Pharisäer
(vom hebr. peruschim, d.h. Abgesonderte), eine religiös-polit. Partei der Juden, die unter der Makkabäerherrschaft aus den ältern Gesetzesfrommen (hebr. chasidim) der griech. Zeit hervorgegangen war. Sie waren der streng gesetzliche Teil des Volks, der sich bemühte, die Herrschaft des Gesetzes auf alle Gebiete des öffentlichen wie privaten Lebens auszudehnen, und der daher in gewissem Maße den religiösen Fortschritt gegenüber der konservativern Tempelaristokratie und ihrem Anhange (Sadducäer) vertrat.
Durch ihre peinliche
Beobachtung aller Gesetzesbestimmungen erwarben sich die Pharisäer
ein stetig steigendes Ansehen bei der
Masse
des
Volks. Unter den letzten Makkabäerfürsten, die vergeblich versucht hatten, sie durch Gewalt zu unterdrücken,
gelangten sie zu polit. Herrschaft, und die vornehmen Sadducäerfamilien sahen sich genötigt, den Platz im
Hohen
Rate mit
ihnen zu teilen. Mit dem Gegensatz von Pharisäer
und Sadducäern hängt auch der andere zwischen Schriftgelehrtentum
und Priestertum zusammen.
In den ersten Jahrhunderten der Gemeinde sind Priester und Schriftgelehrte nahezu identisch. Seit der griech.
Zeit gehen beide allmählich auseinander. Die Schriftgelehrten, deren Ansehen in der nachexilischen
Periode das Priestertum
immer mehr in den Schatten
[* 2] stellte, waren in den zwei letzten Jahrhunderten des jüd.
Staates meist Pharisäer;
die Leitung
des Synagogendienstes und der Synagogengenossenschaften brachte sie in fortwährende Berührung mit dem
Volk, und seit sie
auch im
Hohen
Rate vertreten waren, mußten die Sadducäer sich oft genug ihnen anbequemen.
Die geistige Herrschaft der Pharisäer
war zur Zeit
Jesu so festgewurzelt, daß das
Volk sich völlig ihrer Leitung hingab. Nach
der Zerstörung des
Tempels ging die geistliche Macht naturgemäß völlig an die pharisäischen Gesetzeslehrer über. Die
theol. Unterschiede der Pharisäer
von den Sadducäern betreffen fast nur rituelle Kleinigkeiten ohne religiösen
Wert. Durch die
Evangelien sind die Pharisäer
in den Ruf scheinheiliger Heuchler gekommen, die statt auf Herzensfrömmigkeit
vielfach nur auf äußere Werkheiligkeit sahen. Es bildet eben
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das Christentum den geraden Gegensatz zu der pharisäischen Auffassung der Religion. Das ganze rabbinische Judentum der nachchristl. Zeit ist aus dem Pharisäismus hervorgegangen, der, seit die Macht der sadducäischen Hierarchie gebrochen war, von selbst aufhören mußte, eine abgesonderte Partei zu bilden. -
Vgl. Geiger, Sadducäer und Pharisäer
(Bresl. 1863);
Wellhausen,
Die Pharisäer
und Sadducäer (Greifsw. 1874);
Schürer, Geschichte des jüd. Volks im Zeitalter Jesu Christi, Bd. 2 (2. Aufl., Lpz. 1886).