Phosphor
(Phosphorus
). Ein hoch interessanter, elementarer Stoff, der als ein unentbehrliches
Material nach Tausenden von Zentnern hergestellt und in Form von
Zündhölzern in jedermanns Händen und als recht eigentlicher
Lichtträger, freilich zugleich auch eins der gefährlichsten Gifte ist. Der P. wurde zuerst von Brand in Hamburg entdeckt
und von ihm aus Urin dargestellt. Die Brand'sche, geheim gehaltene, Entdeckung wurde zunächst durch
den Chemiker Kunkel wiederholt, später auch durch Boyle in England, nachdem sie erfahren, daß der Rohstoff dieses P. fauler
Urin sei. Durch die Destillation dieser Flüssigkeit mit ihrem geringen Gehalt mußte man sich den Stoff noch lange verschaffen,
weshalb er auch sehr teuer war, denn noch 1730 kostete das Lot in England über fünf und in Amsterdam
acht Dukaten. Heutzutage kostet das ganze Kilo etwa 5 Mk. Die Preise jener Zeit wurden von Kuriositätenliebhabern
gezahlt, denn der Stoff diente zu nichts als zu Vorzeigungen.
Die Chemiker wiesen im Laufe der Zeit das Vorhandensein von P. in vielen Pflanzen, im Gehirn, im Mineralreich
nach; aber erst als sich, gerade hundert Jahre nach der Entdeckung des P., gefunden hatte, daß die
Knochen zum größten
Teil aus phosphor
saurem
Kalk bestehen, hatte man die richtige Quelle entdeckt, aus welcher der Stoff massenhaft zu schöpfen
war und jetzt geschöpft wird. Man ist aber noch heute nicht zu einer Darstellungsweise gelangt, durch
welche der ganze Phosphor
gehalt der
Knochen ausgenutzt würde; denn wenn dies auch möglich ist, so sind die Mittel und Wege
dazu doch für die Fabrikation wieder zu kostspielig, und so hält man sich an die einfachste Methode,
bei welcher von den circa 11½ kg P., die in 50 kg
Knochen, genauer in den darin befindlichen 40 kg phosphor
saurem
Kalk, stecken,
nur etwa 4 kg ausgebracht werden und das übrige aus später anzugebendem Grunde im Rückstande bleibt. -
Die Gewinnung des Stoffes aus
Knochen (s. d.)
kann auf verschiednem Wege geschehen,
indem man entweder dieselben, nachdem sie von ihrem Fett befreit sind, mit
Salzsäure auszieht, welche alle erdigen Teile
und also auch den phosphor
sauren
Kalk auflöst, wonach die zu Knochenleim dienende Knorpelsubstanz übrig bleibt, oder indem
man unter Verzicht auf den
Leim die
Knochen brennt, dadurch alle ihre organische Substanz zerstört und
dann die kalcinierten
Knochen mit
Schwefelsäure aufschließt.
Dieses ältere Verfahren ist noch sehr häufig in Gebrauch. Die in einem Schachtofen weißgebrannten Knochen werden auf Kollermühlen zu gröblichem Pulver zerkleinert, in Bottichen mit Wasser gemengt und mit angemessener Menge Schwefelsäure eingerührt (von 60 prozentiger Säure das gleiche Gewicht wie die Knochen). Durch eingeleiteten Dampf wird die Mischung in Hitze erhalten, bis unter fleißigem Umrühren nach etwa 48 Stunden die Knochenmasse völlig zersetzt ist.
Die Masse besteht nun aus einem Bodensatz von
Gips und aus einer (gipshaltigen) Lösung von saurem phosphor
saurem
Kalk. Man
trennt die Flüssigkeit klar vom Niederschlage und dampft sie bis auf einen bestimmten Grad ein, wobei
noch viel
Gips ausgeschieden wird, den man absetzen lassen und von der Lösung trennen muß. Es wird dann die Lauge bei einer
Dichte von 50° B. mit dem vierten Teil ihres Gewichts grob gepulverter
Holzkohle gemischt und dann weiter
unter stetem Rühren eingedampft, bis die Masse nur noch wenig feucht ist.
Die Masse wird nun in thönerne Retorten gefüllt, flaschenförmige Gefäße mit langem, gekrümmtem Halse, die in einen
sog. Galeerenofen reihenweise so eingesetzt werden, daß die Hälse zu beiden Seiten herausragen.
Jeder Hals mündet in eine thönerne oder kupferne, mit Wasser halb gefüllte, Vorlage, welche noch mit
einer zweiten ebensolchen verbunden ist. Die letztere hat ein offenes kurzes
Rohr, durch welches die bei der Destillation
entstehenden brennbaren Gase, Kohlenoxydgas und Phosphor
wasserstoffgas, entweichen.
Die Retortenhälse dürfen nicht in das Wasser der Vorlagen selbst eintauchen. Die Erhitzung der Retorten beginnt allmählich; es entwickelt sich zuerst Luft und Wasserdampf, dann Kohlenoxyd und Kohlenwasserstoff, bis eine an der Mündung der zweiten Vorlage erscheinende zweite Flamme anzeigt, daß der P. zu destillieren anfängt. Die Erhitzung wird bis zur Rotglut der Retorten gesteigert und so lange darin erhalten, bis nach ein paar Tagen alle Gasentwickelung aufgehört hat, also auch kein P. mehr übergeht. Hierbei entzieht die zugesetzte Holzkohle der Phosphorsäure den Sauerstoff, sodaß P. frei wird.
Von dem sauren phosphor
sauren
Kalk werden nur zwei Drittel durch die Kohle zersetzt und daraus wird der P. abgetrieben; der
Rest ist eben der nicht einbringliche Teil. Die unzersetzte
Phosphorsäure bildet mit dem
Kalk wieder denselben
basischen phosphor
sauren
Kalk, wie er in den
Knochen enthalten ist.
Phosphorsäure für sich allein kann durch Kohle gar nicht
zersetzt, d. h. ihres Sauerstoffs beraubt werden, weil sie früher flüchtig
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wird, als die Zersetzung beginnen kann. Der P. hat sich während der Destillation in den beiden Vorlagen, am meisten in der ersten, verdichtet und als Klumpen niedergeschlagen, ist aber noch unrein. Früher, bei kleinem Betriebe, reinigte man ihn, indem man ihn, unter Wasser, geschmolzen, durch Sämischleder preßte. Jetzt nimmt man entweder eine zweite Destillation mit dem P. aus einer eisernen Retorte vor, indem man ihn vorher mit Sand mischt, oder wendet irgend ein verbessertes Filtrierverfahren an, oder gibt ihm eine chemische Wäsche mit Chromsäure, indem man ihn unter warmem Wasser mit einem Gemisch von gelöstem rotem chromsaurem Kali und Schwefelsäure behandelt.
Die letzte Operation ist das Formen des P. zu Stangen. Dies geschah früher, indem man die flüssige Masse, die man sich bei allen Manipulationen natürlich immer unter warmem Wasser zu denken hat, mit dem Munde in gläserne Röhren aufsaugte, was für geübte Arbeiter keine Gefahr hat. Die Röhren, deren man eine größere Anzahl zur Disposition hatte, sind oben mit einem eisernen Mundstück und einem gut schließenden Sperrhahn versehen. Sobald beim Ansaugen das dem P. vorhergehende Wasser bis zum Mundstück gestiegen ist, drehte man den Hahn ab und stellte die Röhre in kaltes Wasser.
Den erstarrten P. stieß man hernach in Stangenform heraus. In manchen Fabriken bewirkt man das Ansaugen ohne alle Gefahr durch einen auf die Röhren gesetzten Ballon von Kautschuk, der so starkwandig ist, daß er nach dem Zusammendrücken von selbst in seine runde Form zurückspringt. Drückt man ihn vor dem Einsetzen zusammen und läßt ihn darauf frei, so saugt er gerade die passende Menge P. auf. Jetzt hat man Vorrichtungen, bei welchen der geschmolzene P. von selbst in die Glasröhren einfließt.
Der P. wird beim Aufbewahren und Transport immer unter Wasser gehalten und in blechernen, steinernen oder gläsernen Gefäßen,
die mit Wasser aufgefüllt sind, aufbewahrt. In Blechgefäßen erhält der P. leicht eine schwarze Haut
infolge der Bildung von Phosphor
metall, die sich übrigens mit einer Säure abwaschen läßt, auch sind sie leicht dem Zerfressen
durch Rost ausgesetzt; dennoch ist dies im Großhandel die gebräuchlichste Verpackungsart, dieselben dürfen jedoch nach
dem Eisenbahnreglement nicht mehr als 6 kg P. fassen, müssen gut verlötet und in starken Kisten zwischen
Sägemehl verpackt sein. Die Kisten müssen ferner gehörig mit grauer Leinwand emballiert sein, an zwei ihrer oberen Kanten
starke Handhaben besitzen, dürfen nicht mehr als 75 kg wiegen und müssen äußerlich als „Phosphor
enthaltend“ und
mit der Bezeichnung „oben“ versehen sein. Zur Winterzeit wird das Wasser mit Spiritus gemischt, um
das Gefrieren desselben und das Springen der Gefäße zu verhüten.
Beim Kleinverkauf werden die Stengel aus ihrem Wasserbade genommen und gleich wieder in ein Glas mit Wasser gesteckt. Auch das etwa nötige Zerschneiden hat unter Wasser zu geschehen. Wasser und P. verhalten sich übrigens auch nicht ganz indifferent zu einander; das erstere, weil lufthaltig, wird mit der Zeit sauer infolge der Bildung von phosphoriger Säure und Phosphorsäure. -
Anstatt der Knochen kann man auch phosphorsäurereiche Mineralien, wie Apatit, Phosphorit u. a. zur Phosphorfabrikation verwenden. In England soll auch der stark eingeführte Bakerguano (s. Guano) nicht, wie man vermutet, allein zu Kunstdünger, sondern zu einem großen Anteil zu P. verwendet werden. -
Der frische oder unter Wasser mit Ausschluß des Tageslichtes aufbewahrte P. hat im Ansehen viel Ähnlichkeit mit weißem Wachs, ist weiß oder gelblich, durchscheinend, bei mittler Temperatur ebenso biegsam, in der Kälte dagegen spröde und brüchig. Er ist in sehr mäßiger Wärme schon schmelzbar, nämlich in Wasser von 44° C. An der Luft kann er gar nicht geschmolzen werden, da er bei dem geringsten Anfange des Schmelzens auch schon in Flammen ausbricht. Bei Luftabschluß erhitzt, gerät er aber erst bei 290° ins Sieden und destilliert dann unverändert über.
Die leichte Entzündbarkeit des P. macht ihn zu einem Stoff, der mit der größten Vorsicht zu behandeln ist; außerdem ist er bekanntlich auch noch ein starkes Gift. Die Wärme der Hand oder eine geringe Reibung kann ihn in Brand setzen; im Sommer kann er sich, an die Luft gelegt, auch im Schatten entzünden. Brandwunden durch P. sind aber höchst gefährlich, da zu der Hitzewirkung auch noch die ätzende der entstehenden Phosphorsäure und die blutvergiftende des P. selbst hinzutreten.
Der mit lebhafter Flamme brennende P. stößt dicke weiße Nebel aus, welche wasserfreie Phosphorsäure sind. Wird die Verbrennung in einem Glase mit reinem Sauerstoff vorgenommen, so ist das entwickelte Licht so grell, daß es kaum anzusehen ist, und die Hitze so stark, daß immer das Zerspringen des Glases nahe liegt. Seine Verwandtschaft zum Sauerstoff ist so groß, daß er denselben auch schon bei kühler Temperatur aus der Luft anzieht und dabei im Dunkeln leuchtet. Läßt man z. B. ein Stück P. auf einem Teller in einem kühlen Keller liegen, so findet man nach längerer Zeit nur noch eine aus wässriger Phosphorsäure und etwas phosphoriger Säure bestehende Flüssigkeit. -
Die jetzt so allgemein gebräuchlichen und täglich in Unsummen konsumierten Zündhölzer (s. diesen Art.) nehmen natürlich den größten Teil alles fabrizierten P. in Anspruch. Eine andre Verwendung, früher die hauptsächlichste und auch nicht wenig P. verbrauchende, ist die zum Vergiften von Ratten und Mäusen, wozu bekanntlich ein Gemenge von P. mit Mehlteig oder daraus geformte Pillen (Phosphorpillen) dienen, welche jetzt im großen mit Maschinen hergestellt und namentlich zum Vergiften der Feldmäuse in den Handel gebracht werden. Das Mittel thut gute Dienste, da die Tiere, angelockt von dem eigentümlichen Gerüche des P., die Lockspeise begierig fressen. Freilich thun dies auch nützliche Tiere, namentlich Hühner. Der P. überzieht sich, wenn er in einer hellen Flasche dem Lichte ausgesetzt wird, mit einer roten oder braunen Rinde, die man früher für Oxyd hielt. Professor Schröter in Wien ¶
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untersuchte 1850 die Sache genauer und entdeckte, daß dieser rote Stoff nichts andres sei als der P. selbst, nur in andrer Form einer besondern Gruppierung seiner Teilchen und mit daraus hervorgehenden ganz neuen Eigenschaften, daß also hier ein Fall vorliege wie beispielsweise beim Kohlenstoff, den wir in den drei sehr verschiednen Zuständen von Kohle, Graphit und Diamant kennen. Es fand sich ferner, daß die Umwandlung, wie sie sich durch Licht langsam vollzieht, durch Hitze bei Abschluß der Luft rasch und mit größern Mengen bewirkt werde. Es ist dazu nur erforderlich, den gemeinen P. in einer geschloßnen, mit einem Sicherheitsrohr versehenen Retorte, nachdem daraus die atmosphärische Luft durch ein andres Gas, z. B. Kohlensäure, vertrieben worden, längere Zeit einer höhern Temperatur bis zu 250° C. auszusetzen. Die Umwandlung geschieht indes nicht so vollständig, daß nicht Reste von gewöhnlichem P. in der Masse verblieben, die deshalb noch entzündlich ist.
Wenn aber diese Reste durch Schwefelkohlenstoff aufgelöst und ausgezogen worden oder in andrer Weise entfernt worden sind, hat man den roten oder sog. amorphen P., der im Handel entweder in braunroten, harten, zerreiblichen, glanzlosen Stücken oder als scharlachrotes Pulver erscheint. Aber nicht allein die äußere Beschaffenheit, sondern auch die sonstigen Eigenschaffen ^[richtig: Eigenschaften] finden sich durch die Hitze so verändert, daß man einen ganz andern Stoff vor sich zu haben glaubt.
Dichte und Schwere des roten P. betragen fast das Doppelte des gemeinen; er ist unlöslich in den Mitteln, die den gewöhnlichen P. lösen: er hält sich an freier Luft völlig unverändert und trocken, leuchtet auch nicht im Finstern;
durch Reibung oder Stoß ist er nicht zu entzünden, bildet also eine Ware, die für den Transport ganz ungefährlich ist.
Gegen Hitze ist er so wenig empfänglich, daß er erst bei 260°, wo seine Verdampfung beginnt, unter lebhaftem Funkensprühen verbrennt. Bei allen niedrigern Temperaturen findet keine Verdampfung, also auch kein Geruch statt.
Geschieht die Verdampfung in einem Destilliergefäße, so findet sich der Stoff als gemeiner P. in der Vorlage wieder. Merkwürdig ist auch, daß der rote P. durchaus nicht mehr giftig ist und ohne Gefahr darauf probiert werden kann. Man hoffte, daß daraus für die Arbeiter in den Zündholzfabriken, die so schweren Krankheiten ausgesetzt sind, ein Segen erwachsen werde, indem man den gefahrlosen Stoff völlig an Stelle des giftigen setzen würde. Es ist indes nicht dahin gekommen und der rote P. dient jetzt nur noch bei Darstellung derjenigen Zündhölzer, die sich nur auf der dazu präparierten Reibfläche entzünden, wie sie jetzt als schwedische von neuem aufgetreten sind und augenscheinlich mehr Glück machen als bei ihrem ersten Erscheinen als Antiphosphorhölzer.
Der Verbrauch des roten P. ist daher im Zunehmen; seine Fabrikation geschieht besonders in England, wohin Prof. Schröter bald nachher seine Erfindung verkauft hatte, und zwar an die großartigste Phosphorfabrik von Albright und Wilson in Oldbury, von welcher auch der gewöhnliche P. größtenteils herstammt. Der rote P. erhält die Eigenschaft, durch Reibung entzündet zu werden, im höchsten Grade wieder, wenn er mit chlorsaurem Kali gemischt ist.
Der rote P. wird aber auch in großer Menge zur Bereitung von Jodphosphor verwendet, welcher wieder zur Fabrikation von Jodmethyl und Jodäthyl für die Teerfarbenindustrie benötigt wird; der gewöhnliche P. eignet sich hierzu wegen zu heftiger Einwirkung nicht gut. Die gesamte Phosphorproduktion liegt jetzt in den Händen einiger weniger englischen und französischen Fabrikanten, die ganz Europa mit ihrem Fabrikate versorgen, da die deutschen und österreichischen Phosphorfabriken sämtlich eingegangen sind. Die jährl. Produktion soll sich jetzt auf 24000 Ztr. belaufen, zu deren Erzeugung 300000 Ztr. Knochen gehören. - Zoll: P. und phosphorsaure Salze, sowie die genannten Phosphorpräparate sind zollfrei. Phosphorzündhölzer gem. Tarif Nr. 5 e.