Titel
Phosphorve
rgiftung,
schwere, meist tödliche Erkrankung infolge des absichtlichen oder zufälligen Genusses von
Phosphor
oder phosphorhaltigen
Substanzen. Seit der allgemeinen Einführung der Phosphorzündhölzer in den
Haushalt auch
der ärmsten Leute sind Phosphorve
rgiftungen ziemlich häufig geworden. Absichtliche wie zufällige
Vergiftungen wurden bisher
hauptsächlich durch Einführung von phosphorhaltigem
Rattengift
(Phosphorlatwerge) oder von
Kuppen der Phosphorzündhölzer
in den
Organismus bewerkstelligt. Die
Symptome der Phosphorve
rgiftung sind je nach der
Menge des eingeführten
Gifts sehr verschieden.
1) Gelangen große Mengen davon in den Körper, so entsteht eine heftige Entzündung des Magens, welche unter heftigem Durstgefühl, brennenden Schmerzen im Hals und im Bauch [* 2] einhergeht. Es werden phosphor- oder knoblauchartig riechende Massen erbrochen, welche im Dunkeln, besonders beim Zerreiben oder Erwärmen, leuchten. Dazu kommen reichliche Durchfälle mit mehr oder weniger ausgebreiteten Schmerzen im Leibe. Bald tritt rascher allgemeiner Verfall der Kräfte ein, die Haut [* 3] ist sehr blaß, bekommt meist kurz vor dem Tod eine gelbe Färbung, und der Tod erfolgt unter zunehmendem Verfall der Kräfte, wahrscheinlich an Herzlähmung.
2) Bei Einführung geringerer Mengen von Phosphor in den Körper treten alle Symptome in schwächerm Grad auf, und es kann Heilung eintreten. Es ist nicht genau bekannt, wie groß die Menge des Phosphors ist, welche den Tod absolut bedingt.
3) Gelangen kleine
Mengen von
Phosphor während eines längern Zeitraums andauernd in den
Körper, so entsteht eine chronische
Phosphorve
rgiftung, welche durch eigentümliche Knochenerkrankungen, namentlich durch Beinhautentzündung und
Absterben des
Unterkiefers, sogen.
Phosphornekrose, ausgezeichnet ist. Die
Fütterung von
Phosphor an junge, wachsende
Tiere übt
einen eigentümlichen Entzündungsreiz auf die Knochenvermehrung aus, der sich in Anlagerung elfenbeinharter Gewebsmasse
in der Markhöhle kennzeichnet. Diese chronische Phosphorve
rgiftung wurde früher häufig in Zündholzfabriken beobachtet,
gegenwärtig ist sie fast gänzlich durch die allgemeine Verbreitung der aus amorphem
Phosphor hergestellten
sogen. schwedischen Zündhölzer und durch die erheblich verschärften Vorsichtsmaßregeln verschwunden.
- Der gerichtliche Nachweis einer an der
Leiche gründet sich bei akuter Phosphorve
rgiftung auf das Vorhandensein größerer
Mengen von
Phosphorsäure
im
Magen
[* 4] und
Darmkanal bei gleichzeitiger starker Trübung der Magenschleimhaut, die oft mit schwacher
Anätzung und
Blutungen verbunden ist.
Ist der
Tod bei verzögertem Verlauf nach 8-14
Tagen erfolgt, so ist ein chemischer Nachweis der giftigen
Substanz zwar nicht
mehr möglich, da dieselbe längst umgesetzt und abgeschieden ist, es treten dann aber so ausgesprochene anatomische Organveränderungen
auf, daß die
Diagnose nun noch weniger zweifelhaft ist als bei rasch tödlicher Phosphorve
rgiftung. Der
Magen ist stark getrübt, seine Drüsenschicht schmutzig lehmgelb, im Zustand einer Gastroadenitis parenchymatosa, oft
geradezu in
Verfettung. Ebenso trübe, gelbrötlich sind das
Herz und die Körpermuskeln; in ältern
Fällen, die zehn
Tage und
später nach der Phosphorvergiftung
tödlich endeten, findet man oft alle
Muskeln,
[* 5] die Leberzellen und die
Nieren in voller
Fettmetamorphose, die
Haut ist
gelb, in vielen
Organen sind kleine versetzte
Gefäße geborsten und Blutaustritte erfolgt, so
daß die Phosphorvergiftung
in spätern
¶
mehr
Stadien höchst charakteristische Ernährungsstörungen hinterläßt. Die Behandlung der Phosphorvergiftung
hat im
akuten Fall für schnelle und vollständige Entfernung des Gifts durch Brechmittel oder Auspumpen und Ausspülen des Magens zu
sorgen. Später sind schleimige Speisen, Milch zu verordnen; gegen die Vergiftungserscheinungen selbst ist die Therapie ohnmächtig.
Vgl. Kleinmann, Die Phosphornekrose (Leipz. 1883).