das Einsenken einer saftigen Holzstange in flüssige
Metalle, wobei durch den aus ersterer
entwickelten Wasserdampf und die Verkohlungsgase das
Metallbad lebhaft aufsprudelt und dadurch dem Luftzutritt eine große
Oberfläche darbietet, so daß die das Hauptmetall
(Blei,
[* 2]
Zinn,
Kupfer)
[* 3] verunreinigenden
Substanzen
(Antimon,
Arsen,
Zink) dabei
oxydiert oder absorbierte
Gase
[* 4] ausgetrieben werden
(schweflige Säure beim Dichtpolen des
Kupfers). Nach dem Herausziehen des
Polstabes setzen sich dann die Unreinigkeiten als oxydische Kruste (Polkrätze) auf der Oberfläche des
Metalls ab. Auch kann der entweichende Wasserdampf oxydierend wirken, z. B. auf
Zink und
Eisen
[* 5] in
Blei.
Beim Kupferraffinieren
geht das Zähpolen unter einer Kohlendecke vor sich.
¶
Unter Kasimir IV. (1466) hatte es ein Areal von ca. 1,173,000 qkm mit über 35 Mill. Einw. Selbst nach Verlust der Moldau und
Walachei und andrer Gebietsteile umfaßte es unter dem letzten Jagellonen, Siegmund II. (gest. 1572), noch
1,040,000 qkm mit etwa 27 Mill. Einw. und vor seiner ersten Teilung (1772) 750,900 qkm mit über 12 Mill. Einw. Durch die
drei TeilungenPolens fiel ein Areal von 483,700 qkm mit fast 6 Mill. Einw. an Rußland, 121,500 qkm mit 3,6
Mill. Einw. an Österreich
[* 16] und 145,700 qkm mit 2,7 Mill. Einw. an Preußen. Man unterschied in Polen drei
große Provinzen: Großpolen, Kleinpolen und Litauen (s. d.).
Das alte Polen war von 1572 an bis zur dritten Teilung (1795) eine aristokratische Republik mit einem Wahlkönig an der Spitze.
AlleGewalt ruhte in den Händen des Adels, der allein auf den Reichstagen das Volk vertrat. Der Bürgerstand
war von denselben ganz ausgeschlossen, und außer dem König bestanden sie nur aus dem Senat, zu dem die Bischöfe, die Woiwoden
oder lebenslänglichen Statthalter der einzelnen Landschaften, die Kastellane und die zwölf höchsten Staatsbeamten gehörten,
und aus den Landboten (nuntii terrestres), den Repräsentanten des Adels, die von jeder Woiwodschaft in
einer gewissen Anzahl gesandt wurden.
Der Reichstag war entweder ein ordentlicher, oder außerordentlicher, oder auch ein solcher, der während eines Interregnums
wegen der Königswahl und Krönung gehalten wurde. Die ordentlichen Reichstage wurden vom König ausgeschrieben und alle zwei
Jahre zweimal hintereinander in Warschau,
[* 17] dann das dritte Mal inGrodno gehalten. Während bei Geldsachen
die Mehrheit der Stimmen entschied, war bei Staatssachen Einhelligkeit derselben erforderlich, so daß ein einziger Landbote
durch seinen Einspruch (das Liberum veto) den ganzen Beschluß ungültig machen und den Reichstag sprengen konnte.
Die Bevölkerung
[* 28] Polens betrug 1885: 7,960,304 Seelen. In betreff der Nationalität unterschied man 1870:
3,450,000 Polen (65 Proz.), 600,000 Russen (11 Proz.), 693,000 Israeliten (13 Proz.), 289,000 Deutsche
[* 29] (5½ Proz.), 284,000 Litauer (5 Proz.), außerdem 3000 Franzosen, Engländer etc., 300 Tataren und 290 Zigeuner. Dem Religionsbekenntnis
nach kamen 71,31 Proz. auf Katholiken, 5,67
Proz. auf Evangelische, 4,61 Proz. auf orthodoxe Griechen,
13,10 Proz. auf Juden etc. Die eigentlichen Polen gehören zur westlichen Abteilung der großen lettoslawischen
Familie und sind von mittelgroßem, meist hagerm, aber kräftigem Körperbau.
Die hervorstehenden Backenknochen und die etwas eingedrückte Nase
[* 30] deuten auf die slawische Abstammung. Man schreibt dem Polen
leichte Beweglichkeit, schnelle Fassungsgabe, Sinn für schöne Formen, anderseits aber auch Zügellosigkeit,
Leichtsinn, Jähzorn, Unzuverlässigkeit zu. Für frühere Jahrhunderte mag dies im ganzen zutreffend sein, dem genauern Beobachter
aber zeigt sich ein großer Unterschied in den von den drei großen Nachbarstaaten erzielten Erziehungsresultaten des polnischen
Volkes.
Die beste Bildung haben unzweifelhaft die Posener Polen bekommen, denn ohne gute polnische Eigenschaften
aufzugeben, haben sie von den DeutschenAusdauer und Sparsamkeit angenommen und deutsche Schulen durchgemacht, wodurch sie vorteilhaft
von ihren unter russischem Zepter lebenden Brüdern abstechen. Die österreichischen Polen haben mit der Erhaltung größerer
nationaler Eigenart auch ihre nationalen Fehler reiner erhalten: in unfruchtbarem Parteihader und kläglicher
Pfaffenwirtschaft zersplittern sie ihre besten Kräfte.
Vgl. Andree, Polen in geographischer geschichtlicher etc. Hinsicht (Leipz.
1831);
Nach der sagenhaften Überlieferung gründete Piast, ein Bauer aus Kruswitz in Kujavien, um 840 die Dynastie, welche über das
zwischen Warthe, Weichsel und Netze in Großpolen wohnende slawische Volk der Polen (Polänen, Lechen) herrschte. Doch
ist das Reich wahrscheinlich durch die Eroberung eines polnischen Stammes entstanden, welcher in demselben sodann als zahlreicher
Adel (Szlachta) eine herrschende Stellung einnahm und allein das Recht, Waffen
[* 37] zu tragen, hatte.
Ihm unterthan war der Bauernstand, der teils aus Vollfreien oder nur persönlich Freien, dinglich aber Unfreien (Kmeci, Kmetones),
teils aus persönlich und dinglich Unfreien (glebae adscripti) bestand. Die Bauern lebten in Schutzdistrikten
(vicinia, opole) vereinigt, welche zu gemeinsamer Leistung öffentlicher Dienste,
[* 38] namentlich für den Fürsten, verpflichtet
und für vorgefallenen Mord gemeinschaftlich verantwortlich waren; ein Kastellan, der auf seiner Burg (Grod) saß, vertrat den
Fürsten in Verwaltung und Rechtsprechung. Über den Kastellanen standen anfangs Teilfürsten (in den LandschaftenPosen, Kalisch, Sieradz, Lentschiza und Kujavien), später die Palatine oder Woiwoden.
KaiserHeinrich II. vermochte ihn trotz mehrerer Feldzüge gegen Polen nicht zu unterwerfen und mußte im Frieden von Bautzen
[* 40] 1018 seine
Unabhängigkeit anerkennen. Böhmen konnte Boleslaw freilich nicht behaupten, und auch seine Kriegszüge gegen die Russen, auf
denen er bis nach Kiew
[* 41] vordrang, verschafften ihm nur den Besitz der sogen. czerwenischen Städte (Rotrußland).
Die Verbreitung des Christentums, selbst mit grausamer Härte gegen die Widerstrebenden, ließ er sich sehr angelegen sein,
und mit Zustimmung des ihm sehr geneigten Klerus nahm er gegen Ende seines Lebens 1025 den Königstitel an.
Schließlich aber mußte er die deutsch-slawischen Marken wieder an Deutschland abtreten
und Polen seinem BruderOtto überlassen,
der als »Herzog« unter deutscher Lehnshoheit regierte. Nach Ottos Ermordung (1032) ward er nach Anerkennung der deutschen Oberhoheit
auf dem Hoftag zu Merseburg
[* 44] in die Herrschaft Polens wieder eingesetzt, die er bis zu seinem
Tod behauptete. Für seinen unmündigen Sohn Kasimir I. (1034-58) führte dessen Mutter Richeza, eine Tochter des
Pfalzgrafen bei Rhein, die Regierung, erregte aber durch Begünstigung der Fremden einen Aufstand der Szlachta,
welche den jungen König vertrieb. Polen drohte nun in völlige Anarchie zu versinken und zu einem Nebenland des mächtigern
Böhmenreichs herabgedrückt zu werden.
Aber KaiserHeinrich III. begünstigte die Rückkehr Kasimirs auf den polnischen Thron,
[* 45] den er nach langen Kämpfen endlich dauernd
behauptete. Auch Schlesien gewann er gegen Zahlung eines Tributs von Böhmen zurück. Durch Wiederherstellung
der kirchlichen Ordnung erlangte er die Gunst des Klerus und hinterließ die Herrschaft seinem ältesten Sohn, Boleslaw II. Smialy
(dem Kühnen, 1058-81), so gefestigt, daß derselbe, begünstigt durch die innern Wirren in Deutschland und durch Thronstreitigkeiten
in Ungarn und Böhmen, wieder erobernd auftreten und, wenn auch nur für kurze Zeit, Kiew in Besitz nehmen
konnte. Seine Macht war so gestiegen, daß er am Weihnachtsfest 1076 mit großer Feierlichkeit sich die Königskrone aufsetzte.
Als er aber im Streit mit dem Bischof Stanislaw von Krakau diesen in der Kirche mit eigner Hand
[* 46] erschlug, mußte
er Polen verlassen und starb in einem fernen Kloster.
SeinBruder und Nachfolger Wladislaw I. Hermann (1081-1102) gab den Königstitel wieder auf. Er suchte das Land nördlich der
Netze den Pommern wieder zu entreißen, wurde aber daran durch den Aufstand seines natürlichen Sohns Zbygniew gehindert, dem
sich später auch sein legitimer Sohn Boleslaw III. Krzywousty (Schiefmaul) anschloß. Beide erzwangen
von ihrem Vater die Entfernung seines Günstlings, des Palatins Sieciech, und setzten sich schon bei Lebzeiten desselben in
den Besitz großer Teile des Reichs.
poln. Polacy (Einzahl Polak), russ. Poljaki (Poljak),
slaw. Volksstamm, zur westl. Gruppe des Slawentums gehörig, berührt
sich im NO. mit den Litauern, im NW. und W. mit den Deutschen, im S. mit den Czechen und Slowaken und im
O. mit den Russen. Seine kompakten Wohnsitze sind in Rußland: Russisch-Polen (zu 15/16), die Kreise
[* 47] Sokolka, Bjelostok (zu je
¾) und Bjelsk (teilweise) des Gouvernements Grodno;
Über die Grenzlinien s. Polnische Sprache.
Außerhalb des oben angegebenen Gebietes finden sich noch Sprachinseln und Minoritäten nach allen Seiten, besonders nach
O. und NO., entsprechend der ehemaligen Ausdehnung des poln. Reichs. So in Österreich in Ostgalizien und in der Bukowina; in
Rußland in den Gouvernements Kowno, Wilna, Grodno, Minsk, Witebsk, Mohilew, Kiew, Podolien, Volhynien
und selbst teilweise in Kurland. Hier bilden die Polen, als Großgrundbesitzer, Stadtbürger (soweit sie nicht Juden sind), kath.
und evang. Geistliche, überall die intelligente Schicht über einer anderssprachigen (kleinruss.,
weißruss., litauischen, selbst lettischen) Landbevölkerung. In Schlesien und Ostpreußen ist umgekehrt die Landbevölkerung
polnisch. Ziemlich bedeutende Kolonien von Polen giebt es in Nord- und Südamerika,
[* 49] ferner finden sie sich
in Gruppen bald
¶
Die Zahl der Polen ist nicht leicht festzustellen, weil viele Personen zwei-, sogar dreisprachig sind und sich
daher bald diesem, bald dem andern Stamme zuzählen. Nach einer Berechnung von 1880 bis 1882 ergeben sich, mit 5 Proz. Zuwachs,
für 1894 folgende Zahlen:
1) In Rußland: in Russisch-Polen 5670000 (73,4 Proz. der Gesamtbevölkerung), in den neun westl.
Gouvernements Rußlands 1550000 (11 Proz.). Zusammen 7220000. 2) In Österreich-Ungarn: in Galizien 2887000
(46 Proz. der Gesamtbevölkerung), in Schlesien 163000 (28 Proz.), in der Bukowina 19000, in Ungarn 12000. Zusammen 3081000. 3)
In Preußen: Reg.-Bez. Posen (62 Proz.), Bromberg
[* 55] (48), Danzig (26), Marienwerder
[* 56] (37), Gumbinnen
[* 57] (20), Königsberg
[* 58] (15), Oppeln
[* 59] (60), Breslau
[* 60] (3,5 Proz.), Pommern (3500 Seelen), zusammen 2810000 (nach der deutschen Volkszählung vom beträgt
die Zahl der Polen in Preußen 2816657). Dazu 4) zerstreut rund 2 Mill. (soviel wird für Amerika
[* 61] allein angegeben). Es ergiebt
sich somit eine Gesamtzahl von rund 15 Mill.
Dem Bekenntnis nach sind evangelisch 446000 (3,4 Proz. der Gesamtzahl in 1-3), griechisch-uniert 68000 (0,5
Proz.), mosaisch (polonisierte Juden) 19000 (0,15 Proz.), mohammedanisch (im Gouvernement Sjedlez, Suwalki,
Grodno u. a.) 9000, griechisch-orthodox 8000; zusammen nichtkatholisch 550000 (4 Proz.),
römisch-katholisch 12561000 (96 Proz.). Die in den vorstehenden Berechnungen mit inbegriffenen
Kassuben (s. d.; auch in Amerika vertreten; Gesamtzahl 200000) bilden eigentlich einen besondern Volksstamm. -
Vgl. Czyński,
Etnograficzno-statystyczny zarys liczebności i rozsiedlenia ludności polskiej (Warsch.
1887).
poln. Polska, russ. Polscha 1) Ehemaliges Königreich,
umfaßte bis zur ersten Teilung 1772 im allgemeinen ein Gebiet, das im W. von der Oder und Warta, im S. von den Karpaten und
dem Dnjestr, im O. vom Dnjepr, im N. von der Düna, der Wasserscheide ihrer Zuflüsse und der zum Ilmensee
gehenden Gewässer und von der Ostsee umschlossen wird. Westlich gingen die Grenzen
[* 62] nur im 11. und 12. Jahrh.
weit über die Oder und Warta hinaus, fast bis zur Elbe bei Meißen
[* 63] und bis nach Böhmen und Mähren. Die Ausdehnung nach O.,
wo anfangs der Bug die Grenze bildete, begann im 13. Jahrh. und ging zeitweilig sogar über den Dnjepr hinaus. Polen hatte:
Jahr
Flächenraum qkm
Einwohner
1620
991000
15000000
1655
881000
14000000
1683
661000
12000000
1701
716000
12500000
1755
716000
13000000
1764
774415
12980000
1791
530000
7752486
1794
247800
4500000
Mit der dritten Teilung 1795 hörte das alte Königreich ganz auf zu bestehen.
Der Nationalität nach waren in Polen um 1772 fast 5 Mill. Polen (meist Katholiken), etwa ebenso viele Kleinrussen (meist uniert), 1 Mill.
Litauer (Katholiken), 1½ Mill. Juden, 1 Mill. Deutsche (meist evangelisch). Das Land bestand aus drei großen
Provinzen, die
in Woiwodschaften und diese wieder in Kreise (powiaty) zerfielen: Großpolen (s. d.), Kleinpolen (s. d.) und
Litauen (s. d.). Die herrschende Kirche war die römisch-katholische; es bestanden zwei Erzbistümer (Gnesen, Lemberg) und 15 Bistümer.
Universitäten gab es in Krakau, Wilna und Zamosc, daneben Dissidenten-, Jesuiten-, später Piaristen-, zuletzt sogar Staatsschulen.
- Das Wappen war ein quadrierter Schild, das erste und vierte Quadrat mit dem weißen gekrönten poln.
Adler in rotem Felde wegen Polen, im zweiten und dritten ein silberner geharnischter Reiter mit goldenem Patriarchenkreuz und
bloßem Säbel auf einem rennenden silbernen Pferde mit goldenen Hufeisen
[* 64] und blauem Reitzeug in rotem Felde
wegen Litauen. Das Herzschild enthielt das Geschlechtswappen des Königs. Die Landesfarben waren Weiß und Rot. -
Vgl. Baliński
und Lipiński, Starożytna Polska (3 Bde., Warsch.
1844-48).
2) Königreich unter russ. Herrschaft, errichtet 1815 durch den Wiener Kongreß, daher auch Kongreßpolen (Kongreśowka) oder
kurzweg Russisch-Polen genannt, in Rußland offiziell Weichselgouvernements (russ. Priwislanskija gubernii)
oder Weichselgebiet (Priwislanskij kraj). Es grenzt im N. an die preuß. Provinzen West- und Ostpreußen und an das russ.
Gouvernement Kowno, im O. an Wilna, Grodno und Volhynien, im S. an das österr. Kronland Galizien, im W. an die preuß. ProvinzenSchlesien und Posen, und hat 127312,9 qkm mit 8308122 E., d. i. 65,3 auf 1 qkm. Das Land ist vorherrschend
Ebene, nur die südl. Teile haben als Ausläufer der Karpaten eine wellige, zum Teil bergige Oberfläche, deren höchste Erhebung
die Lysa-Gora (s. d.) ist. Im SW. nahe an der Grenze ist das Thal
[* 65] des Prondnik, die sog. PolnischeSchweiz.
Die Mitte wird bewässert von der Weichsel (auf 424,6 km) und ihren Nebenflüssen (rechts: San, Wieprz, Bug-Narew; links: Nida,
Kamionna, Piliza und Bzura). Im Westen geht die Warta mit der Prosna zur Oder und der Nordosten gehört zum Gebiet des Niemen,
zum Teil von diesem selbst begrenzt. Seen sind im Norden
[* 66] zahlreich, aber nirgends von größerm Umfang.
Im südl. und südwestl. Teil finden sich Eisenerz, Kupfer, Zinn, Zink und besonders Steinkohlen. Ein Drittel des Landes ist
mit Wäldern bedeckt.
Der Boden ist fruchtbar. Die Bevölkerung besteht zum größten Teil aus Polen, dann etwa 300000 Russen, 1,1 Mill. Juden, 440000
Deutschen, 300000 Litauern. Der Religion nach sind römisch-katholisch 79 Proz., mosaisch 14 Proz.,
andern Bekenntnisses 7 Proz. Hauptbeschäftigung ist Ackerbau. Gebaut werden neben Roggen, Gerste,
[* 67] Hafer
[* 68] ein vortrefflicher
Weizen. Bedeutend ist die Viehzucht,
[* 69] namentlich die Zucht span. Schafe,
[* 70] ferner Pferdezucht
[* 71] und
Bienenzucht
[* 72] in den Wäldern.
Bergmännisch gewonnen werden hauptsächlich Eisenerz und Steinkohlen (letztere jährlich etwa 130 Mill.
Pud). 1887 wurden erzeugt Eisen gegen 4 Mill., Stahl 3 Mill., Gußeisen 3,7 Mill. Pud. Es giebt 2288 Fabriken mit 164,5 Mill.
Produktion. Die Textilindustrie (besonders Woll- und Baumwollfabriken) konzentriert sich hauptsächlich in Lodz. Auch die Zuckerfabrikation
ist bedeutend (6 Mill. Rubel Produktion jährlich). Nach Aufhebung der russ.-poln.
Zollgrenze 1851 bildet Polen mit Rußland ein wirtschaftliches Gebiet; es hat schiffbare Flüsse
[* 73] und 2174 km Eisenbahnen. Hauptstapelplatz
für das Ausland ist Danzig. Ausgeführt werden
¶
mehr
hauptsächlich Getreide,
[* 75] besonders Weizen, Holz,
[* 76] Ölsamen, Wolle, Vieh, Borsten, Roßhaare, Häute; eingeführt: Kolonialwaren,
Farbstoffe, Baumwolle,
[* 77] Rohseide und Seidenstoffe, Chemikalien, Maschinen, Metalle und Metallwaren, Wein und Kochsalz. Polen hat
eine Universität in Warschau, 21 Gymnasien, 7 Progymnasien, 4 Realschulen, 9 Lehrerinstitute und 2287 Volksschulen. Die Unterrichtssprache
in sämtlichen Schulen ist die russ. Sprache,
[* 78] die auch die Gerichts- und Geschäftssprache bildet.
An der Spitze des gesamten Unterrichtswesens steht der Kurator des Lehrbezirks Warschau. Die Verwaltung der röm.-kath. Kirche
wird vom Ministerium des Innern aus in Petersburg geleitet und der direkte Verkehr mit der röm. Kurie ist verboten. Die griech.-orthodoxe
Kirche steht unter dem Erzbischof von Warschau und Chelm, die evang.-luth. und die reform.
Kirche unter je einem Generalsuperintendenten, der zugleich Vorsitzender des betreffenden Gouvernements ist. Polen bestand anfangs
aus 8 Woiwodschaften, die 1846 in 5 und 1867 in 10 Gouvernements verwandelt wurden: Warschau, Kalisch, Petrikau, Radom, Kjelzy,
Lublin, Sjedlez, Plozk, Lomsha und Suwalki. Die selbständige Verwaltung des Landes hat seit 1863 überhaupt
aufgehört, und die oberste Leitung führt statt des frühern Statthalters seit 1874 ein russ. Generalgouverneur mit dem Sitz
in Warschau.
Geschichte.
1) Gründung, Verfall und Vereinigung des Reichs bis 1300. Als Fürsten der Vorzeit werden Lech und Popiel genannt. Nach
dem Tode des letzten Popiel schwang sich Piast (s. d.) zum Herrscher über Polen empor, mit dessen viertem
Nachfolger Mscislaw I. (s. d.; 962-992) dann die beglaubigte Geschichte P.s beginnt.
Diesem gelang es, die zahlreichen poln. Gemeinden zwischen Weichsel und Oder zu einem einheitlichen
Staatswesen zusammenzufassen; 966 nahm er das Christentum an und zwei Jahre später gründete er das BistumPosen.
Sein Sohn und Nachfolger Boleslaw I. Chrobry (s. d.) eroberte Pommern mit Danzig und benutzte den Thronstreit in Böhmen, um Krakau
und Sandomir (Kleinpolen) sowie Schlesienan sich zu bringen. Er begründete durch die Stiftung des Erzbistums Gnesen die kirchliche
Unabhängigkeit P.s von Deutschland und bereitete so die polit. Selbständigkeit vor (1000). Unter seinem
SohneMscislaw II. (s. d.) schwächten Bruderzwist und Bürgerkrieg die Macht des
Reichs. Während der vormundschaftlichen Regierung für Kasimir I. (gest. 1058) brach eine
Empörung des Adels und ein Kampf mit Břetislaw (s. d.) von Böhmen aus, die aber durch Dazwischenkunft
des deutschen Kaisers Konrad II. beendet wurden.
Kasimirs Sohn Boleslaw II. (s. d.) wurde wegen seiner Grausamkeit vertrieben (1079) und
sein Sohn vergiftet. Es folgte nun des Königs Bruder Wladislaw I. (gest. 1102), der als Schwager KaiserHeinrichs IV. in ein
friedliches Verhältnis zu Deutschland trat. Nach dem Tode seines SohnesBoleslaw III. (1139) wurde das Land
unter seine vier Sohne geteilt; der älteste, Wladislaw II., erhielt Krakau und Schlesien mit dem Seniorat, Boleslaw IV. Masowien
und Kujawien, MscislawGnesen und Pommern, Heinrich Sandomir. Wladislaw II. wurde vertrieben (1146), und nach BoleslawsTode (1173)
vereinigte Mscislaw III. Masowien, Kujawien und Krakau mit Großpolen; doch wurde er 1177 gestürzt und
der jüngste der Brüder, Kasimir II., zum König gewählt. Dieser brachte außer Sandomir
noch Gnesen zum Reich. Unter Kasimirs
Sohn Leszek (1194-1227), dem ersten Wahlfürsten in Polen, und dessen Sohn Boleslaw V. (gest. 1279) wurden ganze Landschaften
von Polen losgerissen.
Seit jener Zeit war die Herrschaft des Ordens gesichert, und Polen beteiligte sich nicht weiter am Kampfe gegen die Preußen.
Den Mongolen, die das östl. Europa
[* 79] in der schrecklichsten Weise heimsuchten, auch Volhynien, ganz Ungarn,
Südpolen bis nach Schlesien hin überschwemmten, stellte sich HerzogHeinrich der Fromme von Schlesien, im Verein mit Boleslaw
von Mähren, den Großpolen und den Deutschen Ordensrittern mit einem poln.-schles. Heere bei Liegnitz
[* 80] 1241 entgegen.
Heinrich fiel; die Zerfahrenheit im Innern und den unaufhörlichen Zwist unter den Landesfürsten, die nach seinem
Tode herrschte, benutzten die Nachbarn, um das wehrlose Land zu verwüsten und ein Stück nach dem andern von demselben abzutrennen.
Zudem machten die Tataren wiederholentlich Einfälle in die poln. Gebiete. So geschah es, daß man 1300 dem
König Wenzel von Böhmen, der schon Kleinpolen beherrschte, die poln. Krone übertrug; er stellte durch
sein kräftiges Eingreifen die Ruhe im Reiche endlich wieder her.
2) Blüte
[* 81] des Reichs 1300-1572. Auf Wenzel von Böhmen folgte Wladislaw IV. (1306-33); er machte Krakau wieder zu einer rein
poln. Stadt, die nach seiner Krönung 1320 Krönungsstadt (an Stelle von Gnesen) fortan blieb. Kleinpolen gewann dadurch an
Bedeutung, während Großpolen an Ansehen verlor. Besonders bekämpfte er mit aller Macht den DeutschenOrden
[* 82] und stärkte
dadurch das Nationalbewußtsein. Wladislaws Sohn Kasimir III. d. Gr. (s. d.;
1333-70) überließ dem DeutschenOrden 1343 das Kulmer Land, Nessau und Pommern.
Für das im Westen durch die AbtretungSchlesiens an Johann von Böhmen geschmälerte Reichsgebiet eroberte
er 1366 im Osten die russ. Fürstentümer Halicz und Wladimir und vereinigte, nach dem Aussterben der
Herzogsgeschlechter, Kujawien, Lentschiza und Dobrzyn mit dem Königreich. Ihm folgte Ludwig von Ungarn (1370-82), der als Enkel
Wladislaws IV. Ellenlang die nächsten Ansprüche hatte. Seine Tochter Hedwig, zur Nachfolgerin bestimmt, mußte
auf Verlangen des Adels 1386 dem Großfürsten Jagello (s. d.) von Litauen ihre Hand reichen.
Dadurch kamen die Jagellonen (bis 1572) auf den poln. Thron und eine Vereinigung von Polen und Litauen zu stande. Polen wurde jetzt
der mächtigste Staat im östl. Europa; es bestand aus dem Königreich (d. i. Gebiet Krakau und die Herzogtümer
Schlesien, Kujawien, Masowien) und dem Großfürstentum Litauen; gegen die Ostsee ward es abgegrenzt durch das Gebiet des DeutschenOrdens. Auf einem Flächenraum von 1 Mill. qkm wohnten etwa 35 Mill. E. Am wurden bei Tannenberg die Ordensritter
unter FührungUlrichs von Jungingen von Jagello geschlagen: doch im ersten Thorner Frieden Febr. 1411 trat
der Orden¶