Pilze
[* 2] (Mycetes, Fungi), in der
Botanik eine der beiden großen
Abteilungen der
Thallophyten. Sie unterscheiden sich von
den
Algen
[* 3] dadurch, daß sie niemals
Chlorophyll führen. Die Pilze
sind demnach nicht im stande, die
Kohlensäure der Luft zu assimilieren,
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sondern müssen einen Teil ihrer Nährstoffe aus bereits gebildeten organischen Verbindungen entnehmen; sie können deshalb nur entweder als Parasiten oder Saprophyten leben.
Die sehr zahlreichen Arten der Pilze
zeigen sowohl in ihren äußern Formen wie in ihrer Lebensweise bedeutende Unterschiede,
so daß die ganze Abteilung naturgemäß in fünf Gruppen zerfällt: die Schizomyceten (Spaltpilze) oder
Bakterien (s. d.), die Myxomyceten
[* 5] (s. d.) oder Schleimpilze
, die Phycomyceten (s. d.) oder Algenpilze
, die Ascomyceten (s. d.)
oder Schlauchpilze
und die Basidiomyceten (s. d.) oder Basidienpilze.
Bezüglich der Anzahl der überhaupt bekannten Pilze
läßt sich kaum eine bestimmte Angabe machen, da sehr viele
Arten hinsichtlich ihres Entwicklungsganges und der dabei vorkommenden Erscheinungen des Generationswechsels
noch zu ungenau bekannt sind. Immerhin wird man annehmen dürfen, daß gegen 10000 Formen existieren. Ihre Verbreitung ist
eine außerordentlich weite, da überall, wo noch Pflanzen und Tiere leben können, auch Pilze
die nötigen Bedingungen für ihre
Entwicklung finden.
Einige Formen, besonders gewisse Schimmelpilze und Hefepilze
, sind Kosmopoliten. Besonders häufig treten
Pilze
an solchen Orten auf, wo durch reichlich gebotene organische Nahrung und viel Feuchtigkeit die günstigsten
Bedingungen für Wachstum und Fortpflanzung gegeben sind. Wie schnell unter solchen Verhältnissen oft die Verbreitung gewisser
Pilzformen stattfinden kann, zeigt z. B. die Einwanderung der die Kartoffelkrankheit hervorrufenden
Phytophthora infestans De By. (s. Phytophthora) und ebenso auch das rapide Umsichgreifen mancher Epidemien,
die durch Bakterien verursacht werden (s. unten). Da die meisten Pilze
vollkommen ohne Beleuchtung
[* 6] vegetieren können, so trägt
auch dieser Umstand dazu bei, die räumliche Ausbreitung derselben zu erleichtern.
Jedenfalls haben auch schon in den frühern Perioden der Erde die Pilze
eine ausgedehnte Verbreitung gehabt,
doch sind nur wenige davon im fossilen Zustande erhalten. Man hat in mehrern Hölzern, aus der Steinkohle und auch aus andern
Formationen nicht selten Mycelien von Schmarotzerpilzen
gefunden, auch auf fossilen Blattresten lassen sich häufig noch
parasitische Formen nachweisen, doch können diese einzelnen Reste im ganzen wenig Aufschluß über die
früher vorhandene Pilzvegetation geben.
Im gewöhnlichen Leben bezeichnet man als Pilze oder Schwämme [* 7] nur eine bestimmte Anzahl von Arten aus den Gruppen der Basidiomyceten und Ascomyceten, die durch die Größe und Gestalt ihrer Fruchtkörper besonders auffallen. Viele werden als Nahrungsmittel [* 8] genossen. Ihr Nährwert ist früher wegen ihres reichen Gehalts an Stickstoffverbindungen überschätzt und dem des Fleisches nahezu gleichkommend erachtet worden. Dies ist indes ein Irrtum, da nur ein geringer Teil ihrer Stickstoffsubstanz aus Eiweiß besteht und sie überdies nur unvollkommen im menschlichen Darm [* 9] ausgenutzt werden.
Man darf deshalb die Pilze hinsichtlich ihres Nahrungswertes nur den Gemüsen gleichstellen. Die eßbaren Pilze (hierzu Tafel: Pilze I: Eßbare Pilze; zur Erklärung vgl. die Artikel Champignon, Hallimasch, Parasolschwamm, Stockschwamm, Lactarius, Eierschwamm, Steinpilz, Kapuzinerpilz, Polyporus, Hydnum, Clavaria, Helvella, Morchella und Trüffel) werden in der verschiedenartigsten Zubereitung genossen, meistens werden dieselben als Gemüse gekocht oder mit Butter gebacken. Einige Arten, wie die Trüffel, die Morcheln, der Musseron u. a., werden bloß als Gewürze zu andern Speisen verwendet. Zur Aufbewahrung eignen sich die Pilze am besten im getrockneten Zustande oder in Essig eingemacht.
Allerdings liegt bei Verwendung von Pilze zur Herstellung von Speisen in manchen Füllen die Gefahr einer Verwechselung mit giftigen Formen nahe, doch ist die Anzahl der wirklich giftigen Pilze (hierzu Tafel: Pilze II: Giftige Pilze; zur Erklärung vgl. die Artikel Pantherschwamm, Fliegenpilz, Knollenblätterschwamm, Schwefelkopf, Speitäubling, Lactarius, Satanspilz, Hexenpilz und Phallus) gegenüber der Anzahl der eßbaren oder doch wenigstens unschädlichen eine äußerst geringe.
Die Wirkung der in den Pilze auftretenden Gifte auf den menschlichen Organismus ist eine verschiedene und macht sich oft erst nach 4-5 Stunden bemerkbar; gewöhnlich tritt zuerst ein Gefühl von Ekel, Übelkeit, Leibschmerzen, heftiges Erbrechen und Durchfall ein, später folgen Ohnmachten, Krämpfe, Schwindel, Delirien u. dgl. und schließlich tritt in schweren Vergiftungsfällen der Tod ein. Die wichtigsten Gegenmittel sind zunächst Entfernung der genossenen Pilze durch Brechmittel oder mittels der Magenpumpe sowie durch Abführmittel (Ricinusöl), sodann Anwendung von gerbstoffhaltigen Abkochungen (von Eichen- oder Weidenrinde, Galläpfeln, Tannin, schwarzem oder grünem Thee, Kaffee); nach Entleerung der Pilze wendet man Hautreize (Senfteige, Essigwaschungen) und belebende Mittel (Hoffmanns Tropfen, starken Wein, Kampfer) an. Bei der besonders gefährlichen Vergiftung mit dem Fliegenpilz verordnen die Ärzte Atropin als Gegengift.
Die chem. Zusammensetzung der hierbei in Betracht kommenden Gifte ist noch sehr wenig untersucht. Viele derselben sind in Wasser löslich und man kann deshalb manche giftige Pilze durch längeres Extrahieren mit Wasser, Wein, Essig, Alkohol oder Salzwasser unschädlich und genießbar machen, doch gehen dabei auch viele Nährstoffe in Lösung, so daß der Nährwert der Pilze dadurch bedeutend herabgesetzt wird. So können die Morcheln, im frischen Zustand genossen, giftig wirken, während sie nach wiederholtem Aufsieden, Überspülen mit heißem Wasser und gehörigem Ausdrücken ohne Schaden genossen werden können.
Ebenso kann das Gift der Morcheln durch längeres Trocknen verflüchtigt werden; getrocknete Morcheln sind nach vierbis fünfmonatigem Liegen ganz giftfrei und können ohne weitere Vorsichtsmaßregeln verspeist werden, während sie nach zwei- bis dreimonatiger Trocknung immer noch schädliche Wirkungen entfalten können. Das einzig sichere Mittel, um Verwechselungen zu vermeiden, ist eine genaue Kenntnis der wenigen wirklich giftigen Pilze, und diese Kenntnis läßt sich bei einigem Fleiße sehr bald erreichen, da nur etwa zwei oder drei giftige Formen mit eßbaren Arten Ähnlichkeit [* 10] zeigen.
Viel verderblicher als diese giftigen Pilze sind die krankheiterregenden Bakterien (s. d. und Tafel: Bakterien) für Menschen und Tiere. Sehr schädlich sind auch viele der als Schimmel, [* 11] Rußtau u. dgl. bekannten kleinern Arten. (Hierzu Tafel: Pilze III u. IV, [* 4] Fig. 1; zur Erklärung vgl. die Artikel Beggiatoa, Crenothrix, Mucor, Saprolegnia, Rußtau, Aspergillus, Penicillium und Cordyceps.) ¶
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Noch eine große Anzahl anderer größerer Pilze sind teils gefürchtet, teils lästig. (S. Tafel: Pilze IV, [* 12] Fig. 2-8; zur Erklärung vgl. die Artikel Xylaria, Peziza, Hymenomyceten, Hausschwamm, Clathrus, Geaster und Lycoperdon.)
Um die Pilzkunde oder Mykologie haben sich in neuerer und neuester Zeit namentlich Elias Fries in Schweden, [* 13] Corda, De Bary, Brefeld (Deutsche), [* 14] die Gebrüder Tulasne (Franzosen), Woronin (Russe) verdient gemacht. Von ihren Werken sind zu nennen: Corda, Anleitung zum Studium der Mykologie (Prag [* 15] 1842);
A. de Bary und Woronin, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pilze (5 Bde., Frankf. a. M. 1864 - 82);
A. de Bary, Morphologie und Physiologie der Pilze, Flechten [* 16] und Myxomyceten (Lpz. 1866);
ders., Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze, Mycetozoen und Bakterien (ebd. 1884).
Von systematischen Werken sind zu erwähnen: Rabenhorst, Kryptogamenflora von Deutschland, [* 17] Österreich [* 18] und der Schweiz, [* 19] Bd. 1: Pilze (2. Aufl., hg. von G. Winter, Lpz. 1881 fg.; noch im Erscheinen);
Saccardo, Sylloge fungorum omnium hucusque cognitorum (10 Bde., Padua [* 20] 1882-93).
Gute Abbildungen von eßbaren und giftigen Pilze sind zu finden in Lorinser, Die wichtigsten eßbaren, verdächtigen und giftigen Schwämme (mit 12 Tafeln in Farbendruck, 4. Aufl., Wien [* 21] 1889); Lenz, Nützliche, schädliche und verdächtige Pilze (mit 20 lithogr. Tafeln, 7. Aufl., bearbeitet von O. Wünsche, Gotha [* 22] 1890); Röll, Unsere 24 häufigsten eßbaren Pilze (3. Aufl. mit 14 Tafeln in Farbendruck, Tüb. 1892).