Pheidĭas
(Phidias), Sohn des
Charmides, der größte
Meister der griechischen
Plastik, geboren um 500
v. Chr. zu
Athen,
[* 2] Schüler des Atheners Hegias und des argivischen Bildhauers
Ageladas. Über die Lebensschicksale des Pheidias
sind
nur sagenhafte
Züge erhalten, wonach er von seinen Feinden wegen Unterschleifs des für das Athenebild im
Parthenon bestimmten
Goldes angeklagt, sich aber gerechtfertigt und dann nach
Elis ausgewandert sei, hier jedoch dasselbe
Schicksal erlitten habe.
Die Zahl der ihm und seiner
Schule zugeschriebenen Werke ist eine sehr große. Eigenhändige
Arbeiten von
ihm besitzen wir nicht; von der durch Pheidias
zur höchsten Vollendung gebrachten
Technik der
Gold-Elfenbeinstatuen ist überhaupt
kein
Beispiel erhalten. Das eine seiner Hauptwerke war die 438 vollendete
Pallas
Athene
[* 3] im
Parthenon zu
Athen. Sie hatte eine
Höhe von 26 griechischen
Ellen (12 m);
Kopf,
Arme und
Füße waren aus
Elfenbein; die Bekleidung und
¶
mehr
Bewaffnung, aus reinem Gold [* 5] hergestellt, hatte einen Wert von 44 Talenten, die Augen waren von Edelsteinen eingesetzt. Die Göttin stand aufrecht und hielt in der vorgestreckten Rechten ein dem Beschauer zugewandtes Bild der Siegesgöttin. An der Innenseite des Schildes, in dessen schützender Höhlung die Burgschlange sich barg, war der Kampf der Giganten gegen die Götter, an der Außenseite die Amazonenschlacht angebracht, an den Sandalen [* 6] der Kampf zwischen Lapithen und Kentauren.
Eine unvollendete Marmorstatuette, gefunden 1859 in Athen, ferner eine fast unversehrt erhaltene, 1878 ebendaselbst entdeckte, etwa meterhohe Marmorkopie und verschiedene mehr oder weniger verstümmelt größere Nachbildungen geben eine schwache Vorstellung von der Statue. Ein andres kolossales Athenebild war dasjenige, welches zwischen den Propyläen und dem Parthenon, beide überragend, stand. Sein zweites Hauptwerk, eins der sieben Wunder der Alten Welt, war der Zeus [* 7] von Olympia; der König der Götter war dargestellt zugleich als huldreicher Allvater, der den Menschen ihre Bitten gewährt; er saß auf reichgeschmücktem Thron, [* 8] sein Haupt reichte fast bis an die Decke [* 9] des Tempels, dessen Höhe auf 17,5 m berechnet wird.
In der einen Hand [* 10] hielt er das Zepter, auf der andern eine Nike. [* 11] An plastischem und ornamentalem Schmuck, an Gold, Elfenbein und edlem Gestein war alles aufgeboten, um das Überwältigende des Eindrucks zu erhöhen. Auch von diesem Werk ist außer kleinen Nachbildungen auf Münzen [* 12] von Elis aus Hadrianischer Zeit nichts übriggeblieben. Außerdem werden noch 13 Erzstatuen der Schutzgötter Athens genannt, von den Athenern aus der marathonischen Siegesbeute zu Delphi aufgestellt; ferner Kolossalbilder der Athene in Pellene und Platää, Statuen des Hermes, [* 13] Apollon [* 14] und der Aphrodite, [* 15] einer auf den Speer gestützten Amazone [* 16] u. a. Das Porträt des Künstlers befand sich am Schilde der Parthenos und ist in skizzenhafter Form noch in einer Nachbildung desselben (Strangfordscher Schild [* 17] im Britischen Museum zu London) [* 18] sichtbar.
Unvergängliche Denkmäler der Perikleischen Epoche, unübertroffene Schöpfungen der griechischen Kunst
sind die unter Pheidias'
Hilfe und Leitung entstandenen Parthenonskulpturen (s. Taf. »Bildhauerkunst
[* 19] II«,
[* 20] Fig. 3),
deren wunderbare
Vollendung und Schönheit, gepaart mit Grazie und ernster, aber nun nicht mehr altertümlich strenger Würde, uns den »hohen
Stil« der griechischen Kunst vor Augen führen. Auch die Skulpturen des Theseustempels stehen dem Pheidias
, vielleicht
aber noch mehr seinem großen Schulgenossen Myron nahe.
Vgl. Otfr. Müller, Commentatio de Phidiae vita et operibus (Götting. 1827);
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler, Bd. 1 (Braunschw. 1853);
Petersen, Die Kunst des Pheidias
am Parthenon und zu Olympia (Berl. 1874);
Schreiber, Die Athena Parthenos des Phidias und ihre Nachbildungen (Leipz. 1882);
Collignon, Phidias (Par. 1886).