(PlatanusL.),
Gattung aus der
Familie der
Plataneen, meist große und schöne
Bäume mit periodisch in großen
Stücken freiwillig sich ablösender
Rinde, wechselständigen, gestielten, handnervigen und handförmig
gelappten Blättern, monözischen
Blüten in hängenden, langgestielten, kugeligen Blütenköpfen und in der Verdickung des
Blattstiels sich entwickelnden
Knospen.
[* 2] 5
Arten in den gemäßigten und subtropischen Klimaten der nördlichen
Halbkugel.
Morgenländische
[* 3] (Platane orientalisL.), einer unsrer schönsten
Bäume, 20-25 m hoch, mit starkem, aber nicht sehr hohem
Stamm,
weit ausgreifenden
Ästen, großschuppig sich ablösender
Borke, bis 24
cm im
Durchmesser haltenden, tief
eingeschnittenen, dreilappigen oder handförmig fünflappigen Blättern, deren
Lappen lanzettförmig oft wieder gelappt oder
gezahnt sind, wird in mehreren
Formen bei uns vielfach kultiviert.
AbendländischePlatane
(Wasserbuche,
Sykomore, Platane occidentalisL.), ein 20-30 m hoher
Baum mit mehr pyramidenförmiger
Krone, kleinschuppig sich ablösender
Borke und großen
Blättern, welche meist nur drei, selten fünf kurze
Abschnitte besitzen,
außerdem oft noch grob gezahnt und wenigstens auf
der Unterseite auch bleibend behaart sind, stammt aus
Nordamerika
[* 4] und wird bei uns ebenfalls in mehreren
Formen kultiviert,
scheint aber weniger hart zu sein als der erstere, welcher daher auch weiter verbreitet ist.
Beide zeichnen sich durch schnellen Wuchs aus und liefern ein vortreffliches
Nutzholz. Die orientalische Platane war schon im
Altertum,
wie noch jetzt, allgemein beliebt; sie erreicht ein sehr hohes
Alter und kolossale
Dimensionen und wächst im ganzen
Orient
überall in derNähe von Wasserläufen. Wahrscheinlich kam sie in sehr früher Zeit als heiliger
Baum
aus
Vorderasien nach
Europa
[* 5] und gelangte in der
Folge auch nach
Italien,
[* 6] wo sie zu Theophrasts
Zeiten noch selten war, später
aber mit Vorliebe angepflanzt wurde. Die Alten sprachen von einer Gesundheitsschädlichkeit der Platane, und solche
ist auch später und bis in die neueste Zeit bestätigt worden. Sie ist abzuleiten von den zahlreichen
Sternhaaren, welche die jungen
Blätter bedecken, bei Entfaltung derselben abfallen und die
Atmungsorgane stark reizen, wenn
sie mit der
Luft eingesogen werden.
[* 3] (Abstammung). Die schon im Altertum bekannte und in einigen Teilen Südeuropas sowie in Kleinasien, Armenien,
Persien
[* 7] und Indien wild wachsende orientalische Platane(Platanus orientalisL.) unterscheidet sich von ihrer seit 1640 in
Europa eingeführten, amerikanischen Verwandten (PlataneoccidentalisL.) durch größere
Borkenschuppen und durch tiefer eingreifende Buchtung des meist fünflappigen Blattes, welches bei der amerikanischen Art
in der Regel fünfeckig mit drei schwachen Lappen erscheint.
Seitdem eine größere Zahl lebender und fossiler Platanenarten bekannt wurde, unter letztern z. B.
aus Miocänschichten:
PlataneHaydeni Newb.
und Raynoldsi Newb.
und aus der Kreide:
[* 13]
Plataneprimaeva Lesqrx. und Platane Newberryana
Heer, wurde allmählich die Frage nach der stammverwandtschaftlichen Stellung aller dieser ziemlich ähnlichen Arten untereinander
sowie zu den lebenden eine brennende; höchst auffallend erschien es schon vom pflanzengeographischen Standpunkt aus, daß
zwei nahverwandte Formen, wie die orientalische und die amerikanische Platane, auf zwei durchaus getrennten Wohngebieten auftreten.
Der Grund dieser Erscheinung konnte nur durch genaue Vergleichung der lebenden mit den ausgestorbenen Arten ermittelt werden.
Eine kritische Bearbeitung sämtlicher über die Platane vorliegender, paläontologischer und
botanischer Untersuchungen hat neuerdings Janko unternommen, wobei er zunächst auf die sehr verschiedenen Blattformen seine
Aufmerksamkeit richtete, welche die europäische Platane im Laufe der Vegetationszeit an beständig neu sich bildenden Ästen als
Erstlingsblätter hervorbringt; er fand an den Frühlingstrieben vorwiegend solche astbeginnende Blattformen,
welche bei einigen der ältesten fossilen Arten vorherrschen, an den Sommertriebe ferner solche, die denen jüngerer Formationen
ähnlich sind, und erst an den Herbsttrieben vorwiegend die für die Art charakteristischen Erstlingsblätter.
Für die genauere Unterscheidung der Arten ist ferner die Nervatur, die Lappenbildung und Buchtung der Blattfläche, die
Form des Blattgrundes und die Art der Zähne
[* 14] von großer Bedeutung. Nach der Nervatur sind Blätter mit 1,3 oder 5 Hauptnerven
zu unterscheiden, von denen die erste Form für die astbeginnenden Blätter der Frühlingstriebe, die zweite für die der
Sommer- und die dritte für die der Herbsttriebe kennzeichnend ist; die ein- und dreinervigen Blätter
treten in der Kreide- und der ältern Tertiärzeit auf, am Ende des Miocän entwickelte sich die fünfnervige Form und diese
herrscht in der Gegenwart bei den Arten der Alten Welt, während die dreinervige bei den lebenden amerikanischen dominiert.
Die Lappenform des Blattes kann an den Frühjahrstrieben völlig fehlen oder nur schwach angedeutet sein,
die dreilappige Form mit
¶
mehr
stumpfern, seichten Buchten herrscht bei den Sommerblättern, die fünflappige mit spitzern, tiefen Buchten an den Herbsttrieben;
dementsprechend tritt die lappenlose Form vorwiegend in der Kreideperiode auf und wird am Ende derselben selten, wiederholt
sich aber bei den tertiären und lebenden Arten besonders an den astbeginnenden Blättern. Die dreilappige Form mit
Buchten ersten Grades tritt zuerst am Ende der Kreideperiode, mit Buchten zweiten Grades im Eocän, in noch jüngerm Tertiär auch
schon mit Buchten dritten Grades auf; in der Gegenwart charakterisieren die drei Lappen mit Buchten zweiten Grades die amerikanischen
Arten.
Die fünflappige Form erscheint zuerst im Miocän mit Buchten zweiten Grades und erreicht ihre höchste
Entwickelung gegenwärtig bei den orientalischen Arten. Der Blattgrund ist an den frühzeitigen Trieben keilförmig oder abgerundet,
bei den ältern abgeschnitten, ausgeschnitten oder herzförmig; die Keilform charakterisiert dementsprechend die Arten der
Kreide und des Eocän; im Miocän treten schon die sämtlichen, höher entwickelten Formen des Blattgrundes
auf, um in der Gegenwart bei den orientalischen Arten die höchste Stufe zu erreichen.
Bezüglich der Bezahnung sind primäre, d. h. von den primären Seitennerven gebildete, und
sekundäre Zähne zu unterscheiden; letztere bilden sich bei unsrer Platane nur selten aus, treten wenig hervor und verschwinden
bald wieder; ihre Zähne sind also ungleichwertig, wie dies bei den lebenden amerikanischen u.
einigen ausgestorbenen Arten der herrschende Fall ist. Der Besitz primärer und sekundärer, aber gleichwertiger Zähne zeichnet
einige ältere fossile Arten (Platane Newberryana, Raynoldsi, marginata und Guillelmae) aus und stellt also einen ausgestorbenen
Charakter des Platanenblattes dar.
Auf Grund einer genauen Analyse aller dieser Merkmale bei den lebenden und fossilen Formen entwarf Janko
nun folgendes Bild von der phylogenetischen Entwickelung der Platane. Sie treten in der KreideAmerikas und Grönlands zuerst mit drei
Arten: Platane primaeva, Heeri und Newberryana, auf, von denen die beiden ersten, mit primären Blattzähnen versehenen zu einander
in näherer Beziehung stehen als zur dritten, welche eine gemischte, gleichwertige Bezahnung der Blätter
besaß;
Platane Heeri überlebte die Kreideperiode übrigens nicht. Im Eocän entwickelte sich aus Platane primaeva als älteste Form
Platane rhomboidea mit dreinervigen und dreilappigen Blättern, aber Buchten ersten Grades, dann folgte Platane Haydeni mit Buchten ersten
und zweiten
Grades;
Platane Newberryana setzte sich in Platane Raynoldsi fort, die ebenfalls gleichartige, primäre
und sekundäre Blattzähne hatte.
Aus Platane Haydeni, welche in der Bezahnung variierte, gingen weiter die eng miteinander verwandten
Platane aceroides und Guillelmae hervor, deren weite, einen großen Teil Amerikas und Eurasiens umfassende Verbreitung oben erwähnt
wurde; bei erstgenannter Art fixierte sich die ausschließlich primäre, bei letzterer die gemischte
Bezahnung. Im Miocän entstand aus Platane Guillelmae als Nebenform mit ungeteilten Blättern Platane marginata, während
die weitverbreitete Platane aceroides nach der Trennung des Territorialzusammenhanges zwischen Amerika
[* 16] und Eurasien sich in zwei
Äste, einen amerikanischen und einen europäisch-orientalen, spaltete; ersterer entwickelte in Kalifornien
die Varietäten dissecta und appendiculata, letzterer die nur aus einem einzigen fossilen Blattrest bekannte Platane academiae
in Toscana.
Die besonders in den Polargegenden verbreiteten Platane Guillelmae und marginata starben dann infolge klimatischer
Änderungen aus; ebenso erging es den tertiären Platanenwäldern Deutschlands,
[* 17] Frankreichs, Italiens,
[* 18] der Schweiz und der
Balkanhalbinsel;
[* 19] nur in einigen Teilen Kleinasiens und auf mehreren Inseln des Mittelmeers
[* 20] blieb die europäische Stammform der
Platane erhalten. Der nordamerikanische Platanenstamm war jedoch zäher als der europäische; Platane aceroides
fand ihre direkte Fortsetzung in Platane occidentalis, welche in den mexikanischen Gebirgen die dort endemische Platane mexicana erzeugte,
während die Varietät dissecta sich in Kalifornien zu racemosa und die Form appendiculata in Mexiko
[* 21] sich
zu Lindeniana entwickelte. In Eurasien entstanden aus Platane aceroides zwei Stämme, von denen der eine in Südeuropa die dreilappige
Varietät cuneata und die fünflappige insularis und der andre im Kaukasus und in Lycien die großblätterige, schwachgezahnte
Form caucasica bildete.
In der Kultur entwickelten sich noch die der letztgenannten Varietät entsprechende acerifolia, ferner die den Typus von Platane occidentalis
nachahmende pyramidata und die das Platanenblatt auf höchster Stufe der Formentwickelung zeigende flabelliformis, während
in Spanien
[* 22] aus Platane occidentalis die merkwürdige, die amerikanische Formenreihe zum Abschluß bringende var.
hispanica mit ebenfalls fünflappigen Blättern, aber kleinen, stumpfen Lappen entstand. Der genetische Zusammenhang zwischen
sämtlichen ausgestorbenen und lebenden Platanenarten erhellt aus obigem Stammbaum.
Die oben aufgeworfene Frage nach dem Verhältnis der amerikanischen und europäisch-asiatischen Platane erscheint somit gelöst;
sie laufen in eine durch einen großen Teil der Tertiärzeit zu verfolgende und während derselben außerordentlich verbreitete
Stammform (Platane aceroides) zusammen, welche ihrerseits wieder zu einer eocänen (Platane Haydeni) und diese
zu einer kretaceischen Art (Platane primaeva) in deutlichem Abstammungsverhältnis steht. Die
Platanen liefern auf diese Weise ein neues und höchst einfaches Beispiel für eine Stammentwickelung, die sich in der Mehrzahl
ihrer Glieder
[* 24] durch mehrere geologische Formationen bis zur Gegenwart verfolgen läßt und die lebenden Arten in unleugbare
genetische Beziehungen zu den ausgestorbenen setzt. Zugleich bietet das Auftreten allmählich in der
Form weiter fortschreitender Blätter an den Frühlings-, Sommer- und Herbsttrieben unsrer europäischen eine abkürzende Wiederholung
der gesamten Stammgeschichte der Art dar,