Pianoforte
oder Fortepiano (ital.), auch Hammerklavier (Hammerflügel),
das allverbreitete
Tasten-
(Klaviatur-)
Saiteninstrument, dessen
Saiten nicht durch Metallstifte (wie beim
Klavichord) getroffen
oder durch elastische
Zungen (wie beim
Spinett und beim Kielflügel) angerissen, sondern durch einen Hammermechanismus geschlagen
werden. Den
Namen Pianoforte
oder Fortepiano führt diese Gattung von
Instrumenten, weil das
Hammerwerk beliebig starkes und schwaches
Anschlagen der
Saiten gestattet, was bei dem ältern durch das Pianoforte
völlig verdrängten, bekielten
Klavier
(Clavecin,
Spinett,
Cembalo, Clavicymbel) ohne weitläufige und das
Spiel unterbrechende
Mittel, wie Anwendung zweier
Klaviaturen
oder Gebrauch von besondern Zügen, nicht möglich war.
Alle jetzt gebräuchlichen
Klaviatur-Saiteninstrumente, der Flügel, das Quer- oder
Tafelpiano und das
Pianino,
sind
Arten des Pianoforte;
die wesentlichen mechan.
Teile wiederholen sich bei allen dreien. Diese, teils Erregungen der Saitenschwingungen
und des
Klanges, teils Verstärkung
[* 2] und
Regulierung des letztern sowie
Aufnahme des ganzen Mechanismus bezweckende
Teile sind:
Saiten (von
Stahl, die tiefsten mit Kupferdraht besponnen);
Stimmstock mit Zubehör;
Anhängeplatte mit Rahmen;
Resonanzboden mit dem Stege;
Mechanik (Hammerwerk, Dämpfung, Tastatur);
Kasten. Der wesentliche Unterschied des Hammerklaviers von den beiden frühern von ihm verdrängten Klavierarten beruht der Hauptsache nach in der Mechanik.
Das hintere Ende eines Tastenhebels
schnellt einen Hammer
[* 3] in die Höhe, welcher entweder an dem Hebel
[* 4] selbst befestigt ist, wie bei der sog.
Wiener oder deutschen Mechanik, oder aber, an einer besondern
Leiste befestigt, durch eine auf dem Hebel aufsitzende Stoßzunge
emporgeschleudert wird, wie bei der sogenannten engl. Mechanik. Diese beiden Hauptgattungen sind
aber in neuerer Zeit bei dem außerordentlichen Aufschwung, welchen die Pianoforte
fabrikation genommen hat, in einem
Grad
verallgemeinert und ausgeglichen, daß heute nur noch von Konkurrenzeigentümlichkeiten der verschiedenen
Fabriken die Rede sein kann.
Die große Änderung der neuesten Zeit betrifft die Form des
Instruments. Anfangs wurde das oblonge oder
Tafelpiano gebaut;
dann kam der Flügel hinzu und nahm die
Stelle des bisher im
Konzert wie in der
Oper herrschenden
Cembalo
ein; die neuere Zeit erzeugte dann neben immer weiterer Ausbildung des Flügels das
Pianino (s. d.). Der Tonumfang des Pianoforte
beträgt
sieben bis acht Oktaven. An jedem Pianoforte
befindet sich eine Vorrichtung, um mit Fußtritten die Dämpfung zu regulieren,
d. h. ein Zug,
den man mit dem Knie oder dem Fuße (s.
Pedal) bewegt, um die an die
Saiten gedrückte Dämpfung von den
Saiten abzuheben.
Ursprünglich bestand diese Dämpfung nur in einer tuchbeschlagenen Leiste; später erst erfand man die automatische Dämpfung, bei der jeder Tastenhebel mit einem befilzten Holzstück verbunden ist, das sich beim Anschlagen der Taste von der zugehörigen Saite von selbst hebt, um sich, sobald der Finger die Taste losläßt, wieder an dieselbe anzudrücken und so den Nachklang der Saiten zu verhindern. Bei Aufhebung der Dämpferleiste durch den Kniehebel [* 5] oder das Pedal wird also diese Abdämpfung außer Wirkung gesetzt, so daß die angeschlagenen Saiten voll austönen können; dadurch wird der Klang rauschend. Das Tafelklavier ¶
mehr
hat nur einen solchen Tritt oder Zug; Flügel und Pianino besitzen meist noch einen zweiten Zug für die Verschiebung, durch welche die Klaviatur [* 7] etwas zur Seite gerückt wird, so daß die Hämmer nur an zwei, statt an drei Saiten anschlagen. Für jeden Ton sind meist drei, beim Tafelpiano nur zwei gleichgestimmte Saiten aufgezogen.
Der Flügel wird in mehrern Größen gebaut, als Konzertflügel mit beinahe 2 m Saitenlänge, und als Stutzflügel von etwas
verkürzter Gestalt. Der Konzertflügel ist die vollkommenste Art aller Klavier-Saiteninstrumente hinsichts der Stärke
[* 8] und
Fülle des Klangs sowie des Gesangreichtums, soweit von letzterm beim Pianoforte
überhaupt die Rede
sein kann; beim Stutzflügel wird die Mensur der Kontra- und Kleinoktavsaiten sehr verkürzt, deshalb lassen vollkommene Bässe
sich schwer herausbringen.
Als Grundlage des Pianoforte
und aller Klavier-Saiteninstrumente ist das Monochord (s. d.) anzusehen. Aus ihm entstand
das Polychord, bei dem statt einer mehrere Saiten über einen Monochordkasten gespannt waren; durch Ansatz
einer Klaviatur stellte sich daraus das Klavichord (s. d.) her. Die Anbringung der Klaviatur fällt spätestens in das 15. Jahrh.,
denn im Anfang des 16. Jahrh, war das Klavichord bereits vollkommen ausgebildet. Neben dieses trat das Spinett (s. d.) mit
seinen verschiedenen Formen, deren klangfähigstes und größtes, der spätere Kielflügel (s. Clavicembalo),
bei allen öffentlichen Aufführungen zur Begleitung diente und so wesentlich war, daß der «Cembalist» eine unentbehrliche
Person in jedem Orchester bildete.
Die Erfindung des Pantaleon (s. d.) mag die erste Anregung gegeben haben, Hämmer statt der bisherigen Tangenten mit einer Klaviatur zu verbinden. Bartolommeo Cristofori (s. d.) war der erste, durch den 1711 das Modell zu einem Hammerklavier (Cembalo a martelletti) hergestellt wurde, das die Grundlage der meisten noch gegenwärtig gebräuchlichen Klaviermechanismen geblieben ist. Dieser Hammermechanismus hatte bereits doppelte Hebel, Auslösung und für jeden Ton einen freien Dämpfer [* 9] (automatische Dämpfung). Fast gleichzeitig traten der Franzose Marius und der deutsche Organist Schröter mit selbständigen Modellen von Hammerklavieren hervor.
Die Geschichte der Erfindung des Pianoforte
ist also noch nicht völlig klargestellt. Doch steht fest, daß die Ausbildung
des Gedankens sowie die Verbreitung der Erfindung fast ausschließlich den Deutschen zu danken ist. Das Modell Cristoforis ward
durch die Silbermanns (s. d.) in Straßburg,
[* 10] Freiberg
[* 11] i. S. und Dresden
[* 12] vervollkommnet und zur allgemeinen
Geltung gebracht. In England verbreitete diese, später «englische» genannte
Konstruktion (etwa 1770–80) besonders der Deutsche
[* 13] A. Backer.
Daneben aber steht die sog. deutsche oder Wiener Mechanik, der ein ganz anderes Princip zu Grunde liegt und die mit jener italienischen
nur das gemeinsam hat, daß sie auch den Hammer zur Anwendung bringt. Dieser verlieh Joh.
Andreas Stein einen Grad von Vollkommenheit, der wenig mehr zu wünschen übrigließ. Eine Hauptursache der schnellen und außerordentlichen
Verbreitung des Pianoforte
seit 1800 liegt aber in der veränderten Richtung der Musik, zu welcher das alte Cembalo nicht mehr paßte.
Das Pianoforte
ist jetzt das eigentliche Weltinstrument, dessen massenhafte Herstellung in allen
Ländern viele
Tausende beschäftigt und die ^[] großartigsten Werkstätten hervorgerufen hat. Deshalb fehlt es auch
nicht an fortwährenden Versuchen, es zu verbessern (s. Klaviatur, Repetitionsmechanik und Prolongement). Den bedeutendsten
Ruf im Pianofortebau
haben folgende Firmen: Julius Blüthner in Leipzig,
[* 14] Schiedmayer in Stuttgart,
[* 15] Ibach
u. Sohn in Barmen,
[* 16] Bechstein und Duysen in Berlin,
[* 17] Kaps in Dresden, Steinway u. Söhne in Neuyork,
[* 18] Broadwood u. Söhne in London,
[* 19] Pleyel
und Erard in Paris,
[* 20] Seuffert und sein Nachfolger Ehrbar und Bösendorfer in Wien
[* 21] u. a. m. Namentlich die deutsche Pianoforte
fabrikation
ist gegenwärtig in blühendem Zustande, hat fast in jeder größern Stadt bedeutende Vertreter aufzuweisen
und steht auch im Export obenan, wie denn auch gerade die bedeutendsten Firmen des Auslandes von Deutschen gegründet worden
sind: Broadwood von Tschudi & Kirckmann;
Steinway von Steinweg aus Braunschweig; [* 22]
ebenso waren Herz, Pleyel, Erard (Erhard aus
Straßburg) u. a. in Paris und London deutsche Auswanderer. 1893 betrug die Ausfuhr von Pianoforte
(mit Einschluß
der Flügel, Klaviere u. s. w.) aus Deutschland
[* 23] 73038 Doppelcentner im Werte von 17257000 M., davon gingen unter anderm 32118 Doppelcentner
nach England, 6817 nach Australien,
[* 24] 2091 nach Kapland, 4621 nach Holland, 2052 nach Italien,
[* 25] 1715 nach Österreich-Ungarn,
[* 26] 1749 nach
der Schweiz,
[* 27] 1338 nach Argentinien, 1431 nach Brasilien,
[* 28] 1141 nach Chile,
[* 29] 1331 nach Mexiko,
[* 30] 750 nach Ostindien
[* 31] und in kleinern Posten wohl nach jedem andern Lande der Erde. In demselben Jahre betrug die Ausfuhr aus Frankreich 6120 Stück
im Werte von 3124200 Frs. In neuester Zeit werden auch, z. B. von Pianoforte.
Ehrlich
in Leipzig, mechanische Pianoforte
(Drehpianos) gebaut.
Sie werden mittels Stiftwalzen oder Notenblätter mechanisch gespielt. (S. Musikinstrumente, mechanische.) Die reichste Sammlung zur Geschichte des Klaviers bietet das königl. Instrumentenmuseum in Berlin. (S. Musikinstrumente.) –
Vgl. O. Paul, Geschichte des Klaviers (Lpz. 1867);
Welcker von Gontershausen, Der Klavierbau (4. Aufl., Frankf. 1870);
ders., Über den Bau der Saiteninstrumente (ebd. 1870);
Blüthner und Gretschel, Lehrbuch des Pianoforte
baues (Weim. 1872; 2. Aufl.
1886).