Platin
oder Platina
ist ein erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt gewordenes Edelmetall, welches nur
sehr wenig zu Luxusgegenständen verarbeitet wird, dafür aber dem Chemiker, Physiker und Techniker für
viele Arbeiten unentbehrlich wurde, weil es darin durch nichts zu ersetzen ist. Die erste Bekanntschaft mit diesem schweren
Metall (spez. Gewicht = 21,0-23,0) wurde in Südamerika gemacht bei
Gelegenheit des Goldwaschens. Man fand zwischen dem
Gold
im Schwemmland hier und da ein weißes schweres Metall in Körner- und Sandform, das man, in Ableitung
von dem Silbernamen plata, platina
, Kleinsilber oder etwas Silberähnliches nannte und nicht zu benutzen wußte; vielmehr
ließ die damalige spanische Regierung, nachdem sich herausgestellt, daß damit eine Verfälschung des
Goldes durch Beischmelzen
möglich sei, die ersten gesammelten Vorräte ins Meer werfen.
Zu dem ersten Fundorte im Sande des Pintoflusses in Neugranada ergaben sich in der Folge noch weitere in Brasilien, Kolumbien, Mexico, Peru und auf Domingo, von denen die kolumbischen am Westabhange der Anden die bedeutendsten sind. Von hier, aus Brasilien und S. Domingo kamen kleinere Quantitäten des neuen Metalls nach Europa, wo dessen chemische und physikalische Eigenschaften nach und nach festgestellt wurden, während eine ausgedehntere technische Verwendung erst vom Jahre 1830 an Platz griff. 1822 entdeckte man das P. in den Goldwäschereien am östlichen Abhange des Ural und in weiter Erstreckung längs der ganzen Bergkette.
Die russische Ausbeute übertraf bald die amerikanische bedeutend; man berechnet, daß Rußland durchschnittlich 2005 kg, Südamerika etwa 425 kg jährlich an den Markt bringt, so daß etwa 2430 kg jährlich zur Verfügung ständen. Früher nahm man allgemein an, daß Rußland viel mehr P. fördern könne, die Ausbeute aber, um hohe Preise zu halten, beschränke. Die Verhältnisse haben sich aber geändert; Rußland macht nicht mehr allein die Preise. Das Metall findet sich hauptsächlich in Goldländern und unter gleichen Verhältnissen wie das Waschgold, nämlich als Sand und kleine gediegene Körner, in aufgeschwemmten oder in durch Verwitterung von Gebirgen entstandenen Erdschichten. In feinster Verteilung scheint übrigens das Metall ein sehr gewöhnliches Vorkommnis in vielen Gebirgsarten und Erzen zu sein. Auch in Deutschland, auf den Bleigruben zu Ibbenbühren, auf der Wilhelmshütte im Harz, ist etwas P. gefunden worden.
Das P. hat als beständige Begleiter eine Anzahl andrer Metalle, welche sämtlich entdeckt wurden, als man das P. genauerer
Untersuchung unterwarf. Diese Platin
metalle sind
Iridium,
Palladium,
Rhodium,
Osmium,
Ruthenium; das erstere (s. d.) hat am meisten
technische Wichtigkeit. Sie sind alle wie das P. selbst im reinen Zustande weiß, schwer wiegend und schwer schmelzbar, meist
nur in
Königswasser löslich und wenig geneigt, sich mit andern Elementen zu verbinden, daher alle nur
gediegen, weder als Oxyde, noch als Schwefelmetalle vorkommen.
Wenn gleichwohl immer von Platin
erzen die Rede ist, so muß das für diesen Fall in einem besondern Sinne genommen werden.
Die Platin
metalle kommen nämlich außer in Sand- und Körnerform, wo sie schon durch Auslesen großenteils scheidbar sind,
öfter auch zu Stückchen und Stücken verbunden vor, zusammengewachsen oder durch fremde Zwischenmittel,
z. B.
Eisen- und Kupfererze,
Serpentin etc., verkittet. Solche, teils Metallglanz zeigende, teils unscheinbare
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schwarze Massen heißen Platin
erze. Ihr Platingehalt und Wert ist sehr schwankend und aufs bloße Ansehen unbestimmbar. Das
größte in Amerika gefundene Stück Platinerz
befindet sich in Madrid und wiegt nur 0,82 kg, während sich am Ural größere
Klumpen von 4-8 kg gefunden haben und der zur Zeit größte 9,43 kg wiegt. Auf der ergiebigsten fiskalischen
Wäsche am Ural erscheint das Platinerz
in Form eines gleichartigen grauen schweren Sandes mit einzelnen metallisch glänzenden
Flimmern; es enthält bis 88% reines P., im Durchschnitt 70 bis 80%. -
Die Zerlegung der Platinerze
und die Isolierung des P. geschieht nicht im Feuer, sondern auf nassem Wege
und gibt das Königswasser dazu den Schlüssel ab. Da die Platin
metalle, gleich dem Golde, nur von diesem Lösungsmittel angreifbar
sind, so kann aus den zu verarbeitenden Massen etwa vorhandenes gemeines Metall, wie Eisen und Kupfer, vorher durch Salzsäure
und selbst ein etwaiger Goldgehalt durch schwaches Königswasser ausgezogen werden, denn die Platin
metalle
erfordern zur Lösung heißes Königswasser in reichlicher Menge.
Die größte Scheideanstalt, welche fast alles uralische Erz verarbeitet, befindet sich in Petersburg. Man bringt daselbst 1,5-2 kg des gepulverten Erzes mit 7,5-10 kg Königswasser (aus 3 Tln. Salzsäure von 22° B. und 1 T. Salpetersäure von 40° B.) in Porzellanschalen, welche durch ein Sandbad erwärmt werden. Für die roten Dämpfe, die sich bei der Auflösung entwickeln, sind Ableitungen vorhanden. Wenn die Entwickelung derselben nach 8-10 Stunden aufgehört hat, wird die Lösung abgezogen und neues Königswasser aufgegeben, um den Metallrest noch weiter auszuziehen.
Aus den abgezogenen Lösungen wird durch Zusatz von Ammoniak bis beinahe zur Sättigung und event. auch
durch Zusatz von Salmiak alles P. ausgefällt in Form eines gelben Niederschlags, Platin
salmiak, welcher aus einem Doppelsalz
von Chlorplatin und Salmiak (Chlorammonium) besteht. Durch schwaches Glühen dieser Masse werden alle flüchtigen Elemente
daraus vertrieben und das Metall bleibt allein in Form einer grauen schwammigen Masse, Platin
schwamm,
zurück.
Aus der sauren Lösung der Platinametalle lassen sich auch die übrigen, Palladium, Iridium, Rhodium, durch besondre Fällungsmittel abscheiden. Rhodium ist schon wegen seiner geringen Menge ohne Belang und auch Osmium ist ohne Gebrauchswert. Sein Verhalten ist höchst eigentümlich; es ist ein säurebildendes Metall, das sich in feinverteiltem Bestande an der Luft zu Überosmiumsäure oxydiert, welche als höchst unangenehm riechender und sehr giftiger Dampf auftritt. In den Scheideanstalten bleibt es als ein schwarzes Pulver bei den nicht gelösten Rückständen; dies Pulver ist aber eine natürliche Legierung von Osmium mit Iridium und wird in neurer Zeit, wo das letztere mehr Wert erhalten hat, zur Gewinnung desselben benutzt. -
Der Platinschwamm ist diejenige Form, in welcher das P. gewöhnlich zuerst erscheint. Er bildet zerrieben und gesiebt ein graues Pulver. Ein Platinschwamm, wie er zur Döbereiner'schen Zündmaschine gehört, ist ein kupfernes Ringelchen mit einigen hineingespannten Platindrähtchen, zwischen welchen der eigentliche Schwamm als die zündende Masse in geringer Quantität eingedrückt ist. Um das pulverige Metall in Barren zu verwandeln, füllt man es, angefeuchtet, in stählerne Cylinder und preßt einen stählernen Stempel mit Gewalt hinein, am besten durch eine hydraulische Presse.
Die so erhaltenen Scheiben oder kurzen Cylinder werden etwa 36 Stunden lang einer starken Glühhitze ausgesetzt, und sintern dabei zu kleineren dichten metallischen Stücken zusammen, die sich durch Auswalzen in Blech, durch Hämmern in Schalen, Tiegel u. dgl. umformen lassen, denn das Metall ist dehn- und streckbar wie Kupfer. Die Kosten der Bearbeitung sollen in Rußland 61-66 Mk. für 1 kg betragen. Das auf dem beschriebenen Wege gewonnene P. ist nicht rein und namentlich osmiumhaltig, wodurch es an Geschmeidigkeit verliert und Geräte bei öfterm Erhitzen schadhaft werden. Längere Zeit mußte man sich mit solchen wenig zuverlässigen Geräten behelfen, die außerdem in größern Stücken, wie die zur Eindampfung der Schwefelsäure gebrauchten Kessel, nur mit den größten Schwierigkeiten durch Hammerarbeit hergestellt werden konnten.
Ein großer Fortschritt in der Technik des P. war es daher, als man das in gewöhnlichem Feuer gar nicht schmelzbare Metall schmelzen lernte. Es gelingt dies in einer Flamme von brennendem Wasserstoff- oder Leuchtgas, in die man Sauerstoff geführt. Die dabei entwickelte Hitze würde alle gewöhnlichen Tiegelstoffe zerstören; man benutzt daher einen Tiegel oder vertieften Herd, der aus einem Stück gebrannten Kalkes geformt ist. Auf diese Weise lassen sich 12-20, ja selbst 100 kg in einer Schmelzung in Fluß bringen, und es genügt zur Reinigung des Metalles, daß derselbe etwa eine halbe Stunde lang unterhalten wird. Währenddem reinigt sich das P. durch Verflüchtigung des Osmiums und dadurch, daß etwaige andre fremde Stoffe mit dem Kalk verschlacken. Es läßt sich auch das rohe Erz in gleicher Weise behandeln und eine brauchbare Legierung von P. mit Iridium und etwas Rhodium erschmelzen.
Das umgeschmolzene Metall bildet eine schöne, homogene Masse, so gefügig und bearbeitbar wie das beste Kupfer und zum Gießen tauglich, sodaß man die Schwefelsäurekessel jetzt einfach in Sand gießt oder vergießt und nachhämmert. Diese Kessel kosten seitdem nur noch etwa ¼ der frühern enormen Preise und sind überdies besser. Auch über das Verhältnis zwischen P. und Iridium ist man jetzt besser unterrichtet. Es hat sich gefunden, daß Legierungen aus beiden Metallen für die Praxis sehr brauchbar und bei größerer Wohlfeilheit selbst besser sind als reines P. Bei 10-15% Iridiumgehalt widersteht das P. der Hitze und den Säuren besser und ist viel härter als im reinen Zustande. Legierungen mit 20% widerstehen selbst dem Königswasser fast vollständig. -
Das metallische P. verdankt seine vielfache technische und wissenschaftliche Anwendung seiner großen Widerstandsfähigkeit gegen Feuer und die Einwirkung von Säuren und ¶
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andern stark wirkenden Agentien. Die größten Platingeräte sind die schon erwähnten Schwefelsäurekessel; in chemischen Laboratorien sind Tiegel, Retorten, Abdampfschalen, Bleche zum Einäschern organischer Substanzen und zur Prüfung von Flüssigkeiten auf einen Rückstand, sowie Drähte unentbehrlich. Indes verlangt auch das P. hierbei gewisse Rücksichten: chlorhaltige Stoffe z. B. können nicht darin geglüht werden, weil das Chlor, das eigentliche, auch im Königswasser wirksame Lösungsmittel für die Edelmetalle, die Gefäße angreifen würde;
glühende Kohlen anderseits in direkter Berührung mit dem Metall verderben und durchlöchern es ebenfalls.
Ebenso nachteilig sind Brom, Jod, Phosphor, Schwefel, und zum Schmelzen von Metallen taugen Platingetäße auch nicht. In gewöhnlicher starker Weißglühhitze ist das Metall, wenn auch nicht schmelzbar, doch weich, schmied- und schweißbar. In Rußland wurden früher einmal Münzen, Drei-, Sechs- und Zwölfrubelstücke, daraus geprägt, die aber wieder eingezogen sind, weil der darin festgesetzte Preis sich nicht aufrecht erhalten ließ. P. läßt sich gut zu Drähten ausziehen und zwar unter Anwendung eines gewissen Kunstgriffs zu den denkbar feinsten.
Man umgibt einen stärkern Platindraht mit einer dicken Hülle von Silber und zieht diese Stange zu feinem Draht aus. Bringt man denselben in Scheidewasser, so löst sich das Silber und es verbleibt ein Platindraht von mikroskopischer Feinheit. Die Drähte haben mancherlei Anwendung, unter anderm bei Sprengungen mittels des galvanischen Stroms, bei welchen ein feines, in die Leitung geschaltetes Drähtchen, das durch den Pulversatz geht und durch den Strom ins Glühen versetzt wird, die Entzündung bewirkt. In der Zahntechnik wird P. in Legierungen mit Gold oder Silber zu künstlichen Gebissen u. dgl. benutzt.
Auch Platinierungen auf galvanischem Wege auf Kupfer und andre Metalle werden mitunter angewandt. Das metallische P. wird noch in einer andern Form, als höchstfeines schwarzes Pulver, Platinmohr oder Platinschwarz, verwendet. Es kann auf verschiedne Weise dargestellt werden. Mischt man die Auflösung in Königswasser mit heißer Ätzkalilauge und setzt nach und nach Weingeist zu, so fällt das Platinschwarz heraus. Ebenso wird dasselbe erhalten, wenn das Metall mit zwei Teilen Zink zusammengeschmolzen, die spröde Legierung gepulvert und das Zink mit verdünnter Schwefel- und Salpetersäure ausgezogen wird.
Das Zurückbleibende ist Platinschwarz. Man benutzt dieses technisch anstatt des kompakten P. zum äußerlichen Überziehen von Schalen aus Kupfer oder Porzellan mit einer Platinschicht, die dann häufig an Stelle massiver Geräte gebraucht werden können, oder, um den eisernen Kunstgußsachen einen angenehmen Farbeton zu geben. Das P. ist gegenüber dem Zink (nächst der Kohle) der stärkste Elektrizitätserreger und bildet daher für gewisse Konstruktionen starker und kompendiöser Batterien einen Bestandteil.
Die merkwürdige Eigenschaft des feinzerteilten Metalles, in Form von Schwamm, und mehr noch von Mohr, große Mengen von Sauerstoff aus der Luft in seinen Poren zu verdichten und dadurch in einen weit aktivem Zustand zu versetzen, findet sich zwar auch an andern porösen Körpern, doch nicht in so hohem Grade. Schwamm und Mohr sind daher die stärksten Oxydationsmittel, ohne sich dabei selbst zu verändern. Hieraus erklärt es sich, daß am Döbereiner Feuerzeug der Wasserstoffstrahl am Schwamm entzündet wird und zu Wasser verbrennt, und daß darüber geleitetes schwefligsaures Gas sich in Schwefelsäure, Weingeistdampf in Essigsäure, Ammoniakgas in Salpetersäure verwandeln. - Der Preis des Metalls beträgt gegenwärtig etwa das Fünffache des Silber- und ein Drittel des Goldwertes. Fabriken, welche das Metall zu Blasen, Kesseln, Tiegeln etc. verarbeiten, befinden sich in Petersburg, London, Paris, Hanau. - Die Auflösung des P. in Königswasser ist die gebräuchliche Lösung, das Platinchlorid, dem Goldchlorid entsprechend, und eine ebenso gelbrote Flüssigkeit wie dieses.
Zur Trockne eingedampft bildet es eine salzartige Masse, von der 100 g etwa 48 Mk. kosten. Man verwendet es als chemisches Reagens und auch technisch, in der Photographie statt des Goldes zum Dunklermachen und Tönen der Bilder, zum Platinieren auf galvanischem Wege, auf Porzellan und Steingut zur Erzeugung einer Art Versilberung, nicht so brillant wie die echte und mehr ins Graue fallend, aber weit haltbarer. Neuerdings platiniert man in ähnlicher Weise wie Porzellan auch Glastafeln und stellt dadurch gute und wohlfeile Spiegel her. Man arbeitet das Chlorid mit Lavendelöl und einem bleihaltigen Flußmittel zu einer Masse zusammen, mit der man die Tafeln überzieht und nach dem Trocknen in Muffeln brennt. Die spiegelnde Metallfläche liegt frei auf der vordern Seite des Glases, weshalb die andre nicht poliert zu sein braucht. - Zoll s. Palladium. Hinzugefügt wird, daß Retorten, Tiegel etc. nicht zu den Instrumenten zu rechnen und deshalb nach Nr. 20 a zollpflichtig sind. Platinschwamm und andre chemische Verbindungen sind zollfrei.