederschlagshöhe beträgt in Stettin und in ¶
mehr
Putbus auf Rügen 54, in Lauenburg 60, in Regenwalde 62 und in Köslin 65 cm.
Bevölkerung. [* 56] Die Provinz hat (1890) 1520889 (741629 männl., 779260 weibl.) E., 150533 bewohnte, 2100 unbewohnte Wohnhäuser, [* 57] 2071 andere bewohnte Baulichkeiten, 315472 Haushaltungen und 1193 Anstalten mit 21473 Insassen. Dem Religionsbekenntnis nach waren 1476300 Evangelische, 27476 Katholiken, 4587 andere Christen, 201 Dissidenten und 12246 Israeliten; der Staatsangehörigkeit nach 1519397 Reichsangehörige, 758 Reichsausländer und 734 andere; der Muttersprache nach sind die meisten Bewohner Deutsche, [* 58] mit Ausnahme von 10666 Polen, Masuren und Kassuben.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kamen (1893) auf Acker- und Gartenland 1662972, Wiesen 307459, Weiden und Hutungen 197220, Öd- und Unland 71096, Holzungen 606704, Haus- und Hofräume 21771, Wegeland, Gewässer u. s. w. 144074 ha. Landwirtschaft wird in aus gedehntem Maße betrieben; der Großgrundbesitz überwiegt den mittlern und bäuerlichen Besitzstand. Die fruchtbarsten Gegenden sind der Reg.-Bez. Stralsund und der Kreis Demmin; ferner die an der Oder gelegenen Kreise Pyritz, Greifenhagen, Randow mit Stettin, endlich ein großer Teil im Reg.-Bez. Köslin.
Der größte Teil der landwirtschaftlich benutzten Fläche ist mit Roggen (1893: 423608 ha) bebaut, dann folgen Hafer (255108), Kartoffeln (176023) und Hülsenfrüchte; Weizen (63103) und Gerste (58252 ha) sowie Handelsgewächse treten zurück. Der Ernteertrag belief sich (1893) auf 449446 t Roggen, 107870 Weizen, 62381 Gerste, 1877352 Kartoffeln, 198590 Hafer und 551438 t Wiesenheu. Die Viehzucht erfreut sich sorgfältiger Pflege; die Pferdezucht wird vorzugsweise von den Großgrundbesitzern gepflegt.
Gefördert wird sie durch das Landgestüt zu Labes mit etwa 172 Beschälern und 74 Deckstationen. Auch die Rindvieh-, Schweine-, Gänse- und Schafzucht ist hoch entwickelt. Der Viehbestand betrug 200585 Pferde, 598254 (1893: 584849) Stück Rindvieh, 1851813 Schafe, 634293 (1893: 702819) Schweine, 80721 Ziegen und 118062 Bienenstöcke. Berühmt sind die pommerschen Spickgänse und die geräucherten Fischwaren. Pommern hat (1893) 606704 ha Forsten, darunter 359027 ha Privat- und 185768 ha Staatsforsten. Der Wald besteht zu 74 Proz. aus Nadelholz und liefert wertvolle Produkte für den Ausfuhrhandel sowie für Holzstofffabrikation.
Industrie und Gewerbe. Industrie findet sich nur in einzelnen größern Orten, vor allem in Stettin und Umgebung; sie erstreckt sich auf großartige Schiffswerften und Maschinenbauanstalten, ferner auf chem. Fabriken, Ziegeleien, Zucker-, Tabak-, Papier-, Leinwand- und Tuchfabrikation, Glashütten, Sägemühlen sowie Fischerei; auch das Gewerbe der Badehaltung ist sehr bedeutend, unter stützt durch die große Anzahl von See- und Solbädern, von denen Kolberg, Polzin, Greifswald, Rügenwalde, Stolpmünde, Binz, Crampas, Putbus, Lohme, Saßnitz, Göhren, Dievenow, Misdroy, Heringsdorf und Swinemünde die bekanntesten sind. Nach der Berufszählung von 1882 waren unter den 616008 Erwerbsthätigen, neben denen 901704 Angehörige ohne Hauptberuf ermittelt wurden, 21,37 Proz. in Industrie und Gewerbe, 7,67 Proz. in Handel und Verkehr thätig.
Handel und Verkehrswesen. Der Handel, namentlich der Seehandel, ist hoch entwickelt und wird gefördert durch zahlreiche Wasserstraßen, vor allem aber durch zahlreiche Hafenplätze und eine bedeutende Reederei. Die Provinz hatte (1894) an Seeschiffen: 368 Segelschiffe mit 48621 Registertons Raumgehalt und 1822 Mann Besatzung und 114 Dampfer mit 37045 Registertons Raumgehalt und 1339 Mann Besatzung. Haupthafen und Hauptsitz des Handels ist Stettin; bedeutend für Handel und Schiffahrt ist auch Swinemünde; kleinere Häfen sind Leba, Stolpmünde, Rügenwalde, Kolberg, Cammin, Dievenow, Wollin, Lebbin, Stepenitz, Altdamm, Ückermünde, Ziegenort, Neuwarp, Anklam, Wolgast, Greifswalder Oie, Wiek, Stralsund, Saßnitz, Barth und Damgarten. Die Provinz hatte 1892/93 ein Eisenbahnnetz von 1505,8 km (d. i. 50 km auf 1000 qkm Flächenraum und 98,5 km auf 100000 E.), darunter 616 km staatliche und 154,5 km private Nebenbahnen. Oberpostdirektionen bestehen in Stettin und Köslin.
Unterrichtswesen. An Bildungsanstalten bestehen die Universität Greifswald (s. d.), 19 Gymnasien, 2 Progymnasien, 3 Realgymnasien, 5 Realprogymnasien, 2 Landwirtschafts-, 1 Ackerbau-, 1 Garten [* 59] und Obstbau-, 1 Molkerei- und 2 ländliche Fortbildungsschulen, 2 Lehrschmieden für Hufbeschlag, 3 Navigationsschulen und 7 Navigationsvorschulen, mehrere gewerbliche Fortbildungsanstalten, 1 Handelslehrinstitut, 1 Hebammenlehranstalt, 3 Taubstummen- und 2 Blindenanstalten, 7 Lehrerseminare und 4 königl. Präparandenanstalten, 41 öffentliche Mittelschulen und 2528 öffentliche Volksschulen.
Verfassung und Verwaltung. Die Provinz zerfällt in drei Regierungsbezirke:
Regierungsbezirke | qkm | Städte | Landgemeinden | Gutsbezirke | Wohnstätten | Haushaltungen | Einwohner | E. auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Stettin | 12075,58 | 36 | 1005 | 835 | 72641 | 158604 | 749017 | 62 |
Köslin | 14026,37 | 23 | 919 | 988 | 58822 | 109457 | 563569 | 40 |
Stralsund | 4010,16 | 14 | 185 | 692 | 23241 | 47411 | 208303 | 52 |
Sitz des Oberpräsidenten und der Provinzialverwaltung ist Stettin. Die kirchlichen Angelegenheiten der evang. Landeskirche verwaltet das Konsistorium zu Stettin. Die kath. Kirche steht unter dem Delegaturbezirk Berlin des exemten Bistums Breslau, [* 60] mit Ansnahme der Propstei Tempelburg, die zum Erzbistum Posen, und des Dekanats Lauenburg, das zu dem Gnesenschen Suffraganbistum Culm [* 61] gehört. Für die Reichstagswahlen bestehen 14 Wahlkreise (s. Stettin, Köslin, Stralsund).
In das Abgeordnetenhaus sendet die Provinz 26 Abgeordnete; im Herrenhause ist sie (1892) durch 25 Mitglieder (darunter 2 mit erblicher Berechtigung und 23 auf Präsentation berufene) vertreten. Die Provinz bildet den Oberlandesgerichtsbezirk Stettin (s. d.). Handelskammern bestehen zu Stettin, Swinemünde und Stralsund. Militärisch bildet Pommern den Ersatzbezirk des 2. und zum Teil des 17. Armeekorps und größtenteils auch den Garnisonbezirk des 2. Armeekorps (Generalkommando und Kommando der 3. Division in Stettin).
Das Wappen der Provinz ist ein roter Greif in silbernem Felde; die Farben sind Blau-Weiß.
Geschichte. In ältester Zeit wohnten kelt., dann deutsche Stämme (Vandalenstämme der Rugier und ¶
mehr
Turcilinger) in Pommern. Zu Ende des 5. und im 6. Jahrh. wanderten Wenden ein, die das Land Pomorje, d. i. Land am Meere oder Küstenland, nannten und urkundlich zu Karls d. Gr. Zeit unter dem Namen Pomorjanen (Pomerani) vorkommen. Schon damals hatte das Land blühende Handelsplätze. Später ein Hauptteil des alten wend. Königreichs, hatte Pommern von 1062 an eigene Fürsten, als deren Ahnherr Swantibor (gest. 1107) gilt. Schon seit dem 9. Jahrh. machte man Versuche, die Pommern zum Christentum zu bekehren; doch gelang es erst dem Bischof Otto (s. d.) von Bamberg, der auf Veranlassung Boleslaws III. von Polen zwei Missionsreisen (1124 und 1128) unternahm. Zu Julin wurde 1140 das erste Bistum gegründet, das 1175 nach Cammin verlegt wurde.
Mit der Einführung des Christentums, die erst gegen Ende des 12. Jahrh. vollendet war, begann durch Klöster und niedersächs. Ansiedler aus dem Braunschweigischen, Westfalen [* 63] und Ostfriesland die Germanisierung des Landes. Des erwähnten Swantibor Söhne stifteten mehrere Linien und waren ganz unabhängige Fürsten; die Enkel Swantibors (Söhne Wratislaws), Kasimir und Bogislaw I. (s. d.), nahmen 1170 den Herzogstitel an. Kaiser Friedrich I. belehnte sie 1181 im Lager [* 64] vor Lübeck [* 65] als Herzöge des Deutschen Reichs mit der Fahne, den Markgrafen Otto I. von Brandenburg aber mit der Lehnshoheit von Pommern. Das damalige weitausgedehnte Herzogtum umfaßte das Land zwischen Demmin, Zehdenick, Warthe, Netze, Weichsel und Ostsee.
Man unterschied das eigentliche Pommern oder Slawien (das Land zwischen Peene und Persante) und Pomerellen (das jetzige Westpreußen links von der Weichsel und den rechts von der Persante gelegenen Teil des jetzigen P.s). Um die Wende des 12. und 13. Jahrh. setzten sich auch die Fürsten von Rügen im Westen P.s fest; der Ryck wurde 1227 ihre Grenze gegen die Herzöge von Pommern Herzog Barnims I. Söhne teilten 1295 das Land und stifteten die beiden Linien Stettin und Wolgast, die 1464 nach dem Aussterben der erstern wieder vereinigt wurden.
Die Ukermark, ein Teil der Neumark und das «Land Stargard» (etwa das jetzige Mecklenburg-Strelitz) wurden erworben, und zum Ersatz für das 1308 an den Deutschen Orden abgetretene Pomerellen nebst Danzig vereinigte 1325 Herzog Wratislaw IV. das Erbe der Fürsten von Rügen mit Pommern 1338 wurde die brandenb. Lehnshoheit aufgehoben, dafür aber den Brandenburgern die Erbfolge zugesagt. Kämpfe mit den Nachbarstaaten, insbesondere Brandenburg, und Streitigkeiten mit den Städten, namentlich mit dem zur Hansa gehörigen Stralsund, füllen die mittelalterliche Geschichte P.s aus; innerhalb des herzogl. Hauses fanden verschiedene Teilungen und Vereinigungen statt.
Albrecht Achilles erzwang im Vertrage von Prenzlau 1472 von neuem die brandenb. Lehnshoheit über Pommern und die Abtretung des letzten bei Pommern verbliebenen Restes der Ukermark. Die Allwartschaft zur Erbfolge wurde dem Kurfürsten Johann Cicero im Vertrage zu Pyritz 1493 von Bogislaw X. (s. d.) ausdrücklich bestätigt, wogegen dieser wieder auf die Lehnsherrlichkeit über Pommern verzichtete. 1529 erhielt Pommern durch den Vergleich zu Grimnitz mit Brandenburg abermals die Reichsunmittelbarkeit bestätigt, ebenso wie Brandenburg sein Erbfolgerecht. 1532 vorläufig und 1541 endgültig wurde das Land von neuem in die Herzogtümer Stettin und Wolgast geteilt, von denen das erstere jetzt Vorpommern und das letztere Hinterpommern umfaßte.
Barnim XI. von Stettin und Philipp I. von Wolgast führten die Reformation und die von Bugenhagen verfaßte Kirchenordnung in ihren Landen ein. Am erfolgte die Erbverbrüderung mit Brandenburg, wonach beim Aussterben des Hauses Brandenburg die Neumark und das Land Sternberg an Pommern fallen sollten. Das Haus Wolgast erlosch 1625 mit Herzog Philipp Julius, und 1637 starb mit Bogislaw XIV. (s. d.) das alte Herzogsgeschlecht im Mannsstamm ganz aus; doch mußte sich Brandenburg im Westfälischen Frieden mit dem größten Teile von Hinterpommern begnügen, Vorpommern und die Insel Rügen sowie Stettin, Damm, Garz, Gollnow und die Odermündungen aber an Schweden überlassen, die sich während des Dreißigjährigen Krieges im Lande festgesetzt hatten.
Einen kleinen Strich am rechten Oderufer gewann der Große Kurfürst noch 1679 durch den Frieden von St. Germain. Im Frieden zu Stockholm [* 66] 1720 mußte Schweden den Teil Vorpommerns zwischen Oder und Peene samt den Inseln Wollin und Usedom an Preußen [* 67] abtreten, wofür Preußen 2 Mill. Thlr. an Schweden zahlte und 600000 Thlr. pommersche Schulden übernahm. Nach Napoleons I. Sturz und dem dann erfolgenden Ausgleich der europ. Staaten kam Schwedisch-Pommern gegen Austausch von Norwegen an Dänemark und von diesem gegen das von Hannover [* 68] abgetretene Herzogtum Lauenburg und die Summe von 2600000 Thlrn. an Preußen, das noch 3½ Mill. Thlr. an Schweden zahlen mußte; durch die Verträge vom mit Dänemark und vom mit Schweden ist Schwedisch-Pommern dauernd mit Preußen vereinigt.
Litteratur. Sell, Geschichte des Herzogtums Pommern (bis 1648, 3 Bde., Berl. 1819-20);
Kantzows Chronik von Pommern, bg. von W. Böhmer (Stettin 1835);
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern (5 Bde., Hamb. 1839-45);
Hasselbach, Kosegarten (und Medem), Codex Pomeraniae diplomaticus (6 Hefte, Greifsw. 1843-62);
Fock, Rügen-Pommersche Geschichten aus 7 Jahrhunderten (6 Bde., Lpz. 1861-72);
Bohlen, Die Erwerbung P.s durch die Hohenzollern [* 69] (Berl. 1865);
Berghaus, Landbuch des Herzogtums Pommern und des Fürstentums Rügen (Anklam und Wriezen 1865 fg.);
Graf von Krassow, Beiträge zur Kunde Neuvorpommerns und Rügens (Greifsw. 1865);
Klempin und Prümers, Pommersches Urkundenbuch (Bd. 1-3, Stett. 1868-91);
von der Dollen, Streifzüge durch Pommern (4 Bde., Anklam 1884-85);
reiche Nachweise der pommerschen Speciallitteratur enthalten die Veröffentlichungen der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald.
^[Abb ohne Titel: Wappen Pommerns]