Titel
Plinius
,
1)
Gajus Plinius
Secundus, der ältere
(Major), röm. Gelehrter, geb. 23
n. Chr. zu
Comum (dem
jetzigen
Como, nach der
Praefatio seiner
»Historia naturalis«, die aber für unecht gehalten wird, zu
Verona,
[* 2] vielleicht zu
Rom)
[* 3] aus begüterter
Familie, diente 45 in der römischen
Reiterei in Germanien
[* 4] und besuchte bei dieser Gelegenheit das
Land der
Chauken und die Donaugegenden. 52 finden wir ihn in
Rom, 67 als
Prokurator in
Hispanien, von wo aus er auch
Afrika
[* 5] besuchte.
Später ward er vom Kaiser Vespasian zu Staatsgeschäften verwandt. Zuletzt finden wir ihn als Befehlshaber der bei Misenum stationierten Flotte, und als solcher kam er 79 bei dem Ausbruch des Vesuvs ums Leben. Auf die Kunde von diesem Phänomen ließ er nämlich mehrere Schiffe [* 6] in See gehen und bestieg selbst eins derselben. Unerschrocken machte er unter einem steten Regen heißer Asche und glühender Steine seine Beobachtungen und zeichnete sie auf. Man fand ihn drei Tage nach dem Erdbeben [* 7] zu Stabiä, wahrscheinlich durch den Schwefeldampf erstickt.
Ausführlich erzählt der jüngere Plinius
(Ep. VI, 16) die
Katastrophe. Daß Plinius
, seinen
Tod voraussehend,
durch einen Sklaven sich habe töten lassen, wie die
»Vita Plinii« des Sueton berichten, ist unwahrscheinlich. Plinius
galt unter
seinen Zeitgenossen als einer der gelehrtesten
Männer. Seine schriftstellerische Thätigkeit wird von dem
Neffen (Ep. III,
5) als eine ganz außerordentliche geschildert; sie erstreckte sich auf Geschichte,
Biographie,
Theorie
der
Rhetorik,
Kriegswissenschaft,
Naturgeschichte, welch letztere er mit sichtlicher
Begeisterung als Trost für das
Elend der
Zeit und als
Mittel gegen die Verzweiflung an der sittlichen
Weltordnung erfaßte.
Das einzige uns erhaltene Werk des Plinius
ist die
»Historia naturalis« in 37
Büchern, eine Art von
Encyklopädie,
deren
Inhalt nach des Verfassers eigner
Versicherung aus mehr als 2000
Bänden geschöpft ist. Es beginnt mit
Physik und
Astronomie,
[* 8] dann folgt vom 3.-6.
Buch eine zum Teil auf bloße
Nomenklatur sich beschränkende
Erdbeschreibung, weiter bis zum 19.
Buch eine
Naturgeschichte, den
Menschen, das
Tierreich und zuletzt die Pflanzenwelt behandelnd, woran sich bis zum 32.
Buch
die Auseinandersetzung der Heilkräfte, welche die
Pflanzen- und Tierwelt bieten, anschließt.
Den Beschluß machen das Mineralreich und die Betrachtung der daraus zu gewinnenden Heilmittel. Endlich folgt in den letzten 5 Büchern im Anschluß an die Metallurgie und Technik, soweit sie mit edlen Metallen in Arbeiten der Bildhauer, Steinschneider etc. sich beschäftigt hatte, noch eine übersichtliche Darstellung der Kunst und ihrer einzelnen Werke sowie der einzelnen Künstler des Altertums. Da der Verfasser auf den meisten Gebieten kein Mann von Fach war, so finden sich Verstöße aller Art in dem Werk; auch ermangelt dasselbe planmäßiger Anordnung des Materials und ist vielfach nichts als eine kritiklose, unzuverlässige Kompilation. Eine Revision desselben gaben Sillig (zuletzt Gotha [* 9] 1851-58, 8 Bde.), Detlefsen (Berl. 1867-82, 6 Bde.) und v. Jan (fortgesetzt von Mayhoff, Leipz. 1857-75, 6 Bde.). Deutsche [* 10] Übersetzungen lieferten unter andern: Wittstein (Leipz. 1881), Külb (Stuttg. 1869), Strack (Brem. 1853-1855, 3 Bde.).
2)
Gajus
Plinius
Cäcilius
Secundus, der jüngere
(Minor), Sohn des L.
Cäcilius und einer
Schwester des vorigen, geb. 62
n. Chr. zu
Conium, ward nach dem frühen
Tod seines
Vaters von seinem Oheim adoptiert und sorgfältig erzogen. Von Quintilian zum Redner
gebildet, betrat er im 19. Lebensjahr die juridische Laufbahn, und diente dann als
Kriegstribun in
Syrien.
Hierauf in den
Staatsdienst eingetreten, ward er unter Domitian
Quästor,
Volkstribun und Prätor (93). Unter Trajan bekleidete
er 100 das
Konsulat und verwaltete um 112 als kaiserlicher
Legat die
Provinz
Bithynien. Er starb um 114. Plinius
stand
mit den gebildeten Männern seiner Zeit in
Verkehr, so mit Quintilian, Sueton,
Silius Italicus,
Martialis, ganz besonders aber
mit
Tacitus.
Von seinen Schriften sind nur erhalten der an Trajan gerichtete »Panegyricus«, eine im Senat gehaltene Dankrede für Verleihung des Konsulats, voll von übertriebenen Schmeicheleien gegen den Kaiser und in geziertem und künstlichem Stil, das Vorbild der spätern Panegyriker, und eine von ihm selbst veranstaltete Sammlung von »Epistolae« in zehn Büchern, von denen das letzte offizielle Korrespondenzen enthält. Sie geben ein treues Bild des sozialen und litterarischen Treibens jener Zeit und zeigen uns die Lebensweise eines mit Glücksgütern, geistiger Regsamkeit, feinem Geschmack und Empfänglichkeit für das Schöne reich ausgestattete Römers, der seine Schätze in edler Liberalität auch andern mitteilt und zu höhern Zwecken verwendet.
Heiterer, aus Natur, Kunst und Wissenschaft ihm zuströmender Lebensgenuß ist die Luft, in der er atmet; in dieser Beziehung bildet er einen Gegensatz zu der düstern Lebensanschauung seines von ihm hochgeehrten ältern Freundes Tacitus. Die Sprache [* 11] in den Briefen ist fließend und elegant, aber kunstvoll berechnet. Hauptausgabe von H. Keil (Leipz. 1870, mit Index nominum von Th. Mommsen); Übersetzungen von Schott (Stuttg. 1869), Klußmann und Binder (das. 1869-74).
Vgl.
Mommsen, Zur Lebensgeschichte des jüngern Plinius
(»Hermes«,
[* 12] Bd. 3, Berl. 1868);