Titel
Platen
,
altes pommersches Grafengeschlecht, das schon 1308 in
Urkunden erwähnt wild und 1630 in den deutschen Reichsfreiherrenstand
erhoben wurde. Die ältere
Linie ist in
Schweden
[* 3] reichssässig, die jüngere nennt sich Platen
zu
Hallermund und führt seit 1829 das
Prädikat
Erlaucht. Die namhaftesten Sprößlinge des
Geschlechts sind:
1)
August,
Graf von Platen
-Hallermund, hervorragender Dichter, geb. zu
Ansbach
[* 4] als Sohn des preußischen Oberforstmeisters.
Grafen Platen
, erhielt infolge des Übergangs der fränkischen Fürstentümer an
Bayern
[* 5] seit 1806 seine
Erziehung in der Kadettenschule
zu
München,
[* 6] trat 1810 in das Pageninstitut daselbst, 1815 als
Leutnant in das bayrische Leibregiment König
Max ein, mit
dem er dem kurzen
Feldzug von 1815 beiwohnte und bis 1817 bei der Okkupationsarmee in
Frankreich verblieb.
Würzburg (Stadt)

* 7
Würzburg.Nach der Heimkehr empfand der jugendliche Offizier die Leere des Garnisondaseins und den Drang zu wissenschaftlicher Bildung um so stärker, als sich sein poetisches Talent bereits zu regen begann und in engern Kreisen Hoffnungen erweckte. Er erhielt Urlaub, um sich in Würzburg [* 7] und Erlangen [* 8] Universitätsstudien (hauptsächlich philologischen und philosophischen) zu widmen. In Erlangen schloß er sich namentlich begeistert an den 1820 dorthin berufenen Philosophen Schelling an. Seine »Ghaselen« (Erlang. 1821) und »Lyrischen Blätter« (Leipz. 1821),
»Vermischten
Schriften«
(Erlang. 1822) und
»Neuen
Ghaselen«
(das. 1823) zogen durch ihren
Inhalt und vor allem durch ihre reine Form die
Aufmerksamkeit hervorragender Schriftsteller und
selbst
Goethes auf sich. Auf Ferienreisen gewann Platen
persönliche Beziehungen zu
Goethe,
Knebel,
Jean Paul,
Rückert,
Uhland, G.
Schwab, deren
Anerkennung das in ihm vorhandene starke Selbstgefühl rasch steigerte.
Stand Platen
zunächst
noch unter den Einflüssen der
Romantik und namentlich der in den 20er
Jahren viel empfohlenen
Muster der spanischen
Dramatik,
so zeigten doch die Jugenddramen des Dichters, welche während seiner
Erlanger Studienzeit entstanden (»Der gläserne
Pantoffel«,
»Der
Schatz des
Rhampsinit«,
»Berengar«,
»Treue um
Treue«),
Schweiz

* 9
Schweiz. neben der Stoffwahl im
Sinn der
Romantiker einen
selbständigen Zug
zur
Klarheit der
Handlung und zur
Bestimmtheit des
Ausdrucks. Die Herbstreise des
Jahrs 1824, welche Platen
nach der
Schweiz
[* 9] und nach
Venedig
[* 10] unternahm (sie trug als poetische
Frucht die schönen
»Sonette aus
Venedig«),
Italien

* 13
Italien. entschied insofern über
seine Zukunft, als der Dichter, der noch immer im Militärverband stand, wegen Überschreitung seines
Urlaubs eine mehrwöchentliche Arreststrafe in
Nürnberg
[* 11] zu verbüßen hatte und nunmehr definitiv seinen
Abschied nahm. Platens
Entwickelung trat in dieser Zeit mehr und mehr in einen bewußten
Gegensatz zur Tagesbelletristik. Seine Entrüstung über
die Stümperei und Unkunst vieler Nachromantiker, über die inhaltsleere
Lyrik und Novellistik sowie über
die geschmackswidrige
Richtung der Schicksalstragödien konzentrierte sich in der nach Aristophanischem
Muster geschaffenen
Komödie »Die verhängnisvolle
Gabel« (Stuttg. 1826). Die Gleichgültigkeit, ja Feindseligkeit, mit welcher in den
meisten litterarischen
Kreisen
Deutschlands
[* 12] sein
Enthusiasmus für Reinheit und
Würde der
Poesie aufgenommen wurde, vermehrten
den Widerwillen des Dichters gegen diese Zustände. Er trat daher 1826 eine
Reise nach
Italien
[* 13] an, welche
sich in einen dauernden Aufenthalt im
Lande der
Kunst verwandelte, dessen Eigenart ihm in allem zusagte. In
Florenz,
[* 14]
Rom und
[* 15]
Neapel
[* 16] wurde der deutsche
Poet heimisch, und obschon er mit Lebenssorgen zu kämpfen hatte, denen eine
kleine
Pension König
Ludwigs I. von
Bayern und ein Jahrgehalt der Cottaschen Buchhandlung nur unvollkommen abhalfen, fühlte
er sich in seinem selbstgewählten
Leben als »wandernder
Rhapsode« frei und glücklich. Die
Polemik, die er in der »Verhängnisvollen
Gabel« gegen die deutschen Litteratur zustände eröffnet hatte, setzte er in der
Komödie »Der romantische
Ödipus« (Stuttg. 1828) fort, und er hatte infolgedessen einen harten litterarischen
Kampf gegen
Heine und
Immermann zu bestehen, von denen namentlich der erstere einen unedlen und tief gehässigen
Ton anschlug,
welcher das
Urteil des größern
Publikums über Platen
vielfach beirrte.
Geschichtskarten von D

* 17
Deutschland.
Doch zählte der Dichter schon zu dieser Zeit Verehrer, welche, vom
Ernst und von der Reinheit des
Inhalts,
von der
Schönheit der Form seiner
Dichtungen entzückt, selbst die Begrenzung des Platen
schen
Talents übersahen oder ableugneten.
Die nächstfolgenden Jahre, welche er zum größten Teil in
Neapel verbrachte (wo er mit dem
Maler und Dichter A.
Kopisch in
freundschaftlichen
Verkehr trat), brachten die beste
Entwickelung des Dichters. Neben zahlreichen lyrischen
Gedichten und
Oden in antiken Versformen, neben
Balladen und
Romanzen entstanden Platens
letztes
Drama: »Die
Liga von
Cambrai«,
und das reizende frische Märchenepos »Die
Abbassiden« (geschrieben 1830; gedruckt, Stuttg. 1834).
In den
»Geschichten des
Königreichs
Neapel« (Frankf. 1838) versuchte sich Platen
auch in der historischen
Darstellung, ohne indes auf diesem Gebiet
sonderliche Erfolge zu erringen. 1832 starb Platens
Vater, und dies sowie der
Wunsch, seine Beziehungen zur Cottaschen Verlagsbuchhandlung
wiederum fester zu knüpfen, riefen Platen
nach achtjähriger
Abwesenheit für kurze Zeit nach
Deutschland
[* 17] zurück. Er lebte zwei
Winter in
Augsburg
[* 18] und
München und redigierte die erste vollständige Sammlung seiner »Gedichte«
(Stuttg. 1833), welche sich jetzt wachsender
Teilnahme und Geltung erfreuten. Im
Sommer 1834 ging der Dichter nach
Italien zurück,
verweilte wieder einige Zeit in
Florenz und
Neapel, ging im
Frühling 1835 zum erstenmal nach
Sizilien,
[* 19] kehrte im Spätsommer
nach
Neapel zurück und ward durch die Besorgnis
vor der
Cholera zu einem Winterausflug nach
Sizilien bestimmt.
Im
September kam er nach
Palermo,
[* 20] im
November nach
Syrakus,
[* 21] wo er im
Hause seines Gastfreundes
Don
Mario Landolina erkrankte und (wie
er es gewünscht hatte, fern von der
Heimat) starb. Platen
ward im
Garten
[* 22] der
Villa Landolina bestattet und
sein
Grab 1869 mit einem Denkstein geschmückt. Zu
Ansbach steht eine
Statue des Dichters.
Plater - Platin

* 26
Seite 13.118.
Der ersten
Ausgabe seiner »Sämtlichen Werke« (Stuttg.
1839, in einem
Band)
[* 23] folgten zahlreiche spätere
Ausgaben (von K.
Gödeke, das. 1847, 5 Bde., und
1882, 4 Bde.; von
Redlich, Berl. 1883, 3 Bde.), obwohl
der Dichter populär im eigentlichen
Sinn des
Wortes nicht zu werden vermochte. Der gehässigen Unterschätzung der echten
Dichtergaben und des Künstlerwertes. Platens
folgte seit den 40er
Jahren eine wachsende Übersetzung. Der Einfluß, den seine
stolze Idealität und künstlerische Formstrenge auf die jüngere Dichtergeneration gewann, verleitete
dazu, Platen
als den allein mustergültigen Dichter der Neuzeit hinzustellen, was er aus mehr als einem
Grund nicht zu sein vermochte.
Zunächst sind es die
Kraft
[* 24] und der
Wohllaut seiner
Sprache,
[* 25] welche in seinen Liedern,
Sonetten,
Balladen und
Romanzen sowie in
den antikisierenden
Oden,
Eklogen,
Idyllen
¶
mehr
und Hymnen erheben und wirken. Keineswegs aber war Platen
nur der Dichter der marmorglatten Form. Wenn ihm leidenschaftlichere
und weichere Gefühle verschlossen sind oder nur ein flüchtiger Hauch derselben einzelne Gedichte durchdringt, so leiht er
vielen starken, männlichen Empfindungen, dem Gefühl der Entschlossenheit, der Würde, ernster, schmerzbesiegender Fassung,
edler Trauer, stolzem Freiheitssinn, den ergreifendsten und schönsten Ausdruck. »Was der Gesamterscheinung
Platens und namentlich seinen größern Werken mangelt, ist der Reichtum des Lebens und die sinnliche Fülle, und er kann in
dieser Beziehung sehr wohl mit jenen Kunstreformatoren verglichen werden, die zuerst wieder Adel und Schwung der Linien, Bestimmtheit
des Ausdrucks zu gewinnen trachten und darüber den Reiz und Reichtum der Farben verlieren.« (A. Stern.) Seinen
»Poetischen und litterarischen Nachlaß« gab Minckwitz (Leipz. 1852, 2 Bde.; 2. Aufl.
1854) heraus.
Vgl. Minckwitz, Graf Platen als Mensch und Dichter (Leipz. 1838);
»Briefwechsel zwischen Platen und Minckwitz« (das. 1836);
»Platens Tagebuch 1796-1825« (hrsg. von Pfeufer, Stuttg. 1860).
Hannover und Umgebung

* 27
Hannover.2) Adolf Ludwig Karl, Graf von Platen zu Hallermund, geb. seit Juli 1855 auswärtiger Minister Georgs V. von Hannover, [* 27] sprach sich noch im Mai 1866 für die Notwendigkeit einer hannöverschen Neutralität aus, wandte sich dann aber Österreich [* 28] zu und lehnte 15. Juni das preußische Ultimatum ab. Er begleitete Georg V. nach Hietzing und stand seitdem im Mittelpunkt der von dort aus betriebenen antipreußischen Agitation. Namentlich in der Angelegenheit der Welfenlegion hatte sich Platen so kompromittiert, daß ihm seitens der preußischen Regierung der Prozeß wegen Hochverrats gemacht wurde und seine Verurteilung in contumaciam erfolgte; er lebt in Holstein. - Ein jüngerer Bruder von ihm, Graf Julius von Platen, geb. Oberstleutnant a. D. und zu königlich hannöverschen Zeiten königlicher Oberschenk sowie Generalintendant des Hoftheaters und Hoforchesters, wurde Intendant des Hoftheaters und der königlichen Kapelle in Dresden. [* 29]