Pilsen
[* 1] (tschech. Plzeň), Stadt im westlichen Böhmen, [* 2] nächst Prag [* 3] die bedeutendste Stadt des Landes, an der Mündung der Radbusa in die Mies (Beraun), Knotenpunkt der Böhmischen Westbahn (Prag-Furth) und der Staatsbahnlinien Wien-Eger und Eisenstein-Pilsen-Dux, besteht aus der eigentlichen, regelmäßig angelegten Stadt und den von derselben ehemals durch Mauern, jetzt durch Anlagen geschiedenen Vorstädten, hat hübsche Straßen und Plätze, darunter den Stephansplatz mit dem Denkmal des Bürgermeister Mart. Kopetzky (gest. 1854), eine schöne altgotische Erzdechanteikirche, mehrere andre Kirchen (auch eine evang. Kirche und eine Synagoge), ein Rathaus mit Waffensaal, ferner ein Krankenhaus, [* 4] 2 Spitäler, ein Waisenhaus, ein Armeninstitut, ein Franziskanerkloster, eine 1878 vollendete Strafanstalt mit 400 Zellen für Einzelhaft, Filialen der Österreichisch-Ungarischen Bank und der Böhmischen Eskomptebank, eine Aktienpfandleihanstalt und Sparkasse, ein deutsches und ein tschechisches Theater [* 5] und zählte 1880 (mit Einschluß von 1100 Mann Militär) 38,883 (1869: 23,681) Einw. (größtenteils Tschechen, etwa 8000 Deutsche, [* 6] der Religion nach meist Katholiken, 2250 Juden), die sich hauptsächlich mit Industrie und Handel beschäftigen.
Die Stadt enthält an Fabrikunternehmungen: mehrere Bauschlossereien und Bautischlereien, 3 Maschinenfabriken, 2 Drahtstiftefabriken,
eine Emailgeschirrfabrik, 2
Kupfer- und Metallwarenfabriken, eine Glockengießerei, eine große
Granit- und Marmorschleiferei,
eine
Porzellan- und eine Glasfabrik, 2
Ofen- und Thonwarenfabriken, 4 Dampfmühlen und 2 Dampfbrotbäckereien, 2 Kanditenfabriken,
eine Sodawasserfabrik, 2 große Bierbrauereien (darunter das berühmte Bräuhaus der brauberechtigten
Bürgerschaft), welche
zusammen jährlich mehr als 400,000
hl
Bier erzeugen, das nach allen
Richtungen exportiert wird; ferner 3 Spiritusraffinerien, 2
Preßhefe-
und 9 Likörfabriken, mehrere Kleiderkonfektionsanstalten, 2
Leder-, 2 Papierfabriken, je eine Maschinenriemen-,
Holzrouleaus-, Knopf- und Kunstdüngerfabrik, 4
Buch- und 2 Steindruckereien. Pilsen
ist auch ein wichtiger Handelsplatz, namentlich
für Schafwolle,
Bettfedern,
Leder, Manufakturwaren,
Kurz- und Wirkwaren,
Pferde
[* 7] und Hornvieh, und hat vier stark besuchte
Jahrmärkte.
Die Stadt besitzt an der Berglehne von Lochotin eine
Mineralquelle (von 10° C.), welche den
Charakter
salinischen Eisenvitriolwassers hat. Die Umgegend ist reich an
Holz,
[* 8] an
Kaolin, welches zur
Porzellan- und Schamotteziegelfabrikation
weit verführt wird, an
Steinkohlen,
Eisenerz,
Alaun- u.
Vitriolschiefer. 1886 wurden im
Bezirk des Pilsener
Revierbergamtes 71,318
metr. Ztr.
Eisenerz, 367,227 metr. Ztr.
Alaun- und
Vitriolschiefer, dann (mit Einschluß des damit zusammenhängenden
Beckens des
Mieser Bergamtsbezirks) 14,836,085 metr. Ztr.
Steinkohlen gefördert und in den
Hüttenwerken 165,890 metr. Ztr.
Roheisen, 107,756 metr. Ztr.
Schwefelsäure
[* 9] etc. gewonnen. An Unterrichtsanstalten bestehen ein Obergymnasium der
[* 1]
^[Abb.:
Wappen
[* 10] von Pilsen.]
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Prämonstratenser, ein tschechisches Realgymnasium, eine deutsche Oberrealschule, eine deutsche und eine tschechische Staatsgewerbeschule
u. a. Pilsen
ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, eines Kreisgerichts, einer Finanzbezirksdirektion,
eines Hauptzoll- und Steueramtes, eines Revierbergamtes u. einer Handels- und Gewerbekammer. 1272 wurde Pilsen
zur Stadt erhoben.
Im Hussitenkrieg wurde es von Ziska und Prokop, im Dreißigjährigen Krieg 1618 von Mansfeld belagert und
erstürmt; 1633-34 war es Wallensteins Hauptquartier (»Pilsener
Revers«).